Niklas Zennström und seine Frau Catherine unterstützen Organisationen zum Schutz von Umwelt und Menschenrechten.

Niklas Zennström kann nicht anders. Das ist ihm erst am vergangenen Wochenende wieder bewusst geworden. Da war er mit seiner Frau, seinem Vater und seiner Schwester im kleinen Sommerhaus der Familie in Sörmland, südlich von Stockholm. In dem dunkelrot gestrichenen Holzhäuschen hat er schon als kleiner Junge seine Ferien verbracht, als es dort noch kein fließendes Wasser gab. Vom Fenster aus kann man die Ostsee sehen. Da gingen sie früher segeln und schwimmen und fischen. Heute gibt es fast keine Fische mehr. Und das Schwimmen ist unappetitlich geworden – zu viele Algen.

„Am Meer sehe ich: Wir müssen jetzt etwas tun, um die Umwelt zu retten. Das kann nicht mehr warten“, sagt Zennström. Deshalb ist der Schutz der Ostsee einer der Schwerpunkte seiner gemeinnützigen Gesellschaft Zennström Philanthropies. Die anderen beiden Hauptthemen sind der Klimawandel und die Menschenrechte.

Die finanziellen Mittel zum Wohltäter hat Zennström. Im Jahr 2005 verkaufte er seinen Welterfolg, die Internet-Video-Telefonfirma Skype, für 2,6 Milliarden Dollar an das Online-Auktionshaus Ebay. „Aber Geld ist in der Philanthropie gar nicht das Wichtigste“, sagt der Multi-Unternehmer. „Es kommt auf die richtige Strategie an.“ Und da will er sich langsam und vorsichtig vortasten. Niklas Zennström ist ein zurückhaltender Mensch, schüchtern vielleicht. „Bin ich hier richtig?“, fragt er, als er in den Meetingraum seines Londoner Büros kommt. Er macht einen Schritt zurück, so als wolle er gleich wieder gehen. Manche Unternehmer füllen den ganzen Raum mit ihrem Ego. Niklas Zennström, schlank und 1,90 Meter groß, möchte niemandem im Weg sein.

Zennström legt sich mit den Großen an

Als Unternehmer jedoch hat er es mit den ganz Großen aufgenommen. Zusammen mit seinem Freund, dem dänischen Computerfreak Janus Friis, gründete er 2001 die Musiktauschbörse KaZaA und brachte damit die Musikindustrie gegen sich auf. Zwei Jahre später sagte das Duo mit der Gründung von Skype den Telefonriesen dieser Welt den Kampf an: „Es gibt keinen Grund, warum telefonieren so teuer sein sollte“, sagte Zennström damals. Im Jahr 2007 folgte der Versuch, die Fernsehwelt zu revolutionieren. Die Video-Plattform Joost ist aber inzwischen eingestellt. Heute arbeiten die beiden Freunde als Investoren. Ihnen gehört die Firma Atomico Ventures, die in schnell wachsende Technologieunternehmen investiert.

Die Firma arbeitet unter einem Dach mit Zennström Philanthropies. Gerade sind sie umgezogen in ein lichtes Büro in einer der elegantesten Straßen Londons. Die puristischen Einbauregale und hochwertigen Schiebetüren zu diversen Konferenzräumen sind noch im Bau. „Die Immobilienpreise waren günstig, das ist eine gute Investition“, sagt Niklas Zennström wie zur Entschuldigung für die feine Adresse. Aus den Fenstern schaut man über die Bond Street, wo Gucci, Armani und Chanel ihre Boutiquen haben.

Niklas’ Frau, Catherine Zennström, sieht nicht so aus, als fände sie das wichtig. Sie trägt einen knöchellangen dunkelblauen Rock mit konservativem Jackett, eine weiße Bluse und eine runde Hornbrille. Sie ist eine Frau, die ihre Arbeit macht, und keine gestylte Milliardärsgattin. Schon bevor das Ehepaar reich wurde, war Catherine Zennström als Menschenrechtlerin aktiv. Sie arbeitete je zweieinhalb Tage die Woche ehrenamtlich in den Londoner Büros von Amnesty International und Ärzte ohne Grenzen. Nach dem Verkauf von Skype, der auf der ganzen Welt Schlagzeilen machte, konnten es viele Kollegen gar nicht fassen, dass Catherine weiter täglich zum Dienst antrat. So als sei nichts gewesen.

„Die Idee, etwas eigenes zu machen, musste gründlich reifen“, erklärt sie heute. „Es klingt verrückt, aber viel Geld macht die Sache nicht unbedingt einfacher.“ Im Bereich Menschenrechte, den Catherine bei Zennström Philanthropies verantwortet, geht es vor allem darum, die Politik zu beeinflussen. Die Staaten müssen Gesetze zum Schutz von Frauen, Andersdenkenden oder Minderheiten machen und diese dann auch wirklich durchsetzen. „Da sind die richtigen Kontakte und die richtige Strategie wichtiger als viel Geld.“ In ihrer Strategie sind sich Niklas und Catherine Zennström einig. Sie sehen sich als „Investoren in Ideen“, nicht als Sozialunternehmer, die eine eigene Organisation an der Basis aufbauen. „Bei unserem Vermögen macht es Sinn, nicht alles auf eine Karte zu setzen“, erklärt Niklas Zennström. Sie investieren zwar bewusst in risikoreiche und deshalb unterfinanzierte Projekte. Aber sie streuen ihren Einsatz. Bisher unterstützt Zennström Philanthropies je zehn bis 15 Organisationen aus den beiden Bereichen Umweltschutz und Menschenrechte.

Ein Beispiel ist die Unterstützung der sogenannten „P8 Group“, in der auch der ehemalige US-Vizepräsident Al Gore und der britische Prinz Charles aktiv sind. Die Gruppe bringt die größten Pensionsfonds der Welt zusammen und zeigt ihnen Investitionsmöglichkeiten auf, die helfen, den weltweiten CO2-Ausstoß zu verringern. „Die Fonds verwalten zusammengenommen über drei Billionen Euro. Da haben wir mit unseren Ratschlägen einen riesigen Hebel.“

Darum geht es den Zennströms. Sie wollen an den großen Schrauben drehen, um die Dinge zum Besseren zu verändern. Ihre Entscheidungen fällen sie strategisch, nicht aus dem Bauch heraus. „Man muss zwischen der Sympathie für Menschen und ihrem Geschäftsmodell trennen“, sagt Niklas. „Nur wenn die Idee und das Team zusammen funktionieren, ist es die Investition wert.“ Er und seine Frau sprechen in einzelnen Interviews über ihre Arbeit. Unabhängig voneinander benutzen sie Worte aus der Finanzwelt, wie „Portfolio-Ansatz“, „Leverage Effekte“ (Hebelwirkungen von Investitionen) und „Due Diligence“ (die genaue Prüfung von Verkaufsprospekten vor einer Firmenbeteiligung).

Ein starkes Team

Die beiden sind ein starkes Team mit starken Persönlichkeiten. Sie haben keine klassische Rollenteilung. Vor über 15 Jahren trafen sie sich beim europäischen Telefonanbieter Tele2. Für einige Jahre bestritt Catherine das Haupteinkommen, damit Niklas seinen Geschäftsideen nachjagen konnte. „Und jetzt hat Niklas uns die Philanthropie ermöglicht.“

Manchmal ist Catherine Zennström diejenige, die ihrem Mann den entscheidenden Schubs gibt. So ermunterte sie ihn, im Jahr 2008 eine von der gemeinnützigen Beratung Forum for Active Philanthropy und der Europäischen Umweltagentur organisierte Expedition nach Grönland mitzumachen. Sie blieb zu Hause. „Natürlich wäre ich gerne mitgefahren, aber dann wären wir mehr aufeinander fixiert gewesen und Niklas hätte sich nicht so stark eingelassen auf die anderen Stifter und die Eindrücke“, sagt sie. So sah er schmelzende Eisberge und bedrohte Lebensräume in der Arktis. „Zu den Mitreisenden entstanden enge Kontakte“, erzählt Niklas Zennström. „Und ich kam raus aus dem Theoretisieren und baute eine emotionale Verbindung zum Thema Klimawandel auf.“ Genau das hatte sich seine Frau gewünscht. Sie selbst ist durch ihre jahrelange ehrenamtliche Arbeit im Thema Menschenrechte ohnehin stark verwurzelt.

„Manchmal vermisse ich den Kontakt zur Basis“, erzählt sie. Um ein Gefühl für die Arbeit der Organisationen zu bekommen, die sie unterstützen will, gibt sie sich oft zunächst gar nicht als „Investorin“ zu erkennen. Mitunter bietet sie auch ihre Arbeit als Ehrenamtliche an, um ein Projekt kennenzulernen.

Der Wagniskapitalist

Ehemann Niklas hat weniger Zeit für die Wohltäterei. Einige Stunden in der Woche sind für strategische Entscheidungen reserviert, ansonsten widmet er sich seinem neuen Geschäft als Venture Capitalist. Hier allerdings bemüht er sich um Synergien zur Philanthropie. Er hat die ZPA-Initiative (Zennström Philanthropies and Atomico) aufgesetzt, bei der er Firmen aus seinem Investment-Portfolio mit Sozialunternehmern zusammenbringt. „Oft können beide voneinander lernen“. Er selbst habe als Philanthrop auch noch eine Menge zu lernen, sagt Niklas Zennström. Deshalb wolle er bei all’ seinen Investitionen nichts überstürzen. „Das ist anders als im Internet-Geschäft. Wir können uns viel Zeit nehmen.“ Fehler passieren dennoch. So habe Zennström Philanthropies bei einigen frühen Spenden zu viel Geld über einen zu langen Zeitraum zugesagt. „Dann werden die Empfänger abhängig und man kann sich als Geldgeber schwer wieder zurückziehen.“ Besser sei es, klein zu starten, Projekt und Menschen gut kennenzulernen und das Engagement langsam auszubauen.

Dass sich die Zennströms überhaupt als Wohltäter engagieren, das haben sie nie in Frage gestellt. „Wenn du erfolgreich im Geschäft bist, wirst du zum Philanthropen“, sagt Niklas Zennström. „Das ist für mich der natürliche Gang der Dinge.“ Der Reichtum hat die Möglichkeiten der Zennströms verändert, nicht ihre Haltung. Sie treten bescheiden auf, arbeiten hart und sind ein gutes Team – ob mit viel Geld oder ohne.

Quelle: Welt Online