Benzinmarkt wird transparenter: Autofahrer können bald die preisgünstigste Tankstelle in der Umgebung auf ihrem Handy oder Navi abrufen.

Hamburg. Die Autofahrer haben ein schweres Jahr hinter sich. Der Benzinpreis erreichte an den Zapfsäulen gleich zweimal Rekordwerte, im April und im August. Der September war im Durchschnitt der teuerste Tankmonat aller Zeiten. Mittlerweile ist der Benzinpreis wieder deutlich gefallen; mit 1,56 Euro je Liter für die Kraftstoffsorte E10 liegt er um rund 16 Cent unter seinem Höchstwert. Diesel ist dagegen mit 1,51 Euro je Liter nach wie vor sehr teuer, was typisch für die Jahreszeit ist. Der Rohölpreis ist seit August etwas gefallen, der Euro dagegen gestiegen. Beides verbilligt tendenziell das Benzin und kommt den Autofahrern zugute.

In der nächsten Woche will der Bundestag nun für mehr Durchblick auf dem Benzinmarkt und für mehr Wettbewerb an den Tankstellen sorgen. Die Parlamentarier beschließen eine Markttransparenzstelle, die von den Tankstellen die aktuellen Preise sammeln soll. Im Zuge der Beratungen wurden die Pläne von Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) deutlich abgespeckt. Ursprünglich war vorgesehen, dass die Tankstellen auch ihre Bezugspreise, Absatzmengen und weitere Daten melden sollten. Das ging den kleinen und den großen Spielern in der Branche zu weit. Kartellamts-Präsident Andreas Mundt signalisierte, dass seine Behörde diese Daten nicht täglich braucht. Bei Verdacht auf Marktmissbrauch könne das Amt die Informationen von den Konzernen anfordern.

Das Kartellamt hatte mit einer intensiven Sektoruntersuchung des Tankstellenmarktes die immer wiederkehrende Debatte um die Spritpreise auf eine neue Basis gestellt. „Wir sagen nicht, dass es zwischen den Tankstellen keinen Wettbewerb gibt“, sagte Mundt in diesen Tagen beim „Club Hamburger Wirtschaftsjournalisten“. „Aber er ist zu schwach, nicht lebhaft genug.“ Fünf große Konzerne dominieren den Markt, so das Amt. Sie sprechen sich nicht ab, sie verstoßen nicht gegen Gesetze, aber sie kennen sich und ihren Markt so gut, dass sie sich blind verstehen. Jede Regung des Marktes wird sofort umgesetzt an den Zapfsäulen. Die Autofahrer empfinden die häufigen Preisänderungen als Willkür und reagieren verärgert.

Nun sollen die Preise „in Echtzeit“, also ohne Verzögerung, beim Kartellamt elektronisch angeliefert werden. Das Amt stellt die Daten Anbietern wie dem ADAC, dem Navi-Hersteller TomTom oder Internet-Seiten wie Clever-tanken.de oder Benzinpreis.de zur Verfügung. Die bringen sie als App unter die Leute, auf Smartphones, Tablets, Laptops und Navis. Das wird noch ein wenig dauern, denn es gibt ungelöste technische Fragen. Genau festlegen mag sich keiner, weil für das Kartellamt eine solche Aufgabe Neuland ist. Bildet man aus den Vermutungen von beteiligten Insidern einen Mittelwert, so lautet das Ergebnis: Zu Ostern wird es die App für die Autofahrer wohl noch nicht geben, zur Sommerreisewelle vielleicht dann schon.

Das ist gut für Rösler, weil er im Jahr der Bundestagswahl als erster Politiker geltend machen kann, dass er gegen das Marktgebaren der Ölkonzerne konkret etwas unternommen hat. Mehr war nicht drin. Regulatorische Preismodelle nach dem Vorbild von Österreich oder West-Australien wurden nicht nur von der Branche, den Fachleuten des Wirtschaftsministeriums und der Wissenschaft verworfen, sondern auch von der Verbraucherlobby des ADAC. „Wir finden es richtig, dass die Preissetzung frei ist“, sagte ADAC-Experte Jürgen Albrecht. Eine Tankstellen-App könne nur ein Beitrag zu mehr Wettbewerb sein, weil verschiedene Argumente außer dem Preis bei der Tankentscheidung eine Rolle spielen könnten.

„Der Ball liegt nun beim Verbraucher, den Wettbewerb durch sein Verhalten zu stärken“, meint Albrecht. Bei einer Untersuchung im Auftrag des Automobilclubs hatte sich herausgestellt, dass rund 40 Prozent der Autofahrer nicht auf die Benzinpreise achten. Für die übrigen wird die App vielleicht Transparenz und Komfort bringen, aber nicht unbedingt billigeres Benzin. Der Mineralölwirtschaftsverband (MWV) rechnet nicht damit, dass die Preise sinken, weil die Marge im Durchschnitt eines Jahres ohnehin nur einen Cent je Liter betrage. Möglicherweise schwanken die Preise aber nicht mehr so häufig und so stark, weil Ausreißer nach oben oder unten schneller wieder zum geltenden Marktpreis finden und der Markt insgesamt stabiler wird. Zeigen werde das erst die Praxis.