Die Lust der Europäer auf neue Autos lässt nach. Die Folgen für die Hersteller: Werke müssen schließen, in Frankreich eilt der Staat zu Hilfe.

Wolfsburg/Paris. Die Absatzkrise in Europa hat die Autohersteller voll erwischt: Der US-Konzern Ford will sein Werk im belgischen Genk mit 4300 Mitarbeitern schließen, der französische Autobauer PSA (Peugeot, Citroën) muss Staatshilfe in Milliardenhöhe für seine Finanztochter in Anspruch nehmen. Mit der ebenfalls angeschlagenen General-Motors-Tochter Opel will PSA nun gemeinsam Fahrzeuge entwickeln, um Kosten zu sparen. Und auch Branchenprimus Volkswagen kann sich der Entwicklung nicht ganz entziehen: Der operative Gewinn schrumpft, der Absatz in Westeuropa bröckelt.

VW steuert global betrachtet zwar weiter auf Rekordkurs bei Auslieferungen und Umsatz, doch der schwache Europa-Markt in Verbindung mit Investitionskosten in neue Modelle drückten das operative Ergebnis im dritten Quartal um rund ein Fünftel auf 2,3 Milliarden Euro. Das teilte der Konzern mit insgesamt zwölf Automarken am Mittwoch in Wolfsburg mit. Unterm Strich verdiente Volkswagen 11,3 Milliarden Euro (plus 59 Prozent) – allerdings ist ein Großteil davon auf die Komplettübernahme der Sportwagenschmiede Porsche zurückzuführen. Deren Zahlen waren nach der Integration Anfang August erstmals in der VW-Bilanz enthalten.

Frankreich sagte PSA Peugeot Citroën staatliche Garantien von bis zu sieben Milliarden Euro zu, um die Zukunft der auf Fahrzeugkredite spezialisierten Finanzsparte sicherzustellen. Außerdem wurde die geplante Zusammenarbeit mit Opel konkretisiert. Wie der deutsche Autobauer leidet PSA unter seiner Abhängigkeit vom schrumpfenden europäischen Markt. In der Autosparte sank der Umsatz im dritten Quartal um 8,5 Prozent, teilte der nach VW zweitgrößte europäische Hersteller am Mittwoch mit. Das Unternehmen hatte bereits angekündigt, rund 8000 Jobs zu streichen und ein Werk in der Nähe von Paris zu schließen. Dies stößt allerdings auf Widerstand der Gewerkschaften und aus der Politik.

Peugeot, Citroën und Opel wollen künftig auf vier gemeinsamen Plattformen Vans, Mittelklasse-Autos sowie Kleinwagen bauen. Mit der Opel-Mutter GM war PSA Anfang des Jahres eine Allianz eingegangen. Durch die Kooperation sollen nach spätestens fünf Jahren jährlich zwei Milliarden Dollar (1,5 Mrd Euro) eingespart werden. Geplant ist auch eine Zusammenarbeit beim Einkauf von Teilen.

Unklar blieben die Auswirkungen auf die heutigen Standorte und Arbeitsplätze. Dazu gebe es noch keine Beschlüsse, sagte ein Opel-Sprecher in Rüsselsheim. Die Beschäftigten der beiden Konzerne dürften nicht gegeneinander ausgespielt werden, erklärte Betriebsratschef Wolfgang Schäfer-Klug. „Eine Abwärtsspirale von Einkommen und Arbeitsbedingungen wird keiner der beiden Seiten der Allianz helfen“, heißt es in einer Erklärung für das europäische Arbeitnehmerforum von Opel und der britischen Schwestermarke Vauxhall.

Ford will wegen der Absatzkrise seine Produktion am belgischen Standort Genk bis Ende 2014 stilllegen. Es würden dazu nun Gespräche mit den Arbeitnehmervertretern aufgenommen, kündigte Ford Europe am Mittwoch in Köln an. Betroffen wären rund 4300 Beschäftigte plus etwa 5000 Arbeitsplätze, die von dem Ford-Werk abhängen. Die Gewerkschaft CSC Metea sprach von einer „bitteren Pille für die gesamte Region“.

Der Autobauer wolle seine Produktion in Europa umbauen und damit auf den veränderten Markt reagieren, begründete Ford den Schritt. Künftig soll die Produktion der Modelle Ford Mondeo, S-Max und Galaxy nach Valencia in Spanien und von dort die Fertigung des C-Max und Grand C-Max nach Saarlouis im Saarland verlagert werden.

In der gesamten Branche habe sich die Nachfrage nach Autos in Westeuropa seit 2007 um 20 Prozent verringert, hieß es bei Ford. Im September waren die Pkw-Neuzulassungen in der EU nach Angaben des Branchenverbands Acea den zwölften Monat in Folge geschrumpft.

Auch Volkswagen erwartet für die nächsten Monate eher noch eine Verschärfung der Absatzkrise. Konzernchef Martin Winterkorn sprach von „wachsendem Gegenwind“, Finanzvorstand Hans Dieter Pötsch betonte jedoch: „Wir sind weltweit breit aufgestellt und finanziell solide wie kaum ein Zweiter.“ Die Eurokrise mit ihren Auswirkungen gerade auf die Budgets potenzieller Autokäufer in Südeuropa hatte die Nachfrage einbrechen lassen, doch auch der deutsche Markt entwickelt sich derzeit klar rückläufig.

Betroffen sind inzwischen nicht mehr nur die Volumenhersteller mit Schwerpunkt Europa, sondern selbst die Anbieter von Oberklasse-Fahrzeugen. Daimler-Chef Dieter Zetsche schwor die Belegschaft des Autobauers Mercedes am Mittwoch in einem Brief an die Belegschaft auf einen rigiden Sparkurs ein. Der Stuttgarter Konzern präsentiert diesen Donnerstag (25.10.) seine Zahlen für das dritte Quartal.