Die Ressourcen des Polarmeeres wecken Begehrlichkeiten der Nordpolanrainer. Norwegen lädt auch Deutschland zur Zusammenarbeit ein.
Bei der Suche nach Antworten auf die Herausforderungen unserer Zeit richtet sich der Blick immer mehr nach Norden. Die Barentssee ist dabei, sich zu einer wichtigen Energieprovinz zu entwickeln. Bis zu 30 Prozent der unentdeckten globalen Gasreserven werden in der Polregion vermutet. Stockmann, das größte Offshoregasfeld der Welt, liegt auf dem russischen Festlandsockel. Viele fragen sich, wem die Ressourcen unter dem Nordpolarmeer gehören. Manche sprechen vom Wettlauf um den Nordpol. Aber weder eine Flagge auf dem Meeresboden noch Marineschiffe sind entscheidend, sondern das UN-Seerechtsübereinkommen und Erkenntnisse über die Struktur des Meeresbodens. Die Polaranrainer Kanada, USA, Dänemark, Russland und Norwegen haben sich darauf geeinigt.
Eine gute Zusammenarbeit mit Russland bei der Lösung vieler Fragen ist nicht nur notwendig, sondern auch möglich. Das zeigen Norwegens Erfahrungen mit einer 196 Kilometer langen gemeinsamen Landgrenze. Während andere Meere leer gefischt sind, konnten wir die Bestände in der Barentssee sichern. Norwegische und russische Forscher verständigen sich darauf, wie viel Fisch gefangen werden darf, bevor die Quoten verhandelt und unter norwegischen, russischen und anderen Fischern aufgeteilt werden. Gleichzeitig haben wir ein offenes Ohr für Länder, die andere Erfahrungen mit Russland als Nachbar gemacht haben. Wir müssen kritisch und konstruktiv sein und der politischen Entwicklung in Russland mit Entschlossenheit begegnen.
Wir laden die deutsche Politik, Wirtschaft und Forschung zur Zusammenarbeit im hohen Norden ein. Die erste Anlage zur Verflüssigung von Gas in Norwegen wurde vom Münchner Unternehmen Linde gebaut. Das Bremerhavener Alfred-Wegener-Institut hat eine Forschungsstation auf Svalbard. An kaum einem Ort ist das Abschmelzen des Eises leichter zu beobachten als dort. Als führender Energieproduzent obliegt Norwegen eine besondere Verantwortung, sich an der Arbeit gegen die Klimabedrohung zu beteiligen. Die Erfahrungen aus den Nordgebieten zeigen, dass wir dringend ein verpflichtendes Klimaabkommen brauchen.
Die Nordgebiete waren während des Kalten Krieges Frontgebiet. Heute ist Zusammenarbeit gefragt, um Ressourcen zu nutzen, Ölverschmutzung vorzubeugen und Seenotdienste zu entwickeln. Und um zu erforschen, wie wir das Klima und eine verletzliche Umwelt besser schützen können. Dabei ist eine Zusammenarbeit mit Deutschland mehr als erwünscht.
Der Autor ist Außenminister Norwegens.