Googles Street View ist an den Start gegangen. Trotz zweijähriger Vorbereitungsphase ist bei den Verpixelungen nicht alles glatt gelaufen.
Ausgerechnet die Dienerstraße in München. Und ausgerechnet die Hausnummer 12. Was die Google-Mitarbeiter erblickten, als sie in Bayern ihr eigenes Büro auf Googlemaps begutachten wollten, waren Pixel. Die Dependance des Suchmaschinen-Riesen in der Landeshauptstadt ist auf Street View nicht existent. Ein Mieter des Hauses wollte unsichtbar bleiben – und ließ deswegen gleich die ganze Fassade mit löschen. Nachdem Google in der Nacht zum Donnerstag mehrere Millionen Panorama-Bilder in 20 Städten freigeschaltet hatte, verbreitete sich die Nachricht in Windeseile.
Deutschland wachte auf und klickte sich verrückt. Zum ersten Mal sind hierzulande großflächig 360-Grad-Rundumaufnahmen abrufbar. Meist war das eigene Haus das erste Ziel des virtuellen Ausfluges. Und allzu häufig blickten die Nutzer auf verschwommene Pixel. Die Frage, wer sich überhaupt verpixeln ließ, will Google nicht beantworten. Knapp 250.000 Haushalte haben Einspruch eingelegt. Wie sich diese Zahl auf die einzelnen Städte verteilt, soll ein Geheimnis bleiben. Das Unternehmen, das angetreten ist, die „Informationen der Welt zu organisieren“, will diese Daten nicht erfasst haben.
Tatsächlich sind die Pixel überall zu sehen, im alternativen Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg genauso wie im schicken Grunewald, im Hamburger Schanzenviertel oder im teuren Blankenese an der Elbe. Offenbar kennt das Bedürfnis nach Verschleierung keine gesellschaftlichen Unterschiede. Die Wahrscheinlichkeit, dass es ein Mehrfamilienhaus trifft, ist größer, weil jeder Mieter einen Antrag auf Verpixelung stellen kann. Gelöscht wird dann das komplette Haus mit Ausnahme von Restaurants im Erdgeschoss.
Doch trotz der zweijährigen Vorbereitung für Street View in Deutschland – inzwischen ist das ganze Land abfotografiert – häuften sich zum Start die Pannen. Zwar durfte Google Australien zu deutscher Nachtzeit wegen der Zeitverschiebung mit einem Notdienst zur Kontrolle antreten. Doch noch immer sind Gesichter auf den Bildern zu erkennen, die nicht unkenntlich gemacht wurden. Dabei sollte gerade das automatisch per Software geschehen sein. Wer beim Betrachten der Häuserfassaden die Straßenseite wechselt oder einfach ein Stück die Straße weiterwandert, sieht plötzlich doch noch, was er eigentlich nicht sehen darf.
Dabei hatte Google bereits eine Generalprobe. Vor zwei Wochen ging bereits die Gemeinde Oberstaufen im Allgäu mit Street View ans Netz. Auch dort gab es Pannen, dabei waren nur 16 Häuser verpixelt. Doch Nutzer von Apples iPhone und iPad sahen die Fassaden kurzzeitig ohne Verschleierung.
„Wir können Fehler nicht ausschließen“, sagte Googles Datenschutz-Chef Peter Fleischer zum Start des Dienstes in Hamburg. Dass es Pannen gibt, ahnte Google schon vorher. Um den Sturm der Entrüstung abzumildern, trat der Konzern vor dem Start von Street View an die Öffentlichkeit. Es könne „durchaus vorkommen, dass einige Häuser in den 20 Städten auf unseren Street-View-Bildern zu sehen sein werden, die eigentlich unkenntlich gemacht sein sollten“, hieß es dazu. Und: „Wir entschuldigen uns dafür im Voraus.“
Mehr als 100 Mitarbeiter stehen seit Donnerstagmorgen bereit, um neuen Beschwerden der Nutzer nachzugehen. Über die Konzern-Webseite können Häuser, Autokennzeichen und Gesichter gemeldet werden, die nicht verpixelt sind. „Wir werden die Probleme innerhalb von wenigen Stunden bis Tagen lösen“, sagte Produktmanager Andreas Türk. Google ist für seinen Panoramadienst von Datenschützern scharf kritisiert worden. Vorschläge für ein eigenes Gesetz zu Geodatendiensten liegen dem Vernehmen nach aber vorerst auf Eis. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) forderte zuletzt die Branche auf, bis zum IT-Gipfel im Dezember einen freiwilligen Kodex zu erarbeiten.
Der Branchenverband Bitkom warnt daher auch vor „Panikmache“. „Wir sollten in Deutschland nicht nur auf mögliche Risiken von Technologien schauen, sondern zunächst einmal die Chancen in den Blick nehmen“, sagte Bitkom-Präsident August-Wilhelm Scheer WELT ONLINE. Ansonsten verspiele das Land seinen weltweit immer noch guten Ruf als Technologieführer und vertreibe technologieorientierte, innovative Unternehmen. Google will mit Street View in Deutschland erst einmal die Reaktionen abwarten, bevor weitere Städte hinzukommen. In Großbritannien ist der Konzern ähnlich vorgegangen: Nach dem Start dort dauerte es knapp zwei Jahre, bis auch das restliche Land mit Panorama-Aufnahmen online war.
So funktioniert die Street-View-Funktion: Gehen Sie auf Google Maps und geben Sie eine Stadt wie "Berlin" in die Suchmaske ein. Zoomen Sie in den Ort hinein mit dem "Plus"-Symbol am linken Bildschirmrand. Ziehen Sie mit gedrückter Maustaste das orangefarbene Männchen auf die blaumarkierten Straßen des Ortes. Danach erscheint die Street-View-Ansicht.