Ausläufer der Schuldenkrise werden in dieser Woche bis nach Tokio spürbar sein. Doch IWF und Weltbank wollen auch andere Probleme angehen.
Tokio. Für die 15 000 auswärtigen Besucher bei der Jahrestagung des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank in Tokio dürfte die Eurokrise spätestens abends im Restaurant etwas in den Hintergrund rücken. Stattdessen wird ihnen dann mit der Rechnung ein ganz anderes Problem der Weltwirtschaft präsentiert - der extrem hohe Wechselkurs der japanischen Währung Yen. Für die Ausländer ist der vielleicht ärgerlich, für den Export der Wirtschaftsmacht aber ist er fatal – und damit letztlich auch für die globale Konjunktur.
Nicht umsonst wollen sich auch die führenden sieben Industrienationen G7 am Rande des Treffens der Finanzminister und Notenbankchefs vom 11. bis zum 14. Oktober mit dem Höhenflug des Yen beschäftigen. Das Beispiel zeigt: Selbst wenn sie im Schatten der Eurokrise manchmal leicht in Vergessenheit geraten können, gibt es noch eine Menge anderer Sorgen und Nöte in der Weltwirtschaft.
So bringt IWF-Chefin Christine Lagarde nach eigener Auskunft einen ganzen Katalog an Krisenthemen mit nach Tokio. Die jüngsten Unruhen in Nahost etwa, die sie „geschockt und traurig gemacht“ hätten, wie sie kürzlich in einer Rede sagte. Der arabische Frühling sei auch aus ökonomischer Sicht ein Versprechen gewesen, aber „es braucht Zeit, um das Fundament für Wachstum und Beschäftigung zu bauen, die alle einschließen“. Der IWF und andere internationale Organisationen müssten dabei helfen – am Ende käme das der ganzen Welt zu Gute.
Eine ähnliche Mission verfolgt die Französin für die einkommensschwache Nationen und Schwellenländer wie China und Indien. Bei allem Engagement für Europa mit milliardenschweren Darlehen rückt sie immer wieder die momentan schwächelnden Lokomotiven des globalen Wachstums in den Mittelpunkt. Diese Länder würden sich zwar recht erfolgreich selbst mit politischen Maßnahmen gegen Konjunkturflauten wappnen. Aber „die internationale Gemeinschaft muss ihnen noch mehr die Hand reichen, damit sie sich selbst helfen können“, meint sie. Auch bei der bislang schleppend umgesetzten Quotenreform des IWF, die aufstrebenden Ländern mehr Einfluss geben soll, macht sie deshalb Druck.
Lagarde wird aber nicht die einzige in Tokio sein, die über den europäischen Tellerrand hinaus blickt. Der neue Weltbankchef Jim Yong Kim, seit Juli im Amt, will bei seiner ersten Jahrestagung sein Konzept für den Kampf gegen Hunger, Krankheit und Armut in der Welt anklingen lassen. In einem Gespräch mit Reportern in Washington kündigte er vor wenigen Tagen an, die multilaterale Organisation neu aufstellen zu wollen. Sie soll schneller handeln und bei Fehlentwicklungen selbst laufende Hilfsprogramme noch umbauen können.
„Wenn wir es wirklich ernst damit meinen, die Armut schneller zu beenden als bisher prognostiziert, dann muss es ein paar Änderungen geben, wie wir diese Institution führen“, sagte der ehemalige Arzt und Universitätsprofessor. Sein Fokus dabei liege ganz klar auf Maßnahmen gegen die rasant steigenden Lebensmittelpreise und – was für die Weltbank ungewöhnlich ist – dem Klimawandel. Die gegenwärtige Dürre in vielen Regionen hält der Wissenschaftler für menschgemacht. „Der Klimawandel ist echt. Und wir müssen uns ihm stellen“, sagt er.
Bleibt nur die Frage, wie viel die 188 Mitgliedsländer vom IWF und der Weltbank tatsächlich bei ihrem Jahrestreffen in Tokio auf den Weg bringen werden. Denn trotz aller Vorhaben wird die Eurokrise wahrscheinlich dennoch das alles bestimmende Thema bleiben. Europa ist weiterhin „das Epizentrum des Krise, wo die dringendsten Maßnahmen notwendig sind“, sagte Lagarde selbst. Und so wird der Eurokurs am Ende wohl doch mehr Schlagzeilen machen als der Höhenflug des Yen. # dpa