Die Griechen ächzen unter den extremen Schulden der Staatsbahn. Würden sie aufs Taxi umsteigen, käme sie das billiger.

Griechenlands Schuldenmisere zeigt sich nirgends deutlicher als auf den Schienen. Kein Land in Europa hat eine höher verschuldete Bahngesellschaft. Ein Defizit von 11 Milliarden Euro haben die staatlichen Eisenbahnen angehäuft – an erster Stelle die Transportsparte Trainose und der Schienennetz-Betreiber OSE. Würden die griechischen Bürger diesen Schuldenberg ganz alleine abtragen, müsste jeder von ihnen 1100 Euro bezahlen.

“OSE kostet die Griechen täglich zwischen zwei und 2,5 Millionen Euro. Wenn sie ein Taxi nähmen, wohin auch immer, es würde weniger kosten”, sagt der ehemalige griechische Transportminister Evripidis Stylianidis. Schuld an der Misere sind hohe Gehälter für die Beschäftigten und die stark verbreitete Korruption.

Die Angestellten des Eisenbahnnetzbetreibers verdienten das Vierfache von dem, was die Bahn mit dem Verkauf von Fahrscheinen erlöse, sagt der ehemalige Ministers für Entwicklung Kostis Hatzidakis. Profitabel sei nur eine einzige Strecke – die zwischen der drittgrößten Stadt Patras und Athen sowie Thessaloniki. Hohe Rabatte auf Frachttarife, die die Angestellten bevorzugten Kunden eingeräumt haben sollen, sorgen ihm zufolge auch für rote Zahlen im Frachtgeschäft.

Inzwischen haben die Schulden ein bedenkliches Ausmaß erreicht: Wie aus dem Geschäftsbericht von OSE hervorgeht, erwirtschaftete das Unternehmen 2009 bei einem Umsatz von 196 Millionen Euro einen Verlust von 795 Millionen Euro. Allein für Zinsen und andere Finanzierungskosten zahlte OSE 429 Millionen Euro, 19 Prozent mehr als 2008.

Ministerpräsident will Schiennetz verkaufen

Damit seine Landsleute nicht für die extremen Schulden ihrer Eisenbahngesellschaft zahlen müssen, hat sich der griechische Ministerpräsident Giorgos Papandreou vorgenommen, binnen zwölf Monaten einen Käufer für das Schienennetz zu finden – ein ambitionierter Plan.

“Es ist ein ehrgeiziges Vorhaben. Wer solch radikalen Wandel schaffen will, muss alle Beteiligten ins Boot holen, die Beschäftigten ebenso wie die Gläubiger”, sagt Anwalt Chris Mallon. Der Experte für Restrukturierungen bei einer renommierten Londoner Kanzlei kennt sich mit maroden Staatsunternehmen in Griechenland aus. Er hat die Regierung bereits beim Verkauf der staatlichen Fluglinie Olympic Airlines beraten, die nach 15 Jahren und mehreren fehlgeschlagenen Versuchen einen privaten Käufer fand.

Giorgos Giannopoulos, Direktor des griechischen Transport-Instituts ist aber optimistisch, dass es dieses Mal schneller gehen könnte. “Die Wende wäre nicht möglich ohne politischen Willen. Den haben sie jetzt. Der Plan ist machbar. Selbst wenn es bis zur Umsetzung länger dauert, sagen wir zwei oder drei Jahre, wäre das immer noch ein Erfolg”, sagt der Experte der Forschungsgruppe, die teilweise von der Regierung finanziert wird.

Transportminister rührt die Werbetrommel für Investoren

Der Verkauf des Schienennetzes ist nur ein Teil von Papandreous Plan, den griechischen Staatshaushalt zu sanieren. Mit dem Verkauf verschiedener staatlicher Betriebe will der Ministerpräsident bis 2013 insgesamt 3 Milliarden Euro erlösen. Dimitris Reppas, Stylianidis Nachfolger im Transportministerium, traf sich am 1. Juli mit seinem französischen Kollegen, um die Werbetrommel für ausländische Investoren zu rühren.

“Wir haben uns für eine Reform der staatlichen Eisenbahn entschieden. Das ist ein guter Ausgangspunkt für das Interesse ausländischer Investoren oder eines ausländischen Staats. Ich glaube, Frankreich oder die französischen Staatsbahnen könnten ein idealer Partner sein”, sagte Reppas.

Um die Transportsparte Trainose und den Schienenetzbetreiber OSE aus den roten Zahlen zu führen, wurden bereits Strecken stillgelegt und Personal abgebaut. In beiden Unternehmen sollen insgesamt 4000 der 6500 Stellen gestrichen werden. Die Regierung plant, 2000 Beschäftigte in anderen Stellen im öffentlichen Dienst unterzubringen. Weitere 2000 Stellen sollen über Pensionierungen in den kommenden zwei Jahren wegfallen. Rund die Hälfte der Belegschaft ist älter als 50 Jahre.

Erneuter Streit mit den Arbeitnehmern scheint deshalb vorprogrammiert. Zuletzt riefen die Gewerkschaften am 29. Juni zum fünften Generalstreik in diesem Jahr auf, an dem sich auch die Gewerkschaft der Eisenbahnarbeiter beteiligte. Gleichzeitig muss sich die Regierung auch auf Widerstand von Seiten der Gläubiger einstellen. 70 Prozent der Verbindlichkeiten sind nach Angaben des Transport-Experten Giannopoulos vom griechischen Staat garantiert. Der Großteil davon werde von Banken aus Europa, den USA und Japan gehalten, sagt der Chef der OSE, Panagiotis Theofanopoulos.

Restrukturierungsexperte Mallon erwartet jedenfalls, dass die Gläubigerbanken um Zustimmung gebeten werden, damit eine Trennung der Verbindlichkeiten vom operativen Geschäft vollzogen werden kann. “Andere Bahnprivatisierungen hatten ein uneinheitliches Ergebnis. Aber wenn sie es schaffen, aus den roten Zahlen zu kommen und die Beschäftigten ihre Zustimmung geben, dann wird es besser als die gegenwärtige Situation”, sagt Mallon.

Quelle: Welt Online