Der Staat kann auf zusätzliche Milliarden hoffen. Die gesamte Verschuldung nähert sich dennoch der zwei Billionen-Marke.

Die Steuereinnahmen von Bund, Ländern und Kommunen fallen in den Jahren 2010 bis 2012 um rund 61 Milliarden Euro höher aus als zuvor erwartet wurde. Das ist das Ergebnis der aktuellen Steuerschätzung, das vom Bundesfinanzministerium in Berlin bekanntgegeben wurde. Aufgrund der günstigen Konjunkturentwicklung war schon im Vorfeld mit erheblichen Mehreinnahmen im Vergleich zu der vorherigen Schätzung vom Mai gerechnet worden. Das Bundesfinanzministerium wies jedoch umgehend darauf hin, durch die Mehreinnahmen entstehe „kein neuer Finanzierungsspielraum“.

Für 2010 ergeben sich der neuen Steuerschätzung zufolge Mehreinnahmen im Vergleich zur Mai-Schätzung von 15,2 Milliarden Euro, für 2011 von 22,4 Milliarden Euro und für 2012 von 23,4 Milliarden Euro. Der Bund kann bis 2012 insgesamt mit Mehreinnahmen von 24,2 Milliarden Euro rechnen, davon 7,4 Milliarden Euro im laufenden Jahr. Auch Ländern und Kommunen sagen die Experten zusätzliche Einnahmen voraus.

Der Arbeitskreis Steuerschätzung erstellt jeweils im Mai eine Prognose für die Steuereinnahmen im laufenden und in den vier folgenden Jahren. Im November werden die Ergebnisse noch einmal für das laufende und das folgende Jahr sowie diesmal erstmals auch für das übernächste Jahr aktualisiert.

Wegen der „Großen Rezession“ der Weltwirtschaft in Folge der Finanzkrise bewegt sich die deutsche Staatsverschuldung in Windeseile auf die Zwei-Billionen-Euro-Marke zu. Das bedeutet, jeder Bürger, vom Säugling bis zum Greis, schleppt rechnerisch 22.000 Euro Staatsschulden auf seinen Schultern. Alleine die Bundesregierung gibt jedes Jahr fast 40 Milliarden Euro für Zinsen aus – bei Gesamtausgaben von gut 300 Milliarden Euro ist das nach den Sozialaufwendungen der zweitgrößte Budget-Posten.

„Die Zinszahlungen verringern zusehends den Spielraum für Zukunftsinvestitionen in Bildung und Forschung“, warnt etwa Michael Bräuninger vom Hamburgischen Welt-Wirtschafts-Institut. Statt in die Modernisierung von Schulen und Universitäten fließt das Geld in die Taschen der Banken, die Staatsanleihen kaufen.

Davon spüren die Bürger in ihrem Alltag allerdings – noch - wenig. Gerade deshalb fällt es der Politik schwer umzusteuern. Im Gegenteil: In nur 20 Jahren hat sich die Verschuldungsquote - das Verhältnis zwischen Schulden und Bruttoinlandsprodukt – von 40 auf 80 Prozent verdoppelt! Wie eine Studie des Instituts für Wirtschaftsforschung (IW) weiter darlegt, ist die deutsche Wirtschaftsleistung seit 1970 um 560 Prozent gestiegen. Im gleichen Zeitraum stiegen die staatlichen Ausgaben aber um mehr als 1000 Prozent. In 39 der vergangenen 47 Jahre wuchsen die Steuereinnahmen. Diese wurden aber nicht zur Reduzierung der Staatsschulden verwendet. Stattdessen wurde immer mehr Geld ausgegeben, und zwar von Regierungen aller politischer Couleur.

Lediglich vor der Finanz- und Wirtschaftskrise war es der großen Koalition nahezu gelungen, ihren Etat auszugleichen. Die dann einbrechenden Steuereinnahmen und die Programme zur Stützung von Konjunktur und Banken ließen die Schulden wieder explodieren. In diesem Jahr muss sich der Bund voraussichtlich gut 50 Milliarden Euro frisches Geld von seinen Anleihegläubigern pumpen, um sein Haushaltsloch zu stopfen. Das sind dank des unerwartet starken Aufschwungs zwar 30 Milliarden Euro weniger als befürchtet. Trotzdem ist das ein neues bundesdeutsches Rekorddefizit.

Quelle: Welt Online