Deutschlands oberster Datenschützer, Innenminister Thomas de Maizière, hat ein Gesetz fertig, mit dem der Datenschutz für Arbeitnehmer erstmals ausdrücklich geregelt wird. Der Innenminister reagiert damit auf die Ausspähaffären beim Discounter Lidl, der Bahn und der Deutschen Telekom.

Der Gesetzentwurf von Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) ist fertig, mit dem der Datenschutz für Arbeitnehmer erstmals explizit geregelt werden soll. So plant der Minister, der qua Amt auch Deutschlands oberster Datenschützer ist, strengere Regeln für die heimliche Videoüberwachung in Unternehmen.

Künftig müssen "tatsächliche Anhaltspunkte" vorliegen und den Verdacht begründen, dass Beschäftigte eine Straftat oder eine "schwerwiegende Vertragsverletzung" zulasten des Arbeitgebers begangen haben, heißt es in dem Entwurf. Wo das Schwerwiegende allerdings genau beginnt und endet, dürfte die Gerichte wohl noch beschäftigen. Die Datenerhebung muss jedenfalls erforderlich und verhältnismäßig sein, um solche Fälle aufzudecken.

Zudem sollen Arbeitgeber verpflichtet werden, "die den Verdacht begründenden tatsächlichen Anhaltspunkte" zu dokumentieren. Kameras etwa in Umkleideräumen will der Minister grundsätzlich verbieten: "Eine Videoüberwachung von Betriebsstätten, die überwiegend der privaten Lebensgestaltung des Beschäftigten dienen, ist unzulässig."

Die offene Videoüberwachung, die zum Beispiel bei Tankstellen schon längst alltäglich ist, will de Maizière hingegen eher erleichtern. Sein Entwurf sieht vor, sie bei öffentlich zugänglichen Betriebsgeländen, -gebäuden oder -räumen "zur Wahrung wichtiger betrieblicher Interessen" zu erlauben. Unternehmen dürfen demnach Videokameras "zum Schutz ihres Eigentums, zur Zutrittskontrolle, zur Wahrung des Hausrechts, zur Sicherheit der Beschäftigten, zur Sicherung von Anlagen sowie zur Abwehr von Gefahren für die Sicherheit des Betriebes" installieren.

Der Innenminister reagiert damit auf die Ausspähaffären in den Jahren 2008/2009 beim Discounter Lidl, der Bahn und der Deutschen Telekom. Lidl hatte Mitarbeiter sogar durch versteckte Kameras überwachen lassen. Nach den Affären hatte die schwarz-rote Bundesregierung im vorigen September das Bundesdatenschutzgesetz mit dem Paragrafen 32 ("Beschäftigungsverhältnis") als Sofortmaßnahme verschärft.

De Maizière will dieses Gesetz jetzt erweitern. Sein Entwurf, der sich momentan in der Ressortabstimmung der Bundesregierung befindet, greift die bisherige Rechtsprechung auf und vereinheitlicht eine Fülle von Einzelregelungen. Ein separates Arbeitnehmerdatenschutzgesetz sieht der schwarz-gelbe Koalitionsvertrag nicht vor.

Genau das aber fordert die SPD: Kurz vor der Bundestagswahl hatte der frühere Arbeitsminister Olaf Scholz ein Beschäftigtendatenschutzgesetz vorgestellt - der Entwurf verschwand in der Schublade.

Völliges Neuland betritt de Maizière nun mit der Regelung der Überwachung von Beschäftigten durch elektronische Ortungssysteme wie GPS. Dem neuen Gesetzentwurf zufolge darf ein Arbeitgeber Beschäftigtendaten durch solche Systeme "erheben, nutzen und verarbeiten, soweit dies aus betrieblichen Gründen während der Arbeits- und Bereitschaftszeit erforderlich ist."

Dies soll auch möglich sein, um die Sicherheit des Mitarbeiters zu gewährleisten oder seine Verwendung zu koordinieren - zum Beispiel bei der Steuerung des Fuhrparks von Spediteuren. Der Arbeitgeber soll aber verpflichtet werden, den Arbeitnehmer über den Einsatz des Ortungssystems, über die Aufzeichnungen und deren Umfang zu informieren. Biometrische Daten wie die Iriserkennung oder Fingerabdrücke dürfen ebenfalls erhoben werden, soweit dies "aus betrieblichen Gründen zu Autorisierungs- und Authentifikationszwecken" nötig ist und dem keine schutzwürdigen Belange des Beschäftigten entgegenstehen. Für andere Zwecke muss der Arbeitnehmer eigens einwilligen.

Grundsätzlich soll ein Arbeitgeber personenbezogene Daten nur verlangen dürfen, wenn und soweit sie "wegen der auszuübenden Tätigkeit oder der Bedingungen ihrer Ausübung wesentliche oder entscheidende berufliche Anforderungen oder Hindernisse darstellen". Dies soll beispielsweise für Vermögensverhältnisse, Vorstrafen und laufende Ermittlungsverfahren gelten. De Maizière will Unternehmen dazu verpflichten, Beschäftigtendaten unmittelbar bei den Mitarbeitern selbst einzuholen, soweit sie nicht allgemein zugänglich sind. Das ist im Einzelnen vorgesehen:

1. Erlaubt ein Arbeitgeber das Surfen im Internet zu beruflichen oder dienstlichen Zwecken, ist eine Kontrolle der Verkehrsdaten und Inhalte grundsätzlich punktuell möglich. Als Beispiele werden im Gesetzentwurf genannt: "Zur Gewährleistung des ordnungsgemäßen Betriebes, zu Abrechnungszwecken oder zu einer stichprobenartigen oder anlassbezogenen Leistungs- und Verhaltenskontrolle". Überprüft werden darf ein Internetsurfer ebenfalls bei Vertragsverletzungen zulasten des Arbeitgebers, Ordnungswidrigkeiten oder Straftaten im Arbeitsverhältnis. Bei einer Nutzungserlaubnis zu privaten Zwecken soll die Kontrolle jedoch prinzipiell ausgeschlossen werden. Ausnahmen gäbe es dann nur, falls ein manifestierter Tatverdacht vorliegt, dass vertrauliche Daten weitergeleitet oder andere Straftatbestände verübt werden.

2. Beim Gesundheitstest darf die Datenerhebung "nicht unverhältnismäßig" sein. Der Test muss durch eine Rechtsvorschrift (Gesetz, Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung) erlaubt oder angeordnet sein. Falls erforderlich, kann damit auch die Eignung für einen Tätigkeitswechsel überprüft werden.

Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) beurteilt de Maizières Vorhaben sehr skeptisch. "Ein mutiger Schritt zur Entbürokratisierung fehlt", sagte Roland Wolf, der Leiter der BDA-Arbeitsrechtsabteilung, WELT ONLINE. Seine Organisation fürchtet, dass die Wirtschaft durch wesentlich höhere Kosten belastet wird, als dies vom Bundesinnenministerium geschätzt wird. Es beziffert die Umstellungskosten für den neuen Arbeitnehmerdatenschutz lediglich mit "einmalig" 10,3 Millionen Euro, anschließend sollen jährliche Kosten in Höhe von 7,8 Millionen Euro anfallen. Der BDA setzt darauf, dass der Gesetzentwurf noch verändert wird. Schließlich hatte de Maizière als Kanzleramtschef zu viel Bürokratie als Gift für Wachstum gebrandmarkt.

Quelle: Welt Online