Vor drei Jahren schlitterte die Hähnchenbraterei Wienerwald in die Insolvenz. Jetzt wagt der Enkel des Firmengründers ein Comeback.

Die Hähnchenbraterei Wienerwald wagt nach Jahren des Niedergangs einen Neuanfang. Mit modernen Filialen und Snacks wie Wraps und Chicken Burgern will der Enkel des Firmengründers Friedrich Jahn die Schnellrestaurants vom Mief der alten Zeiten befreien. „Wir müssen viel abstauben“, sagt Daniel Peitzner, der seit der Insolvenz von 2007 zusammen mit Michael Schrank am Comeback arbeitet. Die ersten Restaurants im neuen Design hat Wienerwald in München eröffnet – und ist auch in der Türkei groß eingestiegen.

Als echte Bewährungsprobe aber gilt Berlin, wo Wienerwald im Frühjahr gegen Dönerbuden, McDonald’s und Pizza Hut antreten will. Bislang ist der deutsche Markt für schnelles Essen fest in der Hand der großen US-Fastfoodketten. Allein McDonald’s hat mehr als 1300 Filialen in Deutschland, Konkurrent Burger King knapp 700. Auch die US-Hähnchenkette Kentucky Fried Chicken mischt wieder sichtbar in Deutschland mit. Mit bislang 70 Filialen steht das Unternehmen nach eigenen Angaben am Anfang seiner Expansion in Deutschland: „Unser Expansionsziel ist es, ab 2010 jährlich mindestens 20 neue Restaurants zu eröffnen.“

Dennoch ist Wienerwald-Enkel Peitzner überzeugt, mit einem Netz an Franchise-Partnern in Deutschland wieder Fuß fassen zu können. Das Hauptprodukt bleibt trotz aller Neuerungen das klassische Grillhendl, das heute wie vor 50 Jahren für mehr als die Hälfte des Umsatzes sorgt – und für Kundschaft quer durch alle Altersgruppen. In der neuen Filiale am Stadtrand von München kauft die Mittsiebzigerin mit Perlenkette, die Wienerwald aus ihrer Jugend kennt, genauso ein wie der Bauarbeiter.

US-Expansion bringt Unternehmen ins Wanken

Um die Erinnerung an alte Zeiten geht es auch beim Einstieg in das Türkeigeschäft, wo ein Franchise-Partner bereits 31 Wienerwald- Filialen betreibt. „Viele Gastarbeiter waren in der Hochzeit des Wienerwaldes in Deutschland und kennen Wienerwald“, sagt Peitzner. Für den 35-Jährigen ist die Wiederbelebung von Wienerwald auch eine Frage der Ehre. An seinen Opa Friedrich Jahn, der es als „Hendl König“ zu Prominenz gebracht hat, kann er sich gut erinnern: „Er war ein Workaholic bis zuletzt.“

Der gelernte Oberkellner hatte in den 1950er Jahren in München aus einer kleinen Wirtschaft den ersten Wienerwald gemacht. Rasant folgten hunderte Hähnchenrestaurants in österreichisch angehauchtem Landhausstil. Unter dem Slogan „Heute bleibt die Küche kalt, wir gehen in den Wienerwald“ bot Jahn lange vor der Ausbreitung der US-Fastfoodketten Gerichte zum Mitnehmen. So machte Jahn in ganz Europa gute Geschäfte und kam in seinen besten Zeiten mit mehr als 1500 Betrieben auf Milliardenumsätze. Spätestens mit der Expansion in den USA aber geriet Jahns Imperium ins Wanken und der Unternehmer musste 1982 Vergleich anmelden.

Danach kam Wienerwald unter wechselnden Besitzern nicht mehr richtig auf die Beine. Nach einem Umsatzeinbruch wegen der Geflügelpest 2003 musste Wienerwald Insolvenz anmelden. Danach stieg ein Finanzinvestor ein, konnte die Wende aber auch nicht schaffen. Als 2007 wieder Insolvenzantrag gestellt wurde, konnten Jahns Nachfahren nicht länger tatenlos zusehen und kauften die Marke vom Insolvenzverwalter. „Die Marke ist sehr runtergewirtschaftet worden“, sagt Peitzner. Geblieben sind ihm rund 30 der früheren Filialen. Hinzukommen sollen Dutzende der neuen Restaurants, die mit weißem Mobiliar, grünen Baumtapeten und Lampen im Retro-Stil nicht mehr viel mit dem alten Wienerwald gemein haben – selbst das Hähnchen im Firmensymbol wurde etwas abgespeckt.

Mit einem Umsatz von rund 25 Millionen Euro ist Wienerwald bislang aber weit von den alten Dimensionen entfernt. Der gelernte Betriebswirt Peitzner leitet Wienerwald als einer von zwei Geschäftsführern. Daneben führt er mehrere Restaurants auf Sylt, in denen auch überwiegend Huhn statt Fisch auf der Karte steht. Der Appetit auf das Geflügelfleisch ist ihm trotzdem nicht vergangen. Jedes neue Rezept probiert er seinen Worten nach selbst aus, steht regelmäßig mit in der Küche und freut sich schon wieder auf sein Lieblingsessen: gefülltes Hähnchen mit Semmelknödeln. „Aber das gibt es bei uns nur zu Weihnachten.“

Quelle: Welt Online