Hamburger Versandhandelskonzern verkauft Produkte um bis zu 50 Prozent günstiger. Zinsloser Kredit bei Weihnachtseinkäufen gewährt.

Hamburg. Die Internetseite des Hamburger Versandhändlers Otto sieht im Augenblick so aus, als sei das große Schlussverkaufsfieber ausgebrochen. "Top-Marken bis zu 50 Prozent reduziert" heißt es dort in großen, weißen Lettern auf rotem Grund. Laptops, Fernseher, Kameras, aber auch Sofas und ganze Wohnwände hat der Konzern herabgesetzt. "Wir haben Preisanpassungen vorgenommen, um unsere Wettbewerbsfähigkeit zu stärken", sagte Unternehmenssprecher Thomas Voigt gestern dem Abendblatt.

Selbst verkappte Rabattaktionen sind für den Versandhändler kein Tabu mehr, der sich vor Jahren noch klar gegen den gnadenlosen Preiskampf im Netz ausgesprochen hatte. Nun bietet Otto mit der Aktion "100 Tage Zahlpause" den Kunden offensiv an, ihre Rechnungen erst im Februar zu bezahlen, wenn sie sich jetzt mit Weihnachtsgeschenken eindecken. Das kommt einem zinslosen Kredit gleich.

Mit dem Vorstoß zu Beginn des wichtigen Weihnachtsgeschäfts reagiert Otto auf die immer stärkere Konkurrenz von großen Onlinehändlern. Mehr denn je suchen Kunden heute per Suchmaschinen nach dem günstigsten Preis im Internet, wobei die Hamburger hier in der Vergangenheit selten die vordersten Plätze belegt hatten. Vor diesem Hintergrund hatte Konzernchef Hans-Otto Schrader bereits im Sommer dieses Jahres angekündigt, Preise im großen Stil senken zu wollen.

In einem ersten Schritt sind es laut Unternehmenssprecher Voigt vor allem Artikel aus den Bereichen Unterhaltungselektronik und Computer, die nun reduziert werden. Der Preiskampf in diesem Bereich hatte sich zuletzt durch den Markteintritt von Media Markt und Saturn ins Onlinegeschäft verstärkt. Daneben machen der weltgrößte Internethändler Amazon und die einstige Auktionsplattform Ebay den Hamburgern zu schaffen.

Im Otto-Hauptgeschäft, modischen Textilien, nimmt der Konzern nach eigenen Angaben die Preise erst in Frühjahr 2013 zurück. Hintergrund sind laut Voigt lange Vorlaufzeiten bei den Bestellungen. Als die Preisoffensive beschlossen wurde, hatte Otto die Ware für Herbst und Winter schon bestellt.

Neben dem besonders aggressiv auftretenden Konkurrenten Zalando hatte zuletzt auch die britische Kaufhauskette Marks & Spencer angekündigt, im deutschen Modegeschäft kräftig mitmischen zu wollen. Hamburger Wettbewerber wie der auf legere Mode spezialisierte Anbieter Frontlineshop stehen ebenfalls in den Startlöchern und stricken derzeit an einer Überarbeitung ihres Angebots im Netz. Junge Frauen, eine der Hauptzielgruppen von Otto, bestellen zudem immer mehr auf Modeseiten wie Asos, die vom Ausland aus operieren.

Damit die Preisoffensive nicht auf die ohnehin niedrige Marge von Otto geht, hat die Gruppe für die drei deutschen Versender OTTO (der frühere Otto-Versand), Baur, und Schwab das Umstrukturierungs- und Kostensenkungsprogramm Fokus aufgelegt, das zu heftigen Einschnitten beim Personal führen wird.

Bis zum Jahr 2015 will die Gruppe bundesweit 760 der insgesamt rund 25 000 Arbeitsplätze streichen. Allein in Hamburg fallen 510 Jobs weg, 450 davon in der Einzelgesellschaft Otto, die bislang gut 3200 Beschäftigte zählt. 60 bis 70 Jobs sollen zudem in der Schwestergesellschaft Quelle.de gestrichen werden, die sich nicht so gut wie erwartet entwickelt hat. Bei Baur im bayrischen Burgkunstadt stehen 210 Jobs zur Disposition, bei Schwab im hessischen Hanau sind es 40 Stellen.

Große Konkurrenten wie Amazon setzen in ihren Warenverteilzentren schon heute auf einen viel höheren Automatisierungsgrad als Otto. Roboter packen hier die von den Kunden bestellten Waren ein, was dem US-Konzern erhebliche Kostenvorteile gegenüber den Hamburgern beschert.

Die Otto-Gruppe war im vergangenen Geschäftsjahr mit einem Umsatzplus von gerade einmal 1,7 Prozent auf 11,6 Milliarden Euro deutlich schwächer als der gesamte Versandhandelsmarkt gewachsen. Der Betriebsgewinn (Ebit) schrumpfte gar um nahezu ein Drittel auf 259 Millionen Euro. Hintergrund dafür waren auch gestiegene Rohstoff- und Beschaffungspreise, Investitionen in neue Computertechnik sowie Restrukturierungskosten.

Außerhalb Deutschlands belastete vor allem das defizitäre Frankreich-Geschäft das Ergebnis. Nach anfänglichen Versuchen, die schlingernde Tochtergesellschaft 3 Suisses zu sanieren, soll Otto nach Abendblatt-Informationen auch einen Teilverkauf prüfen.