Eine Erfolgsgeschichte made in Norddeutschland. Große Teile des Rumpfes stammen aus Hamburg. Auch Bremen und Stade beteiligt. Reichweite des Fliegers wird erhöht
Hamburg. Bei Christian Vagt nimmt der A330 Formen an. Seine 37 Mitarbeiter setzen im Hamburger Werk die Ober- und Unterschalen des Airbus-Großraumjets zu einzelnen Rumpfsektionen zusammen und schlagen dafür Tausende von Titan- und Alunieten in die Flugzeughaut. Sie fahren die Krane, die die fertigen Sektionen dann wie im Schiffbau auf Pallungen legen und die Tieflader, die sie in die Taktstraßen in der angrenzenden Halle 6 bringen. Dort ist der 30-jährige Vagt, der bei dem Flugzeugbauer Gerätemechaniker lernte und sich später in der Abendschule zum Maschinenbautechniker weiterbildete, für die Fertigung der drei hinteren Rumpfsektionen 16, 17 und 18 der A330 verantwortlich. Dazu kommt noch die Sektion 19, die der Zulieferer Premium Aerotec aus Augsburg schickt. Alle Teile zusammen, wiederum mit Tausenden Nieten fixiert, bilden den hinteren Rumpf des A330. „Die Strukturmontage habe ich mir als Arbeitsplatz ausgesucht“, sagt Vagt, „weil dort für mich der Flugzeugbau beginnt.“
Der Rest der Fertigung ist heute in Toulouse zu sehen. Dort liefert Airbus den 1000. A330 an die Fluggesellschaft Cathay Pacific Airways aus, den größten Kunden für den Jet. Für Airbus Grund genug für eine Feierstunde. Aber auch für den Standort Hamburg und Norddeutschland ein wichtiges Datum.
Denn im Hamburger Werk sichern die Arbeiten für den Jet allein in der Fertigung rund 600 der insgesamt 15.000 Arbeitsplätze. Aus Stade kommen die Seitenleitwerke und die den Rumpf abschließenden Druckkalotten aus leichtem Kunststoff, die ebenfalls in Hamburg eingesetzt werden. Das Werk Buxtehude ist für das Managementsystem in der Kabine verantwortlich, mit dem Licht, Musik, Filme oder Durchsagen an die Passagiere gesteuert werden. Und die Landeklappen und die Ausrüstung für die Flügel sind aus Bremen. Damit bietet Airbus sichere Jobs. Denn schon heute liegen mehr als 1200 feste Aufträge vor. Sie lasten die Beschäftigten beim A330 schon jetzt für knapp drei Jahre aus.
Vagt ist jetzt von der Montage in der Halle 2 auf die zweistöckigen Bauplattformen in der Halle 6 gewechselt. Er steht auf der Höhe der Sektion 16 knapp hinter dem Flügelansatz. Die Sektion markiert den Unterschied zwischen den Typen A330-200 und A330-300. Denn sie ist beim A330-200 um fünf Meter kürzer, sodass der Jet mit 250 Sitzplätzen etwa 40 weniger aufweist als das längere Schwesterflugzeug. Dafür ist die Reichweite des A330-200 mit 13.400 Kilometern um 2300 Kilometer größer. Auch ein Frachtflugzeug und mit der MRTT ein Militärtransporter und Tanker gehören zur A330-Familie. Mit ihm stand Airbus kurz vor einem Auftrag durch die US Air Force. Vor allem aus politischen Gründen kam das Geschäft dann aber nicht zustande. Immerhin: Als größten Kunden konnte neben Australiern, Saudis und den arabischen Emiraten die britische Luftwaffe gewonnen werden. Sie will noch 2013 ihre zehnte MRTT übernehmen.
In der Halle zeigt Fertigungsmeister Vagt jetzt auf zwei bereits aus den vier Sektionen zusammengebaute hintere Rümpfe. Sie sind für Jets bestimmt, die Ende diesen Jahres an ihre jeweiligen Auftraggeber gehen werden. Konserviert und mit Hydraulik und Elektrik ausgerüstet werden sie genau wie die Teile für das 1000. Flugzeug das Werk Hamburg an Bord des Transportfliegers Beluga verlassen.
Auf der anderen Seite der Halle wartet zudem ein aus zwei Sektionen zusammengebautes Vorderteil, das zunächst nach Saint-Nazaire geflogen wird, um es mit dem Cockpit zu verbinden. Die steigende Auftragszahl für den Jet ist für Airbus-Manager Ralf Schulmeister ein klares Indiz: „Der A330 bleibt auch künftig ein Renner.“
Schulmeister gehört zur Programmleitung für den A330 und ist in der Führungsebene derzeit der einzige Deutsche. Seit fünf Jahren betreut der Hamburger von Toulouse aus alle A330- und A340-Kunden von den ersten Gesprächen über Aufträge bis zur Ablieferung der Flugzeuge. „Wir legen gemeinsam fest, welche Ausstattung die Kunden haben wollen, sind beim Bau der Jets dabei und wollen erreichen, dass die Kunden zu 100 Prozent zufrieden sind“, sagt der Manager bei einer Stippvisite in der Hansestadt. Dabei gehen die Wünsche der Kunden derzeit vor allem dahin, den Passagieren denselben Komfort wie im Büro oder zu Hause zu bieten. Dazu gehören Internetanschluss, Telefonieren und E-Mails von Bord und in den oberen Klassen Sitze, die beim Umbau zu echten Betten werden. Eine Fluggesellschaft von den Philippinen orderte für ein A330-300 eine Bestuhlung mit 436 statt gewöhnlich rund 300 Sitzen.
Die Fertigung des A330 wurde zuletzt auf 110 Flugzeuge im Jahr ausgebaut
Vom Erfolg der Betreuungsstrategie ist der Manager überzeugt: „Seit Boeing seinen Konkurrenten 787 Dreamliner anbietet, haben wir allein 790 Airbus A330 verkauft“, sagt der studierte Techniker, der seit 36 Jahren für Airbus und die Vorgängerfirmen arbeitet. Rund 100 Kunden, darunter auch Lufthansa und Air Berlin, haben den zweimotorigen Jet bislang gekauft. Wurden in den Anfangsjahren von 1994 bis 2005/06 jeweils fünf Flugzeuge im Monat gebaut, erhöhte sich die Zahl bis heute fast auf 110 im Jahr. Nur einmal, im Juni 2009 auf einem Flug der Air France von Rio de Janeiro nach Paris, kam es zu einem Absturz.
Jetzt soll durch den Einsatz modifizierter Flügel die Reichweite des A330-200 und A330-300 noch einmal um 900 Kilometer verlängert werden. „Wir wollen die modernisierten Typen Mitte 2015 in Dienst stellen“, sagt Schulmeister. Sie sollen zudem künftig mit weniger Sprit auskommen. Für den 59-Jährigen ist es keine Frage, dass der A330 Zukunft hat. Selbst die eigene Neuentwicklung A350, die vor allem für Langstrecken ausgelegt ist, werde das Flugzeug nicht verdrängen. So haben sich bisher 29 Airbus-Kunden parallel für beide Typen entschieden. „Die Produktion von 110 Flugzeugen pro Jahr soll mindestens bis Ende 2017 anhalten“, sagt Schulmeister. Damit scheint auch der Bau von 2000 Jets der Marke realistisch. „Ich werde in jedem Fall bis zu meinem Ruhestand mit dem Flugzeug zu tun haben“, ist der Hamburger sicher. Das wäre in sieben Jahren, wenn Schulmeister 66 ist.