Die Oxfam-Läden in Hamburg und die Spenda Bel-Läden verkaufen gebrauchte Sachen für einen guten Zweck. Günstig einkaufen und Gutes tun wird immer beliebter: Es eröffnen immer mehr Shops in Hamburg.
Im Oxfam-Laden an der Wandsbeker Einkaufsmeile herrscht auch an diesem Tag ein Gedränge, als wenn es hier alles umsonst geben würde. Das Bücherregal ist von einer Handvoll Kunden umlagert, die in Krimis und Klassikern blättern, ein älterer Herr probiert eine Weste an und mustert sich im Spiegel. Die junge Frau am Regal mit den Haushaltswaren hält die Tasse eines Hutschenreuther-Services ins Licht und schaut nach Gebrauchsspuren – denn alle Produkte, die hier bei Oxfam auf die Kunden warten, sind Second Hand, also gebraucht. Von Hamburgern gespendet.
Daher auch die günstigen Preise: Das Bogner-Kleid, ok, nicht mehr aus der aktuellen Saison, aber fast ungetragen, kostet 19,50 Euro, der Hosenanzug von Gerry Weber 24 Euro, beim Roman „Die Tore der Welt“ von Ken Follett bekommt man immerhin 1300 Seiten Lesevergnügen für 3,50 Euro.
Wenig bezahlen und dabei auch noch Gutes tun, das ist die Idee, die hinter Oxfam steckt: Die Erlöse aus dem Verkauf der Waren gehen unter anderem an Projekte in der Dritten Welt, etwa zur Versorgung von Dörfern mit sauberem Wasser, der Bildung von Frauen oder aktuell an die Syrien-Nothilfe.
Drei Läden betreibt die Hilfs- und Entwicklungsorganisation bereits in Hamburg, vor gut zwei Wochen erst hat der neueste Shop, ein reines Fashiongeschäft, in Ottensen eröffnet. „Wir haben so viele Spenden, dass wir noch mehr Läden eröffnen könnten“, sagt Shopreferentin Nikola Kallweit, die von Berlin aus die Oxfam-Geschäfte im Norden betreut. Sogar ein vierter Laden sei für die Hansestadt neben den Standorten Wandsbek, Hoheluft und Ottensen noch denkbar, „wenn wir eine gute Lage finden“, sagt Kallweit. Die Oxfam-Läden ziehen vornehmlich in begehrte 1b-Lagen, die zwar wegen der höheren Mieten kostspielig sind, aber sich laut Kallweit auch auszahlten: „Wir streben eine gute Mischung der Kunden an und sehen die Geschäfte auch als Möglichkeit, uns und unsere Projekte bekannter zu machen“.
Die Spenden kommen von Leuten, die ausmisten, die umziehen, Platz schaffen wollen oder müssen, beispielsweise beim Umzug ins Altenheim. „Wir machen Überflüssiges flüssig“, sagt Horst Böhme, einer der Mitarbeiter, welche die Sachen annehmen, sortieren, mit Preisen versehen, in die Regale stellen und die Schaufenster dekorieren, alles ehrenamtlich. Der 71-jährige Hamburger wollte nach seiner Arbeit für die Deutsche Telekom etwas Gutes tun und bewarb sich. Inzwischen ist er so begeistert von Oxfam, dass er sich drei Mal in der Woche im Wandsbeker Laden nützlich macht. Die Schaufensterdekoration beispielsweise ist ein Werk des begeisterten Sportlers, unter dem Motto „Derby“ hat er elegante Kleidung, Hüte und Taschen dekoriert, so dass sich der Betrachter gleich an die Galopprennbahn versetzt fühlt. „Mir geht es so gut, andere sollen auch etwas davon haben“, sagt der Ruheständler und schaut nach den neu eingelieferten Hosen und Jacken, die sich im Kellerlager stapeln und auf die Auspreisung warten. Weitere rund 80 Mitarbeiter besetzen die Schichten zum Annehmen, Sortieren und Verkaufen in Wandsbek. Für den neuen Laden in Ottensen sucht Oxfam noch freiwillige Helfer.
Genau so willkommen wie Mitarbeiter für die Secondhand-Läden sind neue Spenden. „Als Spenden nehmen wir praktisch alles gut Erhaltene, außer Pelze oder unsaubere Kleidung“, sagt Nikola Kallweit. Auch Accessoires wie Taschen, Koffer, Kunstgegenstände oder Medien wie CDs oder DVDs gehören zum Angebot der Oxfam-Shops. Informationen finden Interessierte dazu auch unter oxfam.de im Internet.
Während bei Oxfam in Wandsbek vom Spitzenverdiener – einige Ärzte aus der Nachbarschaft gehören zu den Stammkunden – bis zum Bedürftigen alle möglichen Schnäppchenjäger nach günstigen Waren stöbern, ist die Kundschaft bei Spenda Bel nicht so breit aufgestellt. „Bei uns dürfen die Leute nur mit einem Nachweis ihrer Bedürftigkeit einkaufen“, sagt Katrin Werbeck, Projektleiterin bei Spenda Bel, die in Hamburg inzwischen an einem Dutzend Standorten Secondhandläden betreiben. Zur Zielgruppe dieser Geschäfte gehören damit Hartz-IV-Empfänger, Studenten, die BAföG bekommen, und Rentner mit einem Einkommen unter 800 Euro. Katrin Werbeck, 40, studierte Innenarchitektin, hat vor zehn Jahren bei der einfal GmbH angefangen, welche die Spenda Bel-Läden betreibt. „Wir sind der Umschlagplatz zwischen den Spendern und den Bedürftigen“, fasst Katrin Werbeck die Idee hinter den Shops zusammen, die sie mit ihrem Wissen aus ihrem „ersten Beruf“ gemeinsam mit den Mitarbeitern mit besonderer Leidenschaft dekoriert.
Kommerziell sind die Läden nicht, die Einnahmen decken die Miet- und Reinigungskosten, sie haben aber den Charme, den Menschen gleich mehrfach zu helfen: Für die einen als günstige Einkaufsquelle - und für andere als Lernort, sich mit der Präsentation der Waren, im Verkauf oder an der Kasse für einen Job zu qualifizieren. „Viele Mitarbeiter bei uns haben psychische oder Sucht-Probleme und sind noch nicht so weit für den ersten Arbeitsmarkt“, sagt Katrin Werbeck. Neben der Arbeit in den Shops lernen die Beschäftigten bei Coachings mit Sozialpädagogen oder Bewerberschulungen, Selbstbewusstsein zu gewinnen, sich gut zu verkaufen und die eigenen Stärken und Schwächen zu erkennen.
Der Rundgang bei Spenda Bel an der Amsinckstraße offenbart eine überraschende Vielfalt des Angebots: Im Erdgeschoss lädt ein Sofa mit Samtbezug für 30 Euro zum Hinfläzen ein, ein Gefrierschrank für 60 Euro kann an der Steckdose gleich ausprobiert werden, dazwischen bilden Tische, Stühle und Regale ganze Wohnlandschaften, Lampen kosten je nach Design und Größe zwischen 2,50 und acht Euro.
Im Keller wird es kleinteiliger: Bücher für 50 Cent bis ein Euro drängen sich in den Regalen, Hemden für 1,50 bis drei Euro hängen auf Bügeln, für die Kleinen gibt es einen Kinderautositz für drei Euro oder einen Schulranzen für 2,50 Euro, dazwischen kuscheln sich einige Plüschtiere ins Regal. Auch an besondere Anlässe wird bei Spenda Bel gedacht: Kleider für die Hochzeit oder Anzüge fürs Bewerbungsgespräch hängen in Schränken und können auf Wunsch auch in der Spenda Bel-Näherei geändert werden. „Es geht auch darum, den Menschen das Gefühl zu geben, zur Gesellschaft dazu zu gehören und sich entsprechend kleiden zu können“, sagt Katrin Werbeck.
Spenden seien in den Geschäften immer willkommen und könnten im Großraum Hamburg auch kostenlos abgeholt werden. Damit steht dem Ausmisten in Kleiderschrank, Küche oder Keller jetzt nichts mehr im Wege – und so manches Buch, manche Bluse oder der Blumentopf kann bei Oxfam und Spenda Bel ein neues Leben bei neuen, glücklichen Besitzern beginnen.