Wenn es um die Firmenstrategie ging, hielt sich Aldi bislang äußerst bedeckt. Nun gibt das Unternehmen Antworten – per Todesanzeige.

Nach dem Tod von Firmengründer Theo Albrecht bricht der Discounter Aldi erstmals sein Schweigen. Jahrelang erhielten Journalisten bei jeder Nachfrage nur eine höfliche Absage, meist sogar mit ein und demselben Standardsatz: „Wir behalten uns vor, aus grundsätzlichen Erwägungen strategische und unternehmenspolitische Fragestellungen nicht zu beantworten.“ Nun aber gewährt zumindest Aldi Nord erstmals Einblicke. Und das auf eine denkbar ungewöhnliche Art und Weise – per Todesanzeige.

Auf einer kompletten Zeitungsseite bringen Gesellschafter, Verwaltungsrat und die Geschäftsführung der Unternehmensgruppe Aldi Nord in verschiedenen Medien ihre Trauer und Anteilnahme zum Ausdruck. Darüber hinaus würdigen sie die Lebensleistung des Geschäftsmanns Theo Albrecht, berichten über die getroffene Nachfolgeregelung im Unternehmen, wohl auch, um Lieferanten zu beruhigen. "Seit einigen Jahren wird die Unternehmensgruppe durch erfahrene Aldi-Manager geführt, die unabhängig von Theo Albrecht und seiner Familie alle operativen Entscheidungen treffen."

Zudem erklären sie die Geschäftsmethode. „Das Aldi-Prinzip zeichnet sich durch die Konzentration auf das Wesentliche aus: eine begrenzte Auswahl von Artikeln des täglichen Bedarfs, eine effiziente Struktur mit niedrigen Systemkosten bei der Ladengestaltung und Warenpräsentation sowie eine kontinuierliche Optimierung der Logistik.“

Interessant ist auch die finanzielle Situation des Unternehmens: "Theo Albrecht setzte seit Beginn seines unternehmerischen Handelns auf uneingeschränkte finanzielle Solidität." Aus diesem Grund habe die Unternehmensgruppe bis heute keinerlei Verbindlichkeiten. "Das Unternehmensvermögen ist in Stiftungen gebunden, die nicht auflösbar sind. Damit ist eine auf Dauer angelegte unternehmerische und vermögensmäßige Kontinuität garantiert, welche auch zukünftig den Ausbau und die Fortentwicklung von Aldi Nord sicherstellt."

Tatsächlich ist Aldi weit anders als der klassische Supermarkt. Sparsamkeit ist das oberste Gebot beim Milliardenkonzern aus dem Ruhrgebiet. Das Sortiment umfast mit knapp 1000 Artikeln nicht mal ein Zehntel der Auswahl, wie es sie bei den großen Vollsortimentern wie Edeka oder Rewe gibt. Bis auf wenige Ausnahmen werden nur No-Name-Produkte angeboten – wobei der Inhalt nicht selten Markenware ist. Die entsprechenden Phantasienamen soll sich Theo Albrecht sogar meist selbst ausgedacht haben. Sämtliche Filialen sind spartanisch eingerichtet, es gibt keine Dekoration, keine ranschmeißerischen Preisschilder und Sonderverkaufsecken. Selbst das Personal ist auf das allernötigste reduziert. Was zählt, ist allein der Preis. „Unsere ganze Werbung liegt im billigen Preis“, hat zum Beispiel Karl Albrecht, der Theo-Bruder und Eigentümer von Aldi Süd, 1953 in seiner bislang einzigen öffentlichen Aussage der Unternehmensgeschichte gesagt.

In Deutschland kommt dieses mittlerweile viel kopierte Prinzip an. Die Marktforscher der GfK-Gruppe beziffern den Marktanteil von Billigheimern wie Aldi, Lidl, Netto und Co. auf stattliche 44 Prozent. Und der Prozentsatz könnte sogar noch weiter steigen. Das zumindest meint Matthias Queck, der Discountexperte beim Handelsinformationsdienst Planet Retail. „Es kommen schließlich regelmäßig neue Filialen hinzu“, begründet er seine Einschätzung. Der Handelsriese Rewe zum Beispiel will allein in diesem Jahr 114 Penny-Märkte eröffnen. Damit sind doppelt so viele Discounter-Neufilialen geplant wie Rewe-Supermärkte.

Dass die Umsätze der Discounter trotz dieses unaufhörlichen Expansionsdrangs zuletzt allenfalls noch stagniert sind, erklärt Susanne Eichholz-Klein von der Kölner Handelsberatung IBH mit den zahlreichen Preissenkungsrunden der vergangenen Monate. Allein im Rezessionsjahr 2009 haben die Discounter 14 mal dauerhaft die Preise gesenkt, in diesem Jahr waren es weitere fünf Senkungswellen. „Diese Kampfpreise können an den Marktteilnehmern nicht spurlos vorbei gehen“, sagt Eichholz-Klein.

Aldi war dabei meist der Taktgeber. Dahinter steckt Experten zufolge die Idee, Marktanteile im zunehmend heftig umkämpften Markt zu halten oder gar auszubauen. Denn über neue Filialen kann Aldi zwar im Ausland noch wachsen. Derzeit passiert das zum Beispiel vornehmlich in den USA und in Australien. Im Inland dagegen scheint die Sättigungsgrenze nahezu erreicht. Das zumindest meint Wolfgang Twardawa, der Handelsexperte der GfK. Auf gemeinsam rund 4400 Filialen kommen Aldi Nord und Aldi Süd mittlerweile in der Bundesrepublik. „Jeder neue Laden nimmt einem bestehenden etwas weg“, beschreibt Twardawa. Schließlich könne mittlerweile jeder Bundesbürger binnen 15 Minuten einen Aldi erreichen. Die Konkurrenz holt daher schon seit Monaten kräftig auf. „Aldi braucht mehr Innovationen, um die Stagnation zu beenden“, meint daher ein Branchenexperte. Dabei aber tut sich Aldi Nord seiner Einschätzung nach eher schwer.

Tatsächlich geht die Kreativität eher von der Schwestergesellschaft aus. Derzeit zum Beispiel stattet Aldi Süd 1800 Filialen mit Backautomaten aus, die von morgens bis abends Billig-Brötchen sowie Brot, Baguettes und Laugenbrezeln per Knopfdruck anbieten. Ob Aldi Nord nachzieht, ist offenbar noch nicht entschieden. Bislang war es aber regelmäßig so, etwa beim Verkauf von Frischfleisch, der Möglichkeit bargeldlos zu bezahlen oder dem Einsatz von Scanner-Kassen. Alles gab es in den Süd-Filialen zuerst. „Aldi Süd ist experimentierfreudiger“, heißt es dazu. Aldi-Nord-Chef Hartmuth Wiesemann dagegen stehe Veränderungen überwiegend kritisch gegenüber. Aber vielleicht ändert sich das mit der neuen Auskunftsbereitschaft nun auch.

Quelle: Welt Online