Der indische Hersteller Tata wird sein Billigauto “Nano“ vorerst nicht in Deutschland verkaufen. Grund: Es hapert noch bei der Sicherheit.

Erfahrung mit heiklen Jobs hat Automanager Carl-Peter Forster reichlich. Als Europachef von General Motors (GM) sollte er eine Zukunftslösung für die Europatöchter Opel/Vauxhall suchen und dabei natürlich auch die Interessen des US-Mutterkonzerns berücksichtigen – ein schier unmöglicher Spagat. Als GM vergangene Herbst ankündigte, Opel nicht zu verkaufen, schmiss Forster entnervt hin. Seine neue Aufgabe als Chef des indischen Autobauers Tata Motors ist nun kaum weniger anspruchsvoll. Forster ist Herr eines motorisierten Gemischwarenladens. Die Autosparte des Mischkonzerns Tata produziert Busse, Laster, Miniautos wie den „Nano“ und mit seinen Töchtern Jaguar sowie Land Rover Edellimousinen. Die soll Forster nun rentabel machen und gleichzeitig mit Tata Motors die Weltmärkte erobern.

Nach 100 Tagen im Amt und einer ersten Bestandsaufnahme hat sich Forster viel vorgenommen. Noch ist Tata nur auf dem indischen Subkontinent und den Nachbarländern ein Autoriese, in den Export gehen nicht mal zehn Prozent der produzierten Autos. Nun will der Konzern seine Fahrzeuge auch im restlichen Asien, im mittleren Osten, Afrika und Lateinamerika anbieten – und zwar die ganze Palette. „Mit unserer Bus-Sparte beispielsweise haben wir mittelfristig die Chance, der weltweit größte Anbieter zu werden“, sagt Forster. Bei Bau von Lastwagen sind die Inder nach zwei chinesischen Herstellern und Daimler derzeit die Nummer vier.

Um China selbst macht Tata allerdings einen Bogen, und auch die immer wieder angekündigte Produktoffensive in Europa ist abgeblasen. „Tata wird nicht mit Autos dieser Marke in die Volksrepublik gehen“, sagte Forster. „Die Chinesen warten nicht auf uns.“ Denn die bauen ebenso wie Tata kleine, billige Autos, eine echte Chance rechnet sich Forster daher dort nicht aus. Allerdings sollen künftig Autos der Marken Jaguar und Land Rover in der Volksrepublik gebaut werden. „Wir wollen vor Ort ein bis zwei Modelle produzieren“, kündigte Ralf Speth, der Chef von Jaguar Land Rover (JLR) an. Derzeit werde mit möglichen Partnern verhandelt, ab 2012 könnten die ersten Modelle der britischen Nobelmarken in China vom Band laufen.

Das Billigstauto „Nano“, das auch für den deutschen Markt angekündigt wurde, wird vorerst nur für Indien und die Anrainerstaaten produziert. „Europa ist ein interessanter Markt, aber wir brauchen erst ein Produkt dafür“, sagt Forster diplomatisch. Und der „Nano“, wie er derzeit zu einem Preis von umgerechnet weniger als 2000 Euro durch Indien kurvt, ist längst nicht fit für den europäischen Markt und seine hohen Sicherheitsanforderungen. Das Minimobil, von dem Tata bislang 30000 Stück verkauft hat und das zuletzt durch eine Reihe von Fahrzeugbränden Schlagzeilen machte, muss erst unter anderem mit ABS und dem Elektronischen Stabilitätsprogramm ESP nachgerüstet werden. Erst in rund fünf Jahren ist das Billigauto auch beim Design etwas aufgehübscht und wirklich reif für Europa, schätzt Forster.


Der Chef von Tata-Motors steht unter Druck. Auf dem indischen Heimatmarkt hat der Konzern zwar insgesamt einen Marktanteil von noch 65 Prozent, aber vor allem bei den Pkw holt die ausländische Konkurrenz mächtig auf. Unter anderem mit dem neuen „Nano“-Werk in Ostindien, das am Mittwoch dieser Woche die Produktion aufnehmen wird und bis Jahresende noch 150.000 Stück liefern soll, will Tata dagegenhalten. Aber die wohl größte Herausforderung für Foster wird die Sanierung der Marken Jaguar und Land Rover. Nahezu zeitgleich mit dem Kauf der beiden Nobelmarken durch Tata 2008 brachen in Folge der Wirtschaftskrise sowohl bei Jaguar als auch bei Land Rover die Absätze dramatisch ein – im vergangenen Jahr allein um gut ein Drittel im Vergleich zum ohnehin schwachen Vorjahr.

JLR bescherte dem Mutterkonzern Verluste in dreistelliger Millionenhöhe. Inzwischen ziehen die Verkäufe wieder an. „Wir sind wieder in den schwarzen Zahlen und werden dieses Geschäftsjahr weiter zulegen“, kündigte Forster an. Mit einer größeren Modellpalette, neuen Motoren und einem Mini-Jaguar bzw. Land-Rover sollen neue Kunden gewonnen werden. Mehr als eine Mrd. Pfund pro Jahr soll in neue Modelle investiert werden. Nur auf eines weiß Forster bis heute keine plausible Antwort: Wie man die Nobelmarken mit dem Billig- und Schwerfahrzeughersteller Tata so verzahnen kann, das sich die dringend nötigen Synergien ergeben.

Quelle: Welt Online