Amerikaner übernehmen Traditionsfirma aus Glinde komplett. Für die 76 Beschäftigten soll sich nichts ändern, auch der Name bleibt erhalten. Mit seinen schrägen Aufzügen ist das Glinder Unternehmen weltweit Marktführer.
Hamburg. Sie bauen die schrägsten Aufzüge, die es gibt. Sie finden auch dort Lösungen für neue Lifte, wo es vom Platz her nur mit viel Fantasie und technischem Ehrgeiz möglich ist. Jetzt hat der weltgrößte Aufzughersteller Otis die im Vergleich kleine, aber in vielen Ländern hoch geschätzte Traditionsfirma Hütter aus Glinde komplett übernommen. Das Bundeskartellamt hat die Fusion in der Fahrstuhlbranche bereits genehmigt. „Die Verträge für die Übernahme von Hütter durch Otis sind unterschrieben“, sagte Mitgesellschafter Bernd Hütter.
Wie viele mittelständische Unternehmen hatte Hütter ein Problem. Unternehmer-Kinder peilen lieber eine eigene Karriere an und interessieren sich oft nicht für die Firma ihrer Eltern. So war es auch bei Hütter. „Die fünfte Generation wollte das Geschäft nicht übernehmen“, sagte Bernd Hütter. „Wir haben uns zum Verkauf entschlossen, um den Fortbestand unseres Traditionsunternehmens mit seinem Service und den international bekannten Produktinnovationen sichern und weiter entwickeln zu können. Dafür haben wir mit Otis als weltweitem Marktführer einen perfekten Partner gefunden“, so Hütter, der auch nach der Übernahme Geschäftsführer des Aufzugherstellers bleiben wird. Die Deutschland-Tochter von Otis wollte sich am Dienstag nicht äußern.
Der US-Konzern mit einem Umsatz von 12,1 Milliarden Dollar (knapp neun Milliarden Euro), ist mit rund 61.763 Mitarbeitern weltweit der Marktführer der Aufzugsbranche. Allein in Deutschland arbeiten 2400 Beschäftigte, darunter 1200 Servicetechniker in mehr als 100 Standorten. Gegründet wurde das Aufzugsunternehmen 1853 von Elisha Graves Otis. Der Grundstein für den Erfolg war eine Sicherheitsfangvorrichtung für Aufzüge, die einen Absturz der Kabine verhinderte. Das Zeitalter der Fahrstühle begann. 1975 übernahm der US-Konzern United Technologies das Unternehmen.
Das Unternehmen Hütter-Aufzüge ist von Heinrich Hütter 1876, also nur wenige Jahre nach der Gründung von Otis, am Hamburger Standort Kehrwieder im Hafen gegründet worden. Heute wird das Unternehmen von Achim und Bernd Hütter geleitet. Die 76 Mitarbeiter, die die Liftfirma beschäftigt, sollen nach dem Verkauf weiterhin im Unternehmen bleiben. Auch der Name bleibt erhalten. Allein in der Hansestadt und Umgebung tragen einige Tausende Aufzüge den Namen Hütter, während von Otis aktuell 2,4 Millionen Aufzüge und Fahrtreppen in Betrieb sind.
Hütter hat sich neben den Standardlösungen für die Branche auf individuelle und anspruchsvoll zu fertigende Aufzüge spezialisiert. So konstruierte das Unternehmen mit Hamburger Wurzeln Deutschlands höchsten, gläsernen Außenaufzug für das Kristall-Wohngebäude im Hamburger Holzhafen. Der 66 Meter hohe Lift ist klimatisiert, funkgesteuert und fährt außerhalb des Gebäudes die Fassade empor. Für einen siebengeschossigen Altbau im Hamburger Stadtteil St. Georg baute Hütter-Aufzüge den wahrscheinlich schmalsten Innenaufzug Deutschlands mit einer Breite von 52 Zentimetern. Für den Hamburger HVV konstruierte das Unternehmen die Aufzüge für die neue U 4 in der HafenCity.
Mit seinen schrägen Aufzügen ist das Glinder Unternehmen sogar weltweit Marktführer. Auch dies dürfte dazu geführt haben, dass sich Otis für die Glinder Firma interessiert. International wurde Hütter mit einem spektakulären Projekt in Xi’an in China bekannt. Im Famen-Tempel befördern seit 2010 vier Schrägaufzüge täglich mehr als 6000 Mönche, Buddhisten und Gäste, die den für die Buddhisten wichtigen heiligen Ort besichtigen. Der Lift in dem 148 Meter hohen Gebäude, das zwei betenden Händen nachempfunden ist, kann bis zu 21 Besucher pro Kabine befördern. Für diesen Bau erhielten die Hamburger im Jahr 2010 die Auszeichnung „Projekt des Jahres“ der US-Zeitschrift „Elevator World“ (übersetzt: Fahrstuhlwelt).
Genau diese Technik will Hütter gemeinsam mit dem Branchenprimus Otis weiter voranbringen. „Unsere Spezialität, die Hütter-Schrägaufzüge, können jetzt über ein weltweites Vertriebsnetz verkauft werden. Wir können nun unsere Angebotspalette erweitern und neben Spezialanfertigungen wie Aufzüge in Schachtgerüsten, Aufzüge für den öffentlichen Nahverkehr und neben Hütter-Hubtüren für den europäischen Aufzugsmarkt künftig auch eine breite Palette an Standardaufzügen anbieten“, so Bernd Hütter. „Wir könnten sogar in dem bestehenden und dem neuen Angebot weiter wachsen, beispielsweise unter anderem im Vertriebsbereich.“ Bislang liegt der Hütter-Umsatz bei rund 17 Millionen Euro. In Deutschland ist in den vergangenen Jahren durch die voranschreitende Auslagerung der Aufzugs-Fertigung in Billiglohnländer die Zahl der Branchenfirmen um mehr als ein Viertel zurückgegangen. Die Produktionsschwerpunkte haben sich nach Osteuropa und Asien verlagert. Zwar tummeln sich immer noch rund 800 Unternehmen auf dem Markt, aber viele davon dürften es gegenüber den vier großen Anbietern schwer haben. Zu den weltweit größten, die sich in Deutschland bewegen, gehört nach Otis das finnische Unternehmen Kone, gefolgt von den Herstellern Schindler und ThyssenKrupp. Berechnet man allein den deutschen Markt, so ist Schindler vorn.
Vor dem Hintergrund der dramatischen Marktveränderungen in der Branche dürfte für Hütter-Aufzüge die Übernahme durch den Weltmarktführer Otis tatsächlich dafür sorgen, dass die Firma mit einer starken Mutter im Rücken weiterhin bei der Zahl der Mitarbeiter und dem Umsatz zulegen kann. Der bisherige Gesellschafter Bernd Hütter jedenfalls ist davon überzeugt, im Sinne des Glinder Traditionsunternehmens den richtigen Weg eingeschlagen zu haben.