Viele Firmen bezahlten ihre Mitarbeiter schlecht und bedienten sich Tricks, um die Löhne zusätzlich zu drücken, sagt der Manager einer Zeitarbeitsfirma.

Die Zeitarbeitsbranche nutzt in Deutschland nach Ansicht eines Insiders zahlreiche unsaubere Tricks im Umgang mit ihren Mitarbeitern, die an andere Firmen ausgeliehen werden. Es gebe nicht nur einige schwarze Schafe, sondern systematisch genutzte Tricks, sagte der Deutschland-Chef des Zeitarbeitsunternehmens USG People, Marcus Schulz, dem Magazin „Wirtschaftswoche“. Er verlangte klarere Regelungen und einen Selbstreinigungsprozess der Branche.

„Immer noch werden Mitarbeiter vorsätzlich falsch eingruppiert. Systematisch wird mit Krankenstand und Urlaubsansprüchen getrickst, um einsatzfreie Zeiten zu unterlaufen, die die Unternehmen eigentlich bezahlen müssten, oder um geringfügig Beschäftigte länger einzusetzen als erlaubt“, erzählt der Manager. Es liege an der Branche und den Unternehmen, das zu ändern. USG People ist nach eigenen Angaben in Europa der viertgrößte Anbieter und gehört dem Bundesverband Zeitarbeit (BZA) an. Unter Zeitarbeit oder Leiharbeit versteht man die vorübergehende Überlassung eines Leiharbeiters durch ein Zeitarbeitsunternehmen an ein drittes Unternehmen.

Auch der Zweite Vorsitzende der Gewerkschaft IG Metall, Detlef Wetzel, hielt den Unternehmen der Metall- und Elektroindustrie vor, sie verstießen mit der massenhaften Einstellung von Leiharbeitern gegen den „Geist des Krisenpaktes“ in der zentralen deutschen Industriebranche. „Die Unternehmen organisieren die zusätzliche Beschäftigung im Aufschwung weit überwiegend mit Leiharbeitern“, sagte Wetzel. Dies sei unter anderem am schwunghaften Anstieg der offenen Leiharbeitsstellen bei den Arbeitsagenturen abzulesen. „Es ist klar zu erkennen, dass die Arbeitgeber in den Betrieben eine zweite Niedriglohnlinie etablieren wollen“, erklärte Wetzel.

Auslöser der Kritik sind die Arbeitsmarktzahlen für den Monat Juli. Demzufolge stellen die Unternehmen in Deutschland inzwischen so viele Leiharbeiter ein wie noch nie. Im Juli lag der Anteil der Leiharbeit bei den gemeldeten offenen Stellen bundesweit bei 32,9 Prozent. Das geht aus einem Schreiben der Bundesregierung an die Linken-Bundestagsabgeordnete Jutta Krellmann hervor, das dem „Hamburger Abendblatt“ vorliegt. Zum Vergleich: Im Februar lag der Anteil der Leiharbeitsstellen noch bei 26,3 Prozent. Noch drastischer wird der Anstieg in den absoluten Zahlen. Suchten im Februar die Firmen bundesweit noch 78.389 Leiharbeiter, waren es im Juli bereits 128.690.

Im Herbst will die Gewerkschaft die Leiharbeit und den Niedriglohnsektor zum Thema machen. „Die Politik steckt bei diesem Thema in einer großen Legitimationskrise“, sagte Wetzel. Die Bevölkerung habe längst erkannt, dass es sich bei Leiharbeit um eine „moderne Form der Ausbeutung“ handele. Mit Druck in den Betrieben und über den Gesetzgeber müsse der Missbrauch der Leiharbeit beendet werden. Zudem werde sich die Gewerkschaft für die gerechte Bezahlung von Leiharbeit und für Mindestlöhne stark machen.

Der deutlich steigende Anteil von Leiharbeitsstellen auf dem Arbeitsmarkt sorgt auch in den Parteien für Unmut. Die SPD fordert eine Reform der gesetzlichen Regelungen, auch in der Union wächst die Skepsis gegenüber der Zeitarbeitsbranche. Der frühere Bundesarbeitsminister Olaf Scholz (SPD) verlangte im „Hamburger Abendblatt“ eine Reform der gesetzlichen Regelungen zur Zeitarbeit. Wenn zum Beispiel in Hamburg mehr als die Hälfte der bei der Arbeitsagentur registrierten offenen Stellen aus dem Bereich der Arbeitnehmerüberlassung stammten, dann gehe es wohl vielfach um Lohndumping und die Begrenzung von Arbeitnehmerrechten.

Die stellvertretende Unionsfraktionsvorsitzende Ingrid Fischbach (CDU) sagte der Zeitung: „Sollten die Arbeitgeber Zeitarbeit nicht als vorübergehendes Flexibilisierungsinstrument einsetzen, sondern stattdessen reguläre Beschäftigung dauerhaft mit Zeitarbeitnehmern ersetzen, dann muss die Politik über Regulierungen der Zeitarbeitsbranche nachdenken.“

Schulz sprach sich auch dafür aus, mit der Politik über den Grundsatz des „Equal-Pay“ zu diskutieren, also der von den Gewerkschaften verlangten gleichen Bezahlung von Leih- und Stammkräften. Das werde die Branche nicht ruinieren. Hier agierten die Verbände bislang zu defensiv. „Wir müssen dem Eindruck entgegenwirken, dass wir Geld damit verdienen, dass wir Menschen schlecht für ihre Arbeit bezahlen“, wird Schulz zitiert. Die Branche stehe enorm unter Druck und müsse beweisen, dass es auch anders gehe.

Die Entlohnung von Leiharbeitern ist derzeit in Tarifverträgen geregelt, die durchweg schlechtere Bedingungen enthalten als jene für Stammbeschäftigte in den jeweiligen Unternehmen. Einen gesetzlich fixierten Mindestlohn für die gesamte Leiharbeitsbranche gibt es nicht. Eine gleiche Bezahlung im Vergleich zur Stammbelegschaft ist auf freiwilliger Basis möglich und wird auch von verschiedenen Zeitarbeitsfirmen angeboten.

Quelle: Welt Online