Großer Hype ums Gold: Das Drama um den Euro treibt Anleger in Scharen zum Edelmetall, vermeintliche Experten machen zusätzlich Stimmung im TV. Dabei ist die Investition in Gold sehr riskant. Die Kurse schwanken enorm. Selbst eine neue Finanzkrise könnte dazu führen, dass Gold billiger wird.

Im Wartezimmer der Arztpraxis wird getuschelt. "Hast du schon gekauft?" Der Nachbar, der rechtzeitig eingestiegen ist, prahlt am Gartenzaun mit seinen Gewinnen. Im Fernsehen treten Leute auf, die verkünden, althergebrachte Maßstäbe gälten nicht mehr, weshalb die Notierungen ab jetzt nur noch steigen könnten. Und Bankmitarbeiter stöhnen unter dem Andrang derer, die jetzt auch noch unbedingt auf den Zug aufspringen wollen.

So war das vor zehn Jahren, als das Aktienfieber zu Exzessen geführt hatte, die hierzulande vor allem durch den Absturz der Technologiebörse Neuer Markt in kollektiver Erinnerung geblieben sind. Und so ist es jetzt wieder beim Gold, dessen Preis seit Jahren kontinuierlich steigt und in Euro allein seit Anfang April in der Spitze um 20 Prozent auf über 1000 Euro zugelegt hatte, ehe er zum Wochenschluss nachgab.

Das Thema Neuer Markt hatte sich damals recht schnell wieder erledigt. Schon kurz nach dem Höhepunkt der Euphorie fielen die Aktienkurse der jungen Unternehmen ebenso schnell, wie sie gestiegen waren. Die Gier der Anleger, die auf ein begrenztes Angebot an Anteilsscheinen traf, hatte zu maßlosen Überbewertungen geführt. Aber wie ist das beim Gold? Ist das Edelmetall immer noch billig, fair bewertet oder durch die Angst um die Stabilität des Euro, die viele Bundesbürger ins Gold treibt, schon viel zu teuer?

"Gold ist immer so viel wert, wie jemand bereit ist, dafür zu bezahlen", sagt Robert Hartmann, Geschäftsführer des Edelmetallhandelshauses Pro Aurum. Lange Zeit war das sehr wenig. Zur Jahrtausendwende etwa lag der Preis des an sich nutzlosen Metalls bei rund 250 Dollar. Die Inflation, einer der Gründe für Goldinvestments, schien für immer besiegt. Und da sich die Kurse mancher Aktien im Monatstakt verdoppelten, wurden selbst die für heutige Verhältnisse attraktiven Zinsen am Geldmarkt von Anlegern müde belächelt. Wer wollte da Rendite mit Gold verschenken, das ja überhaupt keine Zinsen bringt?

Dass der Goldpreis sein Tief bei 250 Dollar pro Feinunze (31,1 Gramm) markierte, war indes kein Zufall. Denn das entsprach dem Aufwand, der nötig war, um das Gold aus der Erde zu holen. Und diese Bezugsgröße, die Kosten der Produktion, dient auch heute vielen Experten als Anhaltspunkt für das mögliche Ausmaß einer Korrektur beim Goldpreis. Nur dass sich die Zahlen in den vergangenen zehn Jahren verändert haben.

"Der Abbau von Gold hat sich verteuert", sagt Martin Siegel, Edelmetallexperte und Berater des Fonds Stabilitas Gold und Silber. Das ist auf gestiegene Rohstoffpreise ebenso zurückzuführen wie auf schwierigere Abbaubedingungen, verbesserte Sozialstandards für die Arbeiter und eine vielerorts verschärfte Gesetzgebung zur Umweltverträglichkeit der Produktion. So hat das britische Metall-Consulting-Unternehmen GFMS die durchschnittlichen Produktionskosten einer Unze Feingold auf 478 Dollar veranschlagt. Schlägt man aber noch laufende Investitionskosten, Lagerkosten und Abschreibungen drauf, so liegen die Produktionskosten laut GFMS bei 925 Dollar.

Geht man davon aus, dass die Abbaukosten tendenziell das Rückschlagpotenzial begrenzen, ist also nicht allzu viel Luft nach unten. Von seinem Allzeithoch bei 1280 Dollar vergangene Woche fiel die Notierung des gelben Metalls zuletzt bis auf 1170 Dollar, das sind lediglich 25 Prozent mehr als die Produktionskosten. Doch das muss nicht heißen, dass ein Preisrückgang nicht deutlich schärfer ausfallen könnte. Denn der Goldmarkt ist zum einen sehr eng. Eine einfache Rechnung macht das sehr anschaulich: Alles jemals auf der Erde abgebaute Gold - das sind rund 160.000 Tonnen - ließe sich in einen Würfel mit einer Kantenlänge von etwa 20 Metern pressen. Andererseits hat sich der Goldmarkt aber in den vergangenen Jahren auch stark gewandelt.

So kaufen vor allem Großinvestoren heute lieber Papiergold, als sich mit Barren abzugeben. Über sogenannte Exchange Traded Commodities (ETCs) erwerben sie mit Gold besicherte Verbriefungen bequem und günstig über die Börse. Der weltweit größte ETC, der SPDR Gold Trust, hat ein Volumen von 1220 Tonnen und liegt damit auf Augenhöhe mit den Goldbeständen großer Notenbanken, die ihrerseits seit geraumer Zeit wieder als Käufer auftreten. So bequem und schnell, wie sich die Goldpapiere kaufen lassen, können sie aber auch wieder abgestoßen werden, sollte sich der Goldpreis in die andere Richtung entwickeln.

Das ist bei allem Wirbel um das gelbe Metall nicht ausgeschlossen. Sollte die Rettung des bankrotten Griechenlands nicht wie geplant ablaufen, könnte der Welt ein "Lehman 2.0" drohen. Um flüssig zu bleiben, könnten Investoren dann - wie im Herbst 2008 nach der Pleite der US-Investmentbank - erneut gezwungen sein, ihre Anlagen zu liquidieren. Obwohl Investoren in der damaligen Situation den Schutz des Goldes hätten suchen müssen, gab es damals dennoch deutlich nach. Noch härter traf es Anleger, die Anfang 1980 Gold gekauft hatten. Damals schoss der Preis auf 873 Dollar. Es dauerte 28 Jahre, bis diese Notierung wieder erreicht war.

Über die Jahrtausende aber zeigt der Wert des Goldes eine beeindruckende Stabilität. Schon im alten Rom konnte man für eine Feinunze eine Tunika kaufen, und heute erhält man dafür immer noch einen maßgeschneiderten Anzug. Deshalb sind auch die Preisziele, die gerade von Investmentgurus gern in Umlauf gebracht werden, im Zweifel mit Vorsicht zu genießen.

"Wenn jemand sagt, er halte mittelfristig einen Preis für die Feinunze von 5000 Dollar für möglich, dann muss die Frage sein: Was sind 5000 Dollar dann noch wert, welche Kaufkraft haben sie?", relativiert Pro-Aurum-Chef Hartmann. Wichtig sei, zwischen dem nominalen und dem realen Wert des Goldes in einer bestimmten Währung zu unterscheiden. Denn Geld lässt sich im Gegensatz zu Gold beliebig vermehren. Gelangen nun mehr Dollar in Umlauf, büßen diese bei gleich bleibendem Angebot an Kaufkraft ein. Gold wird also nur nominal teurer.

Im Übrigen sind solche Preisperspektiven im Falle des Edelmetalls nichts, worüber sich Anleger freuen sollten. Denn die Notierung des Goldes ist immer auch eine Art Fieberthermometer für den Zustand der Weltwirtschaft. Ist sie hoch, zeigt das lediglich an, wie groß die Probleme sind. "Niemand sollte mit Gold Gewinn machen wollen", sagt Eugen Weinberg, Rohstoffanalyst bei der Commerzbank. "Es ist eine Versicherung, von der niemand hoffen sollte, sie je in Anspruch nehmen zu müssen."

Diese Versicherung empfehlen inzwischen viele Berater den Anlegern. Waren es zunächst ganze fünf Prozent, die Vermögensverwalter ihren Kunden als Goldanteil im Depot empfahlen, stieg die Quote auf inzwischen zehn bis 15 Prozent des anzulegenden Kapitals. Manche Experten raten sogar schon zu einem bis zu 25-prozentigen Goldanteil.

Panik aber, wie sie einige Goldhändler in den vergangenen Tagen und Wochen unter manchen Anlegern wahrnahmen, ist in der Geldanlage ein schlechter Ratgeber. "Die Entwicklung, die jetzt viele befürchten, läuft erfahrungsgemäß nach einem bestimmten Drehbuch ab", meint Hartmann. Demnach müsste noch Zeit sein, günstigere Einstiegszeitpunkte abzuwarten. Schon bis Freitag hatte sich der Preis in Euro von am Montag über 1000 auf rund 940 ermäßigt, nachdem die Gemeinschaftswährung zur Gegenbewegung angesetzt hatte. Wer da zu Höchstkursen gekauft hat und die Ware wegen der Lieferengpässe erst in zwei Wochen erhält, dürfte sich schon jetzt mächtig ärgern.

Aber vielleicht wird die Entscheidung, ob man denn nun noch Gold kaufen soll oder nicht, den Anlegern in der kommenden Woche wieder leicht gemacht. Beim Sangeswettbewerb "Grand Prix Eurovision", der am Dienstag beginnt, wird der Schweizer Michael von der Heide singen: "Il pleut de l'or" - "es regnet Gold". Das könnte die Stimmung der Käufer wieder anheizen.

Quelle: Welt Online