Preise steigen im Juli um 5,7 Prozent. Wirtschaftsexperte sieht aber keine Gefahr für höhere Inflation. Gemüse verteuerte sich um 11,7 Prozent, wobei es bei Kartoffeln mit 44,4 Prozent den stärksten Anstieg gab.
Hamburg. Langer Winter, nasses Frühjahr, heißer Sommer: Schlechte Ernten haben Lebensmittel in Deutschland stark verteuert. Die Preise stiegen im Juli mit 5,7 Prozent so stark wie seit fast fünf Jahren nicht mehr, wie das Statistische Bundesamt mitteilte. Mit Getränken waren es immer noch plus 5,1 Prozent. Die Inflationsrate liegt insgesamt auf dem Jahreshoch von 1,9 Prozent. Einzelhändler machen den Kunden zudem wenig Hoffnung, dass Essen bald wieder billiger wird.
Spürbar tiefer in die Taschen greifen mussten die Verbraucher beispielsweise für Butter. Sie kostete knapp ein Drittel mehr als vor Jahresfrist. Gemüse verteuerte sich um 11,7 Prozent, wobei es bei Kartoffeln mit 44,4 Prozent den stärksten Anstieg gab. Für Obst wurden im Schnitt 11,3 Prozent mehr verlangt – für Äpfel sogar 22,3 Prozent mehr. „Das erst kalte und dann sehr regenreiche Frühjahr hat die Ernte erschwert“, sagte ein Sprecher des Bauernverbandes. „Möglicherweise machen sich hier auch die Nachwirkungen der Flutkatastrophe bemerkbar“, so BayernLB-Ökonom Stefan Kipar.
Nach Angaben des Handelsverbandes HDE ist nicht damit zu rechnen, dass der Druck auf die Lebensmittelpreise schnell nachlassen wird. „Wir haben nicht nur Wetterkapriolen, die die Ernten beeinträchtigen, sondern durch den wachsenden Wohlstand in Schwellenländern wie China auch eine steigende Nachfrage nach Agrar-Rohstoffen“, sagte HDE-Sprecher Kai Falk.
Das sehen die Welternährungsorganisation FAO und die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) ähnlich. „Steigende Preise werden im kommenden Jahrzehnt sowohl für Getreide als auch für Vieh erwartet“, heißt es im gemeinsamen Ausblick für 2013 bis 2022. Wegen knapper Anbauflächen, gestiegenen Produktionskosten und zunehmenden Umweltbelastungen werde die weltweite Agrarproduktion bis 2022 nur noch um jährlich 1,5 Prozent wachsen. In den zurückliegenden zehn Jahren seien es noch 2,1 Prozent gewesen. Gleichzeitig steige die Nachfrage durch die wachsende Weltbevölkerung, höhere Einkommen, Urbanisierung und veränderte Ernährungsgewohnheiten.
Allerdings würden steigende Weltmarktpreise nicht eins zu eins an die Verbraucher weitergegeben, so HDE-Sprecher Falk. „Grund ist der starke Wettbewerb im deutschen Lebensmitteleinzelhandel.“ Die hohe Versorgungsdichte sorge dafür, dass die Preise für Lebensmittel im internationalen Vergleich eher moderat seien. „Nahrungsmittel haben über viele Jahre hinweg die Inflation gedämpft“, ergänzte der Sprecher des Bauernverbandes. Gerade einmal zwölf Prozent ihres verfügbaren Einkommens würden die Deutschen im Schnitt für Nahrungsmittel ausgeben. „Das ist sowohl im europäischen als auch im weltweiten Vergleich sehr wenig.“
Trotz der teureren Lebensmittel verharrte die Inflationsrate im Juli knapp unter der Zwei-Prozent-Marke, bis zu der die Europäische Zentralbank von stabilen Preisen spricht. Ökonomen gehen davon aus, dass dies auch so bleibt. „Wir erwarten im Jahresdurchschnitt eine Teuerungsrate von 1,6 Prozent“, sagte BayernLB-Ökonom Kipar. Ein Grund dafür ist die derzeit eher schwache Weltkonjunktur, die viele Rohstoffe billiger macht und wegen der die Unternehmen Preiserhöhungen nur schwer durchsetzen können.
Auch der Konjunkturchef des Hamburgischen WeltWirtschaftsInstituts (HWWI), Michael Bräuninger, sieht keine Anzeichen für dauerhaft höhere Inflationsraten. „Lebensmittelpreise schwanken häufig sehr stark“, sagte er dem Abendblatt. Denn sie würden unter anderem von Naturereignissen wie Dürren, Überschwemmungen oder einem besonders kalten Winter beeinflusst. Für die nächsten zwölf Monate sagt Bräuninger Inflationsraten von rund zwei Prozent voraus.