Die Industrie steht vor gewaltigen Umwälzungen und arbeitet an der energieeffizienten Dioden-Technologie, dem Licht der Zukunft.
Der Poet des Lichts braucht den Schein der Lampen, um seine Ideen auszubrüten. Aus jedem Fenster des Hinterhauses im Münchner Stadtteil Schwabing strahlt denn auch Helligkeit. Den Baum im Hof haben rot leuchtende Plastikkrähen für sich eingenommen. Ingo Maurer, 78, Sohn eines Fischers vom Bodensee, hat hier seine Heimstatt. Maurer ist einer der bekanntesten Lichtgestalter der Welt. Für sein Lebenswerk bekam er in diesem Jahr den Designpreis der Bundesrepublik Deutschland verliehen. Und wer als ein Lichtmacher könnte besser zeigen, wohin die Reise geht für das Licht nach dem Verbot der Glühbirne – und für eine milliardenschwere Lichtindustrie. Also führen Maurer und der Designer Bernhard Dessecker, der seit 13 Jahren mit ihm zusammenarbeitet, durch ihren Showroom mit all den Tisch- und Pendel- und Deckenleuchtens.
Da darf die „Bulb“ nicht fehlen, die „Birne“, mit der alles anfing. Maurer sah vor mehr als 40 Jahren in einem Hotelzimmer in Venedig eine nackte Glühbirne an der Decke baumeln, fand sie unfassbar poetisch – und wollte fortan nur noch eines: Lampen gestalten. Mit der „Bulb“ von 1966, einer mundgeblasenen großen Birne, in deren Innern eine Glühbirne eingefasst ist, schaffte es der Industriedesigner bis ins Museum of Modern Art in New York. Damit, dass die EU der Glühbirne das Licht abdreht, bis sie 2012 ganz erlischt, kann sich Maurer nicht abfinden. „Man will uns das gute Licht wegnehmen“, sagt er und schenkt sich ein Schlückchen Fernet Branca in den Espresso.
Als das Aus der Birne beschlossen wurde, wollten Maurer und andere Künstler das Glühbirnenverbot zu Fall bringen. Leider wüssten die wenigsten Menschen, was ihnen gutes Licht wert ist. „Daher wurde der Kampf für den Erhalt der Glühbirne auch nicht so geführt wie etwa der Kampf gegen Stuttgart 21.“ Überhaupt, das Diktat von oben. „Es ist doch sehr wichtig, dass wir die Freiheit haben, unser persönliches Licht auszusuchen. Wie wir auch in der Bäckerei unser Brot wählen können.“ Leuchtmittel als Lebensmittel.
Die Energiesparlampe ein gleichwertiger Ersatz? „Die Leute mögen sie nicht“, sagt sein Mitstreiter Dessecker. Die Farbwiedergabe sei nach wie vor das große Problem. So werde etwa aus einem satten Rot ein Orangebraun. Die Sparlampe sei also nichts für die Freunde des Lichts.
Martin Goetzeler, Chef des Lichtkonzerns Osram, sieht das naturgemäß anders. Schließlich stellt er in großem Stil Sparlampen her und rüstet nach und nach seine Glühlampenwerke um. Die Entscheidung, die Glühbirne zu ersetzen, sei richtig: „Weil sie den Einsatz energieeffizienter Lampen beschleunigt und es bereits heute genügend Alternativen zur Glühlampe gibt.“ 19 Prozent des weltweiten Energieverbrauchs entfielen auf Licht, Energieeffizienz werde also von einer „Kann- zu einer Muss-Anforderung“. Für Osram & Co. geht es längst nicht mehr nur um den Verkauf von Lampen, sondern von intelligenten Lichtmanagement-Systemen. Da brennt dann beispielsweise im Büro nur an den Schreibtischen Licht, die die Sonne nicht erreicht. Und nur dann, wenn jemand am Platz sitzt.
Das Argument der EU-Bürokraten, die Glühlampe sei eine Umweltsünderin, mag für Goetzeler stichhaltig sein, Maurer lässt es indes nur begrenzt gelten. Bei Sparlampen sei weder das „Quecksilber-Problem“ gelöst noch die Frage beantwortet, wie sie recycelt werden. Er verfolgt denn auch die aufkeimende Debatte in der EU, wo Herbert Reul (CDU), Vorsitzender des Industrieausschusses im EU-Parlament, jüngst erklärte, er wolle das Glühbirnenverbot doch noch kippen.
Reul beruft sich auf eine neue Studie des Umweltbundesamtes (UBA), wonach Energiesparlampen, falls sie zerbrechen, gefährlich sein können, da Quecksilber austritt. UBA-Präsident Jochen Flasbarth räumt zwar ein, dass bei Tests mit zwei Lampen erhöhte Quecksilberwerte gemessen wurden. „Es wäre falsch, jetzt in das Zeitalter der Energieverschwendung zurückzukehren.“
Maurer würde man Unrecht tun, stempelte man ihn als Nostalgiker ab. Er hat früher als andere mit neuen Lichtquellen experimentiert. Seit 1983 arbeitet er mit Niedervolt-Halogenlampen, seit 1997 hat er Leuchtdioden (LED) im Einsatz, und seit 2006 sucht er seine Poesie in OLED-Leuchten auszudrücken, organischen Leuchtdioden, die Flächen gleichmäßig erhellen.
Glühbirnen und Halogenlampen werden jetzt nach und nach aus dem Verkehr gezogen. Doch Energiesparlampen hält auch Hersteller Goetzeler für eine „Übergangstechnologie“. Die Zukunft im Lichtmarkt, so hat es gegenwärtig den Anschein, gehört Halbleitertechnologien wie LED und OLED. Die Branche steht also vor einer Revolution, vergleichbar mit den Veränderungen in der Autobranche vom Verbrennungs- hin zum Elektromotor. Produzenten wie General Electric, Osram und Philips kämpfen nicht mehr allein um die Lichtquellen der Zukunft. „Wir stellen uns auf Änderungen im Wettbewerberumfeld ein“, sagt Goetzeler. Zu den traditionellen Lichtfirmen kämen Firmen aus dem Bereich Halbleiter und Elektronik. Als Mitspieler gelten nun Unternehmen wie Samsung, LG, Sony, Mitsubishi, Konica Minolta und kleine Start-ups. Also auch solche, die bislang Displays für Handys und Smartphones entwickelt haben.
Zukunftsmarkt LED
Milliardeninvestitionen sind nötig, um vorn dabei zu sein. So investierte Osram im abgelaufenen Geschäftsjahr in Forschung und Entwicklung 260 Mio. Euro, die Hälfte davon in den Zukunftsmarkt LED/OLED. Dieser Anteil soll 2011 auf zwei Drittel steigen. Da stellt sich selbst für einen finanziell potenten Großkonzern wie die Osram-Mutter Siemens die Frage, ob man weiter an dem teuren Wettlauf teilnimmt. Jedenfalls ist aus dem Konzernumfeld zu hören, es gebe Überlegungen, Osram an die Börse zu bringen oder einen Finanzinvestor an Bord zu holen. Wie sehr sich die Gewichte beim Geschäft mit dem Licht verschieben, machen Verkaufszahlen für Lampen in Deutschland deutlich, die das Marktforschungsunternehmen GfK für die ersten zehn Monate 2010 ermittelte. Demnach sank der Umsatz mit Glühbirnen um ein Drittel, Energiesparlampen stagnierten.
Gewinner waren die Halogenlampen (plus 12,7 Prozent), die ein ähnliches Licht geben wie Glühbirnen, mehr aber noch die LED-Lampen, deren Umsatz um satte 86,3 Prozent zulegte. Zwar werden schon heute LED-Lampen mit der Glühbirnenfassung angeboten, noch fehlt es aber branchenweit an einheitlichen Standards. Sollten sich die Hersteller hier einigen, dürfte das den Preis noch weiter drücken. Zum Vergleich: Als Ersatz für eine 60 Watt-Glühlampe kostet bei Osram eine Halogenlampe 2,49 Euro, eine Energiesparlampe 7,99 Euro – und eine LED-Lampe zwischen 29,95 und 39,95 Euro.
Zu den LED gesellen sich die OLED. Das sind extradünne Glaskacheln, die auf einer Fläche gleichmäßiges Licht abstrahlen. Zwei hauchdünne Glasplatten werden zusammengeklebt, dazwischen liegen halbleitende Schichten. Die eigentliche OLED im Innern ist nur 100 bis 200 Nanometer dick, was einem Hundertstel eines menschlichen Haares entspricht. OLED sind Flächenstrahler und bei weitem nicht so hell wie LED.
In Regensburg bei Osram entsteht die erste Pilotlinie für die Produktion von OLED. Karsten Heuser ist der Mann, der für die Siemens-Tochter, die im vergangenen Geschäftsjahr exzellente Renditen erwirtschaftete, 4,68 Milliarden Euro umsetzte und fast 40.000 Menschen Arbeit gibt, in die Zukunft blicken soll. Er arbeite an der „nächsten Generation des Lichts“, sagt Physiker Heuser, und schwärmt davon, wie spannend es sei, bei der Geburt einer neuen Lichtquelle Pate zu stehen. Um die Geburt zu erleben, muss man in einen weißen Kittel schlüpfen und hellblaue Plastiktüten über die Winterschuhe ziehen. Wir betreten den Grauraum, eine Art Zukunftslaboratorium.
Ein Diamanträdchen setzt wie von einer unsichtbaren Hand geführt auf eine 40 mal 50 Zentimeter große Glasplatte auf und ritzt die Umrisse von 20 achteckigen OLED-Kacheln vor. Die Glasplatten werden noch im Reinraum in Aachen in geringer Stückzahl hergestellt und nach Bayern gebracht. Vom Sommer 2011 an sollen sie dann in Regensburg vor Ort entstehen. Arbeiter in weißen Kitteln brechen die Achtecke vorsichtig aus der Glasplatte. Jedes einzelne wird akribisch getestet, ob es auch als Lichtquelle taugt. Erst im Dunkelraum, wo Kameras prüfen, ob Farbe und Helligkeit gleichmäßig über die gesamte Fläche verteilt sind. Dann in einer Klimakammer, in der die Kacheln extremen Temperaturschwankungen ausgesetzt werden.
Die kleinen Kacheln kosten stolze 250 Euro – pro Stück. „Um für einen noch größeren Kundenkreis interessant zu sein, müssten wir um den Faktor zehn billiger werden“, sagt Heuser. Die Pilotlinie wird deutlich höhere Stückzahlen liefern als das Labor in Aachen. Der aufkeimende Konkurrenzkampf wird OLED billiger machen. Heusers Chef Goetzeler nennt die Produktionslinie einen „wichtigen nächsten Schritt in Richtung Massenproduktion“.
Dem Mondlicht ähnlich
Doch wie ist das Licht? Kein Leselicht, will man sagen, eher eine beruhigende Hintergrundbeleuchtung. Heuser beschreibt es als „diffus“ und vergleicht es mit dem Mondlicht. Dem Künstler Maurer, der jüngst auf einer OLED-Konferenz in London „Goldgräberstimmung“ ausgemacht hat, ist das Licht noch zu „breiig, zu weich, etwas langweilig“. Dennoch sei OLED eine „wunderbare Sache“. Osram will die Lichtstärke kurzfristig verdoppeln und mittelfristig vervierfachen. Mehr macht bei einem Flächenstrahler keinen Sinn, da er sonst blendet. Auch an der Lebensdauer tüftelt Heusers Team. 2009 hielt die erste Kachel 5000 Stunden. Das Ziel: eine Lebensdauer, wie bei LED, von 25.000 bis 30.000 Stunden. Zum Vergleich: Glühlampen halten rund 1000 Stunden, hochwertige Sparlampen circa 15.000 Stunden.
Wände, Fenster, Möbel: OLED könnte ganze Räume zum Leuchten bringen – und damit zur Lichtquelle der Zukunft werden. Sie könnte letztlich die Leuchtstoffröhre ersetzen. In Sachen OLED hat Maurer auch schon mit Osram kooperiert. Seine futuristisch anmutende Tischleuchte „Early Future“ steht bei Siemens-Chef Peter Löscher auf dem Schreibtisch. Der sei von ihr so angetan, verrät der Designer, dass er nun noch die Deckenleuchte „Flying Future“, die an das Weltraumsegel einer Raumstadion erinnert, haben wolle.
Auch wenn Maurer mit LED und OLED den Weg in die Zukunft leuchtet, von der Glühbirne kann er doch nicht lassen. So orakelt er, man werde sie nach dem Totalverbot im Jahr 2012 in Europa auf dem Schwarzmarkt bekommen. „Wie beim Drogendealer kann man dann sagen: ‚Hey, hast du mal `ne Birne?’“ Ihm gefalle auch die Idee, Glühbirnen als sogenannte heat balls, also „Heizbälle“, zu deklarieren und einzuführen. Es sei doch herrlich, wie viel Einfallsreichtum rund um das Glühbirnenverbot entstanden sei. Doch ist Edisons Erfindung nicht unwiederbringlich verloren? „Die Glühbirne“, sagt der Lichtmacher, „wird auch weiter existieren, sie wird ein Comeback erleben, da bin ich mir sicher.“ An der Wand hinter ihm klebt ein Plakat mit der Zeile „Aufruf zum zivilen Ungehorsam“.