Glänzende Geschäfte: Otto-Chef Schrader rechnet mit zweistelligen Zuwächsen. Die Online-Sparte hat den größten Anteil.

Wenn ein hanseatischer Kaufmann, noch dazu der Chef der zurückhaltenden Otto-Gruppe, eine „Revolution“ ankündigt, dann sollte man genauer hinhören: Hans-Otto Schrader glaubt an den Umsturz im Versandhandel – durch Apples neuen Computer iPad. Auf der Pressekonferenz zur Bilanz ließ er die Computer an Journalisten verteilen, damit sie ein paar Minuten lang die Otto-Anwendung auf dem neuen Computer ausprobieren konnten. „Mit dem iPad lassen sich völlig neue Shopping-Konzepte realisieren“, frohlockte Schrader. Der Rechner „stellt für den Mobile Commerce eine Revolution dar“. Das Gerät sei der „Missing Link zwischen Katalog und Online-Shop“. Man könne blättern wie in einem Katalog und sofort auf der gezeigten Seite bestellen.

Seine Euphorie brachte den Firmenchef zu einer erstaunlich optimistischen Ankündigung für das laufende Geschäftsjahr: „Wir trauen uns die Prognose zu, ein prozentual zweistelliges Umsatzwachstum zu erwirtschaften. Zudem erwarten wir eine steigende Rendite“, sagte Schrader mitten in die allgemeinen Befürchtungen hinein, die Sparpakete der Bundesregierung könnten dem privaten Konsum schaden. Das erste Quartal, das im März begonnen hatte, ist laut Otto-Chef bereits „hervorragend gelaufen“.

Im vergangenen Geschäftsjahr hatte Otto seinen weltweiten Umsatz um 1,4 Prozent auf 10,1 Mrd. Euro gesteigert. Im deutschen Markt stieg der Otto-Umsatz sogar um 6,7 Prozent auf 5,7 Mrd. Euro. Das operative Ergebnis ging weltweit von 229 Mio. auf 314 Mio. Euro nach oben. Allerdings sank der Jahresüberschuss der Gruppe um 30 Prozent auf 200 Mio. Euro – vor allem wegen teurer Restrukturierungen in Großbritannien, Frankreich und den USA.

Dass im Deutschland-Geschäft die Insolvenz und Schließung des ewigen Konkurrenten Quelle zum Umsatzzuwachs von rund 300 Mio. Euro maßgeblich beigetragen hat, mochte Schrader nicht leugnen. Er meint aber, dass „weniger als die Hälfte“ des Zuwachses durch das Ende des Rivalen aus Fürth zustande gekommen sei.

Auch im laufenden Geschäftsjahr dürfte es einen Quelle-Effekt geben – denn inzwischen gehören die ehemaligen Russland-Aktivitäten des abgewickelten Versenders sowie dessen Markenrechte an quelle.de und Privileg zu Otto. Für 65 Mio. Euro hatten die Hamburger dem Insolvenzverwalter dieses Paket abgekauft – nicht zuletzt, damit sie kein Konkurrent nutzen kann. Jetzt wird klarer, was Otto mit seinen Neuerwerbungen plant: Quelle.de soll Anfang nächsten Jahres als Online-Marktplatz mit den Schwerpunkten „Technik und Living“ starten. Dort sollen auch Anbieter außerhalb der Otto-Gruppe Geschäfte machen können. Der Betreiber selber will hier auch die neuen Elektro-Großgeräte verkaufen, die Privileg in einer Partnerschaft mit Whirlpool produziert.

Überhaupt soll das Internet für den Großteil des Wachstums sorgen, per iPad oder klassischem Computer. Mit mehr als 50 Shops ist Otto bereits online, es sollen noch viele hinzukommen. Schon im vergangenen Jahr stieg der Umsatzanteil des Onlinegeschäftes bei Otto von 36 auf 43 Prozent, während die Quote des klassischen Katalogs von knapp 51 auf 44 Prozent sank. Der Rest wird in stationären Läden umgesetzt. In Deutschland verkauft das Unternehmen schon jetzt mehr über das elektronische als über das gedruckte Medium.

Firmenkenner glauben, dass die Otto-Gruppe spätestens in zwei Jahren sechs von zehn Euro Umsatz im Netz und nur noch drei über den Katalog erzielen wird. Für den Ausbau des stationären Geschäftes wartet Otto zudem weiter auf Übernahmemöglichkeiten.

Quelle: Welt Online