Apple-Chef Steve Jobs stellt in San Francisco das neues iPhone 4 vor. Eine peinliche Panne sorgte dabei für großes Gelächter im Saal.

Das ist Steve Jobs wahrlich nicht gewohnt. Mitten in seiner Präsentation auf der Bühne des Moscone Center West in San Francisco steht der Apple-Chef - und es passiert nichts. Ausgerechnet hier. Ausgerechnet vor 5200 Software-Entwicklern und mehreren Hundert Journalisten und Bloggern. Und ausgerechnet auf dem iPhone. Er versucht die Webseite der New York Times zu laden, auf dem alten und auf dem neuen iPhone. Während sie längst auf dem alten Apple-Handy dargestellt wird, bewegt sich im Browser des neuen Gerätes gar nichts. „Hat jemand einen Vorschlag", ruft er halb im Scherz den Entwicklern entgegen. Einer von ihnen stichelt genauso laut zurück: „Versuch es mal mit Verizon." Verizon ist der große Konkurrent des Telekom-Konzerns AT&T, mit dem Apple in den USA eine Exklusiv-Vermarktung für das iPhone vereinbart hat und dessen Netz in der Vergangenheit immer wieder überlastet war. Großes Gelächter im Saal.

Vor Jobs Auftaktrede am Montagvormittag Ortszeit überschlugen sich die Spekulationen, was der charismatische Apple-Chef alles vorstellen würde: Ein neues Apple TV, ein neues Betriebssystem, einen neuen Internet-Browser, ein neues Notebook. Der Software-Riese Microsoft, den Apple jüngst im Börsenwert überholt hat, sah sich sogar gezwungen per Twitter zu dementieren, dass Konzernchef Steve Ballmer mit auf die Bühne kommt. All dies ist am Montag auch nicht geschehen. Steve Jobs machte seine Eröffnungsrede der Worldwide Developer Conference (WWDC) zu einer reinen iPhone-Show - und verzichete auch nicht auf seine Superlative. „Dies ist das dünnste Smartphone des Planeten", sagte er und hielt das Gerät in die Höhe. Apple hat es nicht „4G" getauft und auch nicht „HD". Es soll schlicht „iPhone 4" heißen. Jobs: „Das ist wirklich heiß." Und es ist der „größte Sprung" sein Einführung des iPhones, sagte Jobs.

18 Monate haben die Ingenieure bei Apple an diesem Telefon entwickelt. Sie haben es gründlich überarbeitet: Die Bildschirmauflösung hat sich im Vergleich zum Vorgänger vervierfacht und setzt damit für die Branche einen neuen Standard. Die Batterielaufzeit ist noch einmal länger geworden, was zu einem großen Teil dem neuen Apple-eigenen A4-Prozessor zu verdanken ist, der zuerst in das iPad eingebaut wurde. Obwohl er schneller ist, verbraucht er weniger Strom. Die Designer haben dem iPhone 4 außerdem nicht nur vorn ein Glasdisplay verschafft, auch die Rückseite ist mit Glas überzogen und das ganze Gerät mit Edelstahl eingerahmt. Tatsächlich erinnert das Aussehen sehr an den Prototypen, der bereits vor Wochen in die Hände des populären Technologie-Blogs Gizmodo gefallen ist. Ein Apple-Mitarbeiter hatte das Telefon schlicht in einer Bar unweit des Apple-Sitzes in Cupertino liegen gelassen. Gizmodo hatte zur Entwicklerkonfzerenz übrigens keinen Zutritt. Steve Jobs vergisst nicht.

Besonders stolz ist Jobs nach eigenen Worten auf das Kamerasystem des neuen Handys. Auf der Rückseite gibt es statt bislang drei Megapixel nun eine Fünf-Megapixel-Linse mit einem LED-Blitz, die allerdings bei Smartphones dieser Preisklasse bei der Konkurrenz Standard sind. Damit ist das Telefon in der Lage, hochauflösende Videos zu filmen, die auch noch auf großen Flachbildschirmen gut aussehen. Dieser Schritt war im Vorfeld vermutet worden, viele leiteten daraus das „iPhone HD" (High Definition) als Namen für das neue Handy ab. Zugleich führt Apple auch das Videobearbeitungsprogramm iMovie für das iPhone ein, das bei Mac-Nutzern wegen seiner einfachen Bedienung beliebt ist. Ein ähnliches Programm mit dem Namen ReelDirector von einem anderen Entwickler gibt es aber bereits im AppStore auch für das iPhone zu kaufen.

Doch Apple hat dem iPhone nun auch noch eine nach vorn ausgerichtete zweite Kamera verpasst. Jobs erwähnt die Kamera bei seiner Präsentation zwar, geht aber erst einmal nicht weiter darauf ein. Nur um am Ende seinen beliebtesten Satz zu sprechen: „There is one more thing." Eine Sache wäre da noch. Was nun geschieht, ist ein interessantes Apple-Phänomen. Der Konzern schafft es in der öffentlichen Wahrnehmung immer wieder Dinge zu erfinden, die es bereits gibt. Dieses Mal ruft Jobs seinen Chefdesigner Jonathan Ive an, der sich hinter der Bühne befindet. Als dieser nun auf Jobs iPhone in einem Live-Video auftaucht, sind die Zuschauer im Saal kaum noch auf ihren Stühlen zu halten. „Wir nennen es Face Time", sagt Jobs. Wir dürfen auf Apples offizielle Übersetzung gespannt sein, die eigentlich Gesichtszeit heißen müsste. Doch das wird auch ein Jobs nicht wagen.

Tatsächlich führt Apple mit der Videotelefonie eine Funktion ein, die es bereits seit Jahren gibt und von Handyherstellern wie Nokia oder Samsung auch in ihre Geräte eingebaut wurde. Schon bei der UMTS-Versteigerung in Deutschland im Jahr 2000 wurde die Videotelefonie als großer Treiber der Technologie benannt, was zu einer der größten Fehleinschätzungen der Branche gehört. Kaum jemand war bereit, dafür extra zu bezahlen, obwohl die Qualität der Bildübertragungen mit der Zeit immer besser wurde. Experten führten das darauf zurück, dass viele Handynutzer ihre Gesprächspartner schlichtweg nicht sehen und ihre Kommunikationsgewohnheiten nicht ändern wollen.

Eine Erfahrung, die die Deutsche Telekom noch viel früher mit Videotelefonen gemacht hat, die über ISDN Live-Bilder übertrugen. Diese Telefone verkaufte die Telekom zeitweise sogar im Doppelpack, damit sich überhaupt Gesprächspartner finden konnten. Doch auch das half nichts. All diese Bemühungen waren bisher erfolglos. „Apple könnte das ändern, die Voraussetzungen dafür haben sie", sagt Michael Gartenberg, Analyst beim Marktforscher Interpret. Vor allen weil die Nutzung von Face Time so einfach sei.

Die Apple-Videotelefonie hat jedoch noch eine weitere grundlegende Einschränkung. Vorerst funktioniert sie nur, wenn beide Gesprächspartner in drahtlosen Internet-Hotspots (Wlan) eingebucht sind. Über das Mobilfunknetz kann vorerst kein iPhone-Nutzer per Video telefonieren. Steve Jobs hat sich nach eigenen Worten vorgenommen, Face Time zum „offenen Standard" zu machen. Allerdings müsste er für dieses Vorhaben erst einmal seine Konkurrenten gewinnen. Ein erster Schritt wäre es gewesen, auch den Tablet-Computer iPad mit einer nach vorn ausgerichteten Kamera auszurüsten. Egal, wen man bei Apple fragt, eine einleuchtende Begründung gibt es dafür nicht. Beobachter mutmaßen, dass Apple sich die Kamera für ein späteres Geräte-Update aufgespart hat.

Das iPhone 4 wird vom 24. Juni an außer in Deutschland auch noch in den USA, Frankreich, Großbritannien und Japan verkauft. Im Laufe des Jahres kommen dann noch einige Dutzend weitere Länder hinzu. Apple vergrößert seinen Anteil am Smartphone-Markt stetig, hat aber keine Zeit zu verlieren, weil auch die Hersteller aufholen, die das Google-System Android auf ihre Geräte spielen. Microsoft hingegen verliert Gewicht im Markt, will aber noch in diesem Jahr ein neues Betriebssystem für Smartphones einführen, das bereits von Experten gute Beurteilungen bekommen hat.

Damit seine Präsentation ungestört weiterlaufen konnte, forderte Jobs alle Zuschauer auf, ihre Notebooks zuzuklappen. Denn trotz der 570 Wlan-Router im großen Saal des Moscone Center West waren die Netze überlastet, so dass auf Jobs iPhone keine Daten mehr ankamen. Am Ende funktionierte es dann wieder. Der Apple-Chef konnte sich seinen Erzfeind Microsoft zum Trost nehmen. Bei der Präsentation seines neuen Media-Centers stürzte dem Microsoft-Gründer Bill Gates auf der Bühne gleich zwei Mal das Computersystem ab. Dann war sein Assistent dran, dem es trotz Mühen nicht gelang, mit einem Tablet-PC ins Internet zu kommen. Das war vor fünf Jahren.

Quelle: Welt Online