Investor springt ab, Banken stellen Kredite fällig. 130 Mitarbeiter der traditionsreichen Marke bangen jetzt um ihren Job. Doch der Insolvenzverwalter ist zuversichtlich, dass die Firma gerettet werden kann

Hamburg. Urs-Stefan Kinting muss sich wie ein Marathonläufer vorkommen, dem 20 Meter vor dem Ziel die Beine versagen. Am Montag vergangener Woche plante der Geschäftsführer des Hamburger Modeherstellers Olsen den Neuaufbau der Traditionsmarke mit einem Investor. Dieser sollte frisches Geld mitbringen, um die Restrukturierung des schwer von alten Verbindlichkeiten gedrückten Spezialisten für Damenmode zu ermöglichen. Am Dienstag sollten die Verträge unterzeichnet werden. Doch noch am Vorabend zog der Investor seine Zusage zurück. Der Deal platzte. Kinting musste die Banken informieren. Diese stellten die Kredite fällig. Das 112 Jahre alte Modehaus Olsen war zahlungsunfähig. Das Amtsgericht Hamburg hat das Insolvenzverfahren eröffnet.

130 Mitarbeiter in Deutschland zittern jetzt um ihren Job. Warum es so gekommen ist, weiß Kinting aber immer noch nicht. „Die Absage geschah gegenüber den Firmeneigentümern, der Familie Wolff. Die Gründe sind mir nicht mitgeteilt worden“, sagte der Geschäftsführer am Sonntag.

1901 gründete Alfred L. Wolff das gleichnamige Handelshaus in Hamburg. Sein Sohn Manfred Wolff konzentrierte 1959 die Geschäfte auf den Import von Pullovern, und 1995 wurde die Marke Olsen als eigenes Label eingeführt. Dieses steht nicht für extravagant geschlitzte Kleider für Magermodels, sondern für Alltagsmode für die Frau mittleren Alters, gern auch ab Größe 40. Das Material: sehr viel Wolle. Es hieß einst vielerorts, die besten Strickpullover gebe es bei Olsen.

Das Konzept ging lange Zeit gut. Doch Mitte des vergangenen Jahrzehnts brach der Umsatz ein. Neue und vor allem günstige Modeläden wie Zara, Esprit und H & M rollten den Markt auf und weckten nicht nur bei jungen Frauen ein neues, anderes Modebewusstsein. Olsen brauchte einen Relaunch der Marke und holte dazu vor zwei Jahren den Manager Kinting an Bord.

„Die Zielgruppe des Unternehmens ,gefühlte 5‘ war goldrichtig, weil diese Klientel sehr zahlungskräftig ist. Aber der Anspruch dieser Kundinnen hatte sich gewandelt“, sagte Kinting. Anders gesagt: Der Strickpulli hatte ausgedient. Olsen musste auf jüngere, frischere Mode setzen. Manfred Wolff, der inzwischen 80-jährige Senior des Unternehmens, wollte die dazu nötigen Finanzierungsmittel in zweistelliger Millionenhöhe „verständlicherweise“ nicht mehr aufbringen, wie Kinting sagt. „Deshalb waren wir seit Längerem auf der Suche nach einem Investor.“

Doch nicht nur die kurzfristige Absage des Finanziers dürfte Olsen nun in Bedrängnis gebracht haben, sondern auch eine Reihe von Managementfehlern in der Vergangenheit. Bei der Ausgliederung der Logistik auf einen externen Dienstleister vor zwei Jahren kam es zu Abstimmungsschwierigkeiten, sodass Olsen für mehrere Monate nur eingeschränkt lieferfähig war. Dabei entstand ein Schaden von 4,1 Millionen Euro. Gleichzeitig modernisierte das Haus seine gesamte IT für Produktion, Beschaffung und Vertrieb. Dafür waren keine Rücklagen gebildet worden. Die Kosten in Höhe von weiteren vier Millionen Euro mussten aus dem operativen Cashflow bezahlt werden.

„Dennoch ist es uns in den vergangenen Monaten gelungen, die Modemarke in einem großen Relaunch zu drehen“, sagt Kinting. „Das Geschäftsmodell funktioniert.“ Es hätte bereits eine Reihe von Investoren aus der Textilbranche ihr Interesse an Olsen angemeldet. „Und deshalb bin ich sicher, dass Olsen definitiv nicht vom Markt verschwinden wird“, sagte Kinting.

Auch der vorläufige Insolvenzverwalter Stefan Denkhaus zeigte sich am Sonntag insgesamt zuversichtlich: „Ich bin optimistisch, dass wir schnell einen Käufer finden werden“, sagte er. Der Hamburger Rechtsanwalt ist derzeit unter anderem als Insolvenzverwalter beim Hamburger Berufsförderungswerk aktiv. Er stellte klar, dass von der Insolvenz nur das Deutschlandgeschäft betroffen ist, nicht aber die Auslandstochtergesellschaften.

Olsen macht immerhin 65 Prozent seines Umsatzes im Ausland, vor allem in Kanada, Polen und Russland. Hier betreibt die Modemarke eigene Läden. Insgesamt gibt es 160 Olsen-Filialen. In Deutschland hat das Unternehmen lediglich sechs eigene Standorte in Factory Outlet Centern. Der übrige Vertrieb geschieht über den Einzelhandel. Die Belegschaft des Unternehmens mit Sitz an der Schnackenburgallee wird heute in einer Betriebsversammlung informiert.