Soziale Spiele wie Farmville sind auf Facebook ein Milliardenmarkt. Vor allem Frauen tauchen gerne in virtuelle Welten ab.
Fast zehn Euro bezahlt Martina Hummel im Monat an Facebook. Keine Angst, das soziale Netzwerk ist nicht kostenpflichtig geworden. Martina Hummel gibt dieses Geld aus, um ihren Garten in Monster World zu pflegen, einem Browserspiel auf der sozialen Plattform. Hier baut sie Limo-Pflanzen an, setzt Einhorn-Bäume oder verschönert ihre Parzelle mit außergewöhnlichen Dekorationen.
Damit ist die 28-Jährige nicht alleine: Rund sechs Millionen aktive Mitspieler hat Monster World jeden Monat – und bleibt damit trotzdem noch deutlich hinter dem digitalen Bauernhof Farmville zurück, mit 63 Millionen Spielern im Monat derzeit das beliebteste Spiel auf Facebook. Und auf der Gamescom, Europas größter Messe für interaktive Unterhaltungselektronik, die in diesem Jahr vom 18. bis 22. August in Köln stattfinden wird, erwarten die Veranstalter auch diese Jahr wieder mehrere Hunderttausend Besucher, die sich für Computerspiele interessieren.
Spiele wie Monster World oder Farmville sind so genannte Social Games. Sie werden direkt über den Internetbrowser gespielt, ohne dass man dafür Software kaufen oder herunterladen müsste – vor allem Frauen tauchen gerne auf diesem Wege in virtuelle Welten ab, wie der Branchenverband Bitkom in einer aktuellen Untersuchung festgestellt hat. Das Soziale daran: der Spieler daddelt nicht mehr im stillen Kämmerchen alleine vor sich hin, sondern agiert online mit seinen Freunden über das soziale Netzwerk. „Social Games können die Gaming-Welt umkrempeln. Diese Mini-Spiele auf App-Niveau sind stärker als jedes andere Spieleformat auf Interaktion und Kommunikation zwischen den Spielern ausgerichtet“, sagt Bernhard Rohleder, Bitkom-Hauptgeschäftsführer. Das Klischeebild des einsamen Zockers sei damit passé.
Und die Minispiele kommen an. Der weltweite Umsatz mit Social Games beträgt bereits jetzt über eine Milliarde Euro. Alleine die fünf größten Software-Schmieden Zynga (Farmville), Playdom, Crowd Star, Rock you und das Ende letzten Jahres von EA Games geschluckte Unternehmen Playfish haben 2009 eine halbe Milliarde US-Dollar eingenommen. Das Potenzial dieses Marktsegments schätzt Rohleder groß ein: „Einige Anbieter von Social Games sind erst vor zwei bis drei Jahren gegründet worden und werden aktuell mit mehreren hundert Millionen Euro bewertet.“
Deutsche geben Millionen für virtuelle Güter aus
Den größten Teil ihres Erlöses streichen die Spielehersteller mit dem Verkauf von so genannten virtuellen Gütern ein. „Eigentlich kann man alle Spiele erst mal und, wer will, auch bis zum Schluss kostenlos spielen“, erklärt Philipp Moeser, Mitgründer und CTO bei Wooga, dem Unternehmen, das hinter Monster World und zwei weiteren Spielen auf sozialen Netzwerken steckt. „Allerdings kann man sich auch gewisse Vorteile kaufen, also schnelleres Vorwärtskommen, schöneres Zubehör oder eine einfachere Gestaltung.“ Wer also exklusivere Dekorationen oder einen speziellen Traktor für seinen Garten haben will, kann sich das für ein paar (reelle) Euro kaufen, anstatt wochenlang kleine Felder anzuklicken. Laut Today’s Gamer MMOG Focus Report haben die Deutschen 2009 rund 60 Millionen Euro für diese virtuellen Güter ausgegeben. Tendenz steigend.
Dabei ist die Zahl der Nutzer, die bereit sind, für virtuelle Güter zu bezahlen, sehr gering. Auf jeden Fall im einstelligen Prozentbereich, schätzt Branchenkenner Justin Smith, dessen Marktforschungsunternehmen „Inside Network“ sich auf das Phänomen Facebook spezialisiert hat. Dass die Spiele-Hersteller damit trotzdem so gut verdienen, liege am starken Wachstum von Facebook. „Wir sind zwar nicht mehr ganz am Anfang des Trends, aber ziemlich früh dabei“, so Smith. Social Games seien nach PC- und Konsolen-Spielen das nächste große Ding.
Interessant dabei ist vor allem die Zielgruppe. Knapp zwei Drittel der Nutzer sind Frauen. „Wir sprechen mit unseren zwanglosen Spielen meist Leute an, die bisher nie gespielt haben. Leute, die einfach Lust haben, ein Spiel mal auszuprobieren und immer mal wieder 15 Minuten spielen wollen“, sagt Philipp Moeser von Wooga. Er schätzt an Social Games, dass man sie testen kann und dann selbst entscheidet, ob man dafür Geld ausgeben will. Wenn die Entscheidung zur Investition gefallen ist, kann das auf verschiedenen Wegen abgerechnet werden: Auf Facebook kann der Nutzer spezielle „Facebook Credits“ kaufen und die dann in die Währung des jeweiligen Spiels umtauschen.
Aber auch andere gängige Zahlungsmethoden wie Paypal, Kreditkarte, Premium-SMS oder 0900-Nummern sind möglich. Und genau hierin sehen Verbraucherschützer ein Problem: „Zahlungsweisen wie 0900-Nummern oder teure Premium-SMS sind auch Kindern zugänglich. Hier ist es schwierig, die Kontrolle zu bewahren. Und dann sind schnell mal einige Hundert Euro weg“, sagt Barbara Steinhöfel von der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz. Sie kennt Fälle, wo ein Kind plötzlich eine Handyrechnung von 1500 Euro hatte.
Verbraucherschützer fordern Kindersicherung
Die Spiele selbst sind meist für Kinder ab zwölf Jahren zugelassen. „Aber nur weil das Spiel für Zwölfjährige frei gegeben ist, heißt das noch lange nicht, dass sich auch das Geschäftsmodell für Kinder eignet“, so Steinhöfel. Die Verbraucherzentralen fordern deshalb eine Beschränkung auf kindersichere Zahlungsweisen wie Kreditkarte, oder sie empfehlen die Zahlung mit der „Paysafe“-Karte, einer Prepaid-Lösung fürs Internet, die man auch im Drogeriemarkt kaufen kann. „Bei Facebook haben wir keinen Einfluss auf die Zahlungsmethode“, sagt Philipp Moeser von Wooga. Sie kooperieren trotzdem mit dem Social-Network-Giganten, weil dem Unternehmen ein gewisses Vertrauen entgegen gebracht werde.
Eine Lösung für das Problem der Kindersicherheit haben jetzt die VZ Netzwerke gefunden: dort soll es bald ein globales Limit von 20 Euro im Monat geben, mehr kann ein Spieler dann nicht ausgeben. Wooga will auch erst dann Bezahlinhalte im SchülerVZ frei schalten. Ein Problem sieht Moeser jedoch auch bei Facebook nicht: „Die meisten User sind zwischen 20 und etwa 40 Jahre alt und meine Erfahrung ist: Wenn sie dafür bezahlen wollen, dann machen sie das bewusst.“ Das kann auch Branchenexperte Justin Smith bestätigen. Er erklärt die Bereitschaft, Geld für bunte, kleine Spielchen im Internet auszugeben, mit einer veränderten sozialen Umwelt: „Im Vergleich mit anderen Freizeitbeschäftigungen wie zum Beispiel einem Kinobesuch, sind fünf oder zehn Euro im Monat kein großer Betrag. Und man nutzt ihn doch, um etwas mit seinen Freunden zu machen.“ Martina Hummel kann sich die zehn Euro im Monat leisten und gibt sie gerne aus. PC-Spiele hat sie früher nie gespielt, fand das nicht gesellig genug und meist zu brutal.