Viele Menschen wollen der Realität entfliehen und machen es sich in schweren Zeiten zu Hause gemütlich.

Hamburg. Eigentlich war "Die Wäscherei" bei jungen Kunden schon länger angesagt, die Räume mit den ausgefallenen Möbeln gut besucht. Doch seit Anfang des Jahres werden Inhaber Michael Eck und seine Mitarbeiter von Kaufwilligen überrannt. "Wir verzeichnen seit Beginn der Wirtschaftskrise die größten Zuwächse", sagt der Unternehmer. In den vergangenen Monaten habe das Einrichtungshaus ein Umsatzplus von zehn bis 20 Prozent erwirtschaftet. Die Nachfrage ist so groß, dass Eck jetzt Filialen plant und ein Franchisesystem aufbauen will.

Während die Finanzkrise und ihre negativen Auswirkungen die Nachrichten beherrschen, geht es einigen Branchen ausgesprochen gut. Produkte, die das Leben schöner machen, sind gefragt. So berichten Möbelhäuser, Einrichtungsläden, Hersteller von Unterhaltungselektronik aber auch Lebensmitteleinzelhändler in Hamburg von Zuwächsen.

"Das Phänomen tritt speziell in Krisen auf, Experten nennen es Cocooning", sagt Wolfgang Twardawa von der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK). Der englische Begriff bedeute "sich in einen Kokon einspinnen". "Die Menschen wollen der Realität entfliehen. Deshalb haben sie das Bedürfnis, das Leben zu Hause zu genießen und sind dafür bereit, Geld auszugeben", so Twardawa.

Auch mit Möbeln aus dem schwedischen Möbelhaus Ikea scheinen sich derzeit viele Menschen ihre Häuser und Wohnungen zu verschönern. "Es läuft sehr gut", sagt Unternehmenssprecher Kai Hartmann. "Speziell das Thema Wohnzimmer ist gefragt." Beim Besteck- und Kaffeemaschinenhersteller WMF verkaufen sich Produkte rund ums Kochen gut. "Das gemütliche Essen wird richtig zelebriert", so Firmensprecher Thomas Dix. Und bei Laurenz Lenffer, Inhaber des Hamburger Porzellanhauses Lenffer, herrscht großes Interesse an Textilprodukten wie Kissen. "Aber auch alle Gegenstände für das Bad sind gefragt", sagt Lenffer. So sehr, dass der Unternehmer überlegt, eine kleine Badezimmerabteilung einzurichten.

Die Folgen des Cocooning können derzeit auch im Bereich der Unterhaltungselektronik beobachtet werden. Im vergangenen Quartal wuchs der Sektor nach Angaben der GfK um 2,3 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum. 2008 konnte insgesamt ein Umsatzwachstum von 6,4 Prozent verbucht werden. "Wer auf den Kauf eines Autos verzichtet oder auf die große Reise, gönnt sich vielleicht eher einen Fernseher", sagt Philips-Sprecher Klaus Petri. Vor allem Geräte mit Flachbildschirm werden gekauft. Twardawa von der GfK ist überzeugt, der Trend zum Cocooning werde sich in den kommenden Monaten noch verstärken. "Zu der Finanzkrise kommt zum ersten Mal eine Vertrauenskrise hinzu", sagt er. Das sei eine langfristige Entwicklung, "weshalb sich die Menschen länger zurückziehen werden". Untermauert werde diese Einschätzung dadurch, dass die Umsätze in der Gastronomiebranche zurückgingen.

Neben dem Rückzug in die eigenen vier Wände haben viele Menschen aber auch das Bedürfnis, Freunden, Verwandten oder sogar sich selbst eine Freude zu bereiten. "Im Moment höre ich häufig den Satz 'Ich möchte mir etwas gönnen'", sagt Oliver Rohlf, Inhaber von Schokovida in Eppendorf. Er verkauft derzeit vermehrt kleine Schokoladengeschenke. Auch Rohlf freut sich über Umsatzzuwächse in der Krise. "Zusätzlich zu dem Frust über die aktuelle Lage kommt die Freude auf den Frühling, die die Menschen in unseren Laden treibt", sagt auch Gabriele Berger, Inhaber von Blumen-Hahn in Winterhude. "Diese kleineren oder größeren Geschenke lassen unseren Umsatz ansteigen."