Zu viele Aufträge, zu wenig Fachpersonal. Erstmals hat ein Hamburger Klempnermeister einen spanischen Gesellen eingestellt. Schon kurz nach seiner Ankunft in Hamburg ist er in die Arbeit integriert.

Hamburg. Das Wichtigste hat er noch in Spanien gelernt: 300 deutsche Fachbegriffe aus der Sanitär- und Heizungsbranche. Damit klappt die Verständigung auf der Baustelle besser. Adrian Guadamura Galera konnte so im Betrieb Uwe Gerkens in Groß Flottbek gleich vom ersten Tag an mitarbeiten. Erst seit Ende Mai ist er in Hamburg. „Ich habe eine Küchen- und Badsanierung mit gemacht“, sagt der 34-Jährige, und sein Chef ist zufrieden.

Installateur- und Heizungsbaumeister Arne Gerkens ist Hamburgs erster Klempner, der einen spanischen Gesellen eingestellt hat. „Ich habe von keinem anderen solchen Fall gehört“, sagt Innungsobermeister Fritz Schellhorn. „Das ist schon interessant, denn die vielen Aufträge in der Branche machen die Personalnot in vielen Betrieben noch sichtbarer. Die Kollegen suchen verzweifelt Fachkräfte.“

Deshalb ging Gerkens einen ungewöhnlichen Weg. Während sich die Handwerkskammer Hamburg bereits seit dem Sommer vergangenen Jahres bemüht, Azubis aus Spanien zu holen, setzt er auf einen bereits ausgebildeten Gesellen. Er hörte von der internationalen Personalberatung POD aus Würzburg, die Fachkräfte für seine Branche aus Spanien vermittelt. Doch nur auf eine Personalakte wollte sich Gerkens nicht verlassen. Er flog deshalb zusammen mit seinem Bruder nach Spanien, um seinen künftigen Mitarbeiter vorher zu treffen. „Da war schnell klar, er passt sehr gut zu uns“, sagt Gerkens. „Ich habe auch ungeheuren Respekt vor der Entscheidung, die Heimat hinter sich zu lassen, um in einem fremden Land zu arbeiten, ohne dass man die Sprache kann.“

Adrian Guadamura Galera aus dem Großraum Valencia hatte keine andere Wahl. Trotz Abitur und guter Ausbildung. „Die Lage in Spanien wird immer schlimmer statt besser“, sagt er. Die Arbeitslosenquote liegt bei 27 Prozent. Im ersten Quartal ist die viertgrößte Volkswirtschaft der Euro-Zone zum siebten Mal in Folge um 0,5 Prozent geschrumpft. Spanien leidet unter den Folgen einer im Jahr 2008 geplatzten Immobilienblase und hat sich deshalb ein rigoroses Sparprogramm verordnet. Nach Einschätzung der spanischen Zentralbank wird sich die Krise in diesem Jahr noch verschärfen. Besonders dramatisch ist die Lage bei den Jugendlichen. Jeder Zweite ist ohne Job. Deshalb sollen in den kommenden vier Jahren 5000 junge Spanier in Deutschland Ausbildung oder Beschäftigung erhalten. So sieht es ein Regierungsabkommen zwischen beiden Ländern vor.

Zuletzt konnte sich Guadamura Galera noch mit kurzfristigen Beschäftigungen über Wasser halten. Seit September 2012 war er arbeitslos. Nach dem Abitur machte er eine dreijährige Ausbildung im Elektrobereich, danach eine Qualifizierung im Sanitär- und Heizungsbereich. Zunächst lief dank des Baubooms alles gut. Bei einer Firma war er drei Jahre, bei einer anderen acht Jahre beschäftigt.

„Solche langen Beschäftigungszeiten sind in Spanien eher selten und ein Qualitätsmerkmal“, sagt Stephan Behringer, Geschäftsführender Gesellschafter der POD Personalberatung. Er hat Guadamura Galera nach Hamburg geholt. Sein Unternehmen hat sich auf die Vermittlung von spanischen Fachkräften für die Branchen Sanitär und Heizung sowie Elektro spezialisiert. 17 hat er bisher nach Deutschland vermittelt, nur einen davon nach Hamburg. Bisher hat keiner aufgegeben. „Die Betriebe im Großraum München und der Südpfalz sind für das Thema aufgeschlossener“, sagt Behringer. „Spanische Fachkräfte im Bereich Handwerk verfügen über eine Berufsausbildung, zahlreiche Aus- und Weiterbildungen und vor allem langjährige Berufserfahrung“, sagt er. „Die Spanier sind hoch motiviert für einen Wechsel nach Deutschland, da viele arbeitslos und ohne Perspektive sind.“

Dennoch ist die Auswahl unerbittlich. Aus 1000 Bewerbungen wählt Behringer 100 aus, und davon schaffen es 20 in ein Trainingsprogramm für den Wechsel nach Deutschland. Auswahlkriterium sind vor allem die Qualifikation und die Beständigkeit im Beruf. Behringer will Leute, die nach der Ausbildung kontinuierlich im Beruf gearbeitet haben. Zunächst gibt es einen zweimonatigen Intensivkurs in Deutsch. „Sprechen und Verstehen im Alltag und 300 Fachbegriffe aus der Branche stehen im Mittelpunkt“, sagt Behringer. Danach folgt noch ein zehntägiges Fachtraining von einem deutschen Klempnermeister, der seit Jahren in Spanien lebt. „Während in Deutschland Kupferrohre durch Pressen verbunden werden, ist in Spanien das Löten noch sehr verbreitet“, nennt Behringer ein Beispiel für unterschiedliche Arbeitstechniken und Normen. Beide Kurse kosten die Spanier nichts.

Im Internet und bei spanischen Arbeitsämtern macht Behringer auf sein Angebot aufmerksam. So erfuhr auch Guadamura davon. „Es ist wichtig, Arbeit und ein regelmäßiges Einkommen zu haben“, sagt er. Seine Perspektive sieht er in Deutschland. „In Spanien wird es nicht besser, und die Politiker sind froh über jeden, der das Land verlässt“, sagt Guadamura Galera. Im Juli beginnt er einen weiteren Deutschkurs.

Alle Spanier, die Behringer vermittelt, erhalten einen zunächst auf ein Jahr befristeten Vertrag. Der Stundenlohn liegt rund 17 Prozent unter dem von deutschen Junggesellen. Behringer begründet das damit, dass die Arbeitsleistung vom Arbeitgeber zu Beginn noch nicht beurteilt werden kann, die Sprachbarriere und den noch nicht feststehenden Arbeitsort. Er will nicht mehr versprechen, als Unternehmen in strukturschwachen Gebieten zahlen können. Doch Gerkens versichert, dass Guadamura Galera „schnell zu dem Gehaltsniveau der Hamburger Gesellen aufrücken kann“.

Außerdem verweist er auf Einkaufsgutscheine oder eine vom Unternehmen finanzierte Betriebsrente, die zum Lohn hinzukommen. Gerkens hat seinem neuen Gesellen ein Zimmer besorgt und die erste Miete übernommen. Guadamura Galera ist nach deutschem Recht noch kein Geselle. Er muss seine Zeugnisse erst übersetzen lassen und für ein Anerkennungsverfahren bei der Handwerkskammer einreichen. Die Anerkennung der Abschlüsse sei aber unproblematisch, sagt Behringer. „Spätestens dann müssen die Unternehmen den Tariflohn zahlen.“ Der Landesinnungsverband für Sanitär- und Heizungstechnik reagiert zurückhaltend auf Gerkens Projekt. „Angesichts der Sprachbarriere und vielen Unterschieden bei den technischen Normen zwischen beiden Ländern bin ich skeptisch“, sagt Geschäftsführer Walter Wohlert. Die Branche setzt auf das Programm der Kammer, Jugendliche für eine Ausbildung nach Deutschland zu holen. „Sie profitieren dann von der dualen Ausbildung, die es so in Spanien nicht gibt“, sagt Wohlert. „Mit Beginn des neuen Ausbildungsjahres im August werden die ersten spanischen Azubis nach Hamburg kommen“, sagt eine Sprecherin der Handwerkskammer.

Gerkens kennt die Vorbehalte wegen der Sprachprobleme. Das ist auch das Erste, wonach die Kollegen fragen, wenn sie von seiner Neueinstellung erfahren. „Doch die Praxis zeigt, es geht, und die Belegschaft zieht bei der Integration des neuen Kollegen mit“, sagt Gerkens. Er selbst hat seinem neuen Mitarbeiter am Wochenende auch schon die Ostsee gezeigt, damit seine ersten Tage nicht nur aus Arbeit und Deutsch lernen am Abend bestehen. Guadamura Galera fühlt sich gut aufgenommen. Nur die frühen Essenszeiten sind gewöhnungsbedürftig. Nach Feierabend bleibt es deshalb bei der spanischen Sitte: „Vor 21 Uhr esse ich nie zu Abend“, sagt er.