Nach Griechenland hat nun auch Spanien ein Milliarden-Sparprogramm verkündet. Doch reicht das für die Sanierung der europäischen Haushalte aus? Dem Währungsfonds, der EU und Ökonomen gehen die Maßnahmen nicht weit genug: Sie fordern ein Insolvenzverfahren für Staaten und große Banken.

Auch wenn sich die Kurse wieder erholten - eine Rolle für die zurückgekehrte Nervosität an den Märkten spielte, dass der Internationale Währungsfonds IWF) Luft aus der Ankündigung der Europäer ließ, er werde Euro-Ländern mit 250 Milliarden Euro beispringen. "Wir haben nie 250 gesagt ... Wir sind keinerlei pauschale Verpflichtung eingegangen", sagte in Washington IWF-Vizedirektor John Lipsky bei einer Konferenzschaltung mit Journalisten.

Stattdessen werde der IWF über Hilfen für jedes Land im Rahmen seines normalen Vorgehens entscheiden. Und in Brüssel bekräftigte der für die Griechenland-Rettung und andere Feuerwehreinsätze in Europa zuständige Direktor der Europa-Abteilung des IWF, Marek Belka, der von den Euro-Ländern verkündete Kreditrahmen allein sei "keine Langzeitlösung".

Was alsi muss Europa tun, um seine Finanzen dauerhaft wieder auf eine solide Grundlage zu stellen und den Euro zu stabilisieren.

Die wichtigsten Maßnahmen zur Sanierung der Euro-Zone bestehen dem Internationalen Währungsfonds zufolge in glaubwürdigen Schritten zur Verringerung von Haushaltsdefiziten und folgendem Schuldenabbau, der Schaffung wirksamer Kriseninstrumente und Sanktionsmechanismen und überfälligen Reformen: von einer Bankenreform bis zu Einschnitten bei immer kostspieligeren Renten- und Gesundheitssystemen.

Am wichtigsten sei der Schuldenabbau, urteilt der IWF in seinem Wirtschaftsausblick für Europa. "Die Alarmsignale zu öffentlichen Schulden blinken." Bereits angekündigte Sparmaßnahmen blieben oft hinter den notwendigen Einschnitten zurück. "Für Länder mit niedriger fiskalischer Glaubwürdigkeit ist unverzügliche Konsolidierung ein Muss."

Alle Länder müssen sparen

Das gilt natürlich in erster Linie für Griechenland. Doch auch die ebenfalls hoch verschuldeten Euro-Länder "Irland, Portugal und Spanien ... müssen bestehende Konsolidierungspläne auch durchsetzen". Generell müssten allerdings alle Euro-Länder "ein glaubwürdiges Engagement zu fiskalischer Konsolidierung eingehen" - im Klartext heißt das: sparen.

Und so hat Spanien überraschend ein Sparprogramm angekündigt, das Ministerpräsident José Luis Rodríguez Zapatero im Madrider Parlament präsentierte. Das Land kürzt zur Sanierung seiner Staatsfinanzen die Gehälter von Ministern und Beamten. Auch werden die Gehälter der Staatsbediensteten noch in diesem Sommer um fünf Prozent gesenkt. Bei den Ministern beträgt die Kürzung sogar 15 Prozent. 2011 sollen die Beamtengehälter eingefroren werden. Auch die Renten sollen im kommenden Jahr nicht erhöht werden.

Die EU-Kommission begrüßte das Sparpaket, erwartet aber für eine genaue Bewertung weitere Details. Spanien will mit dem Sparpaket 2010 und 2011 insgesamt 15 Milliarden Euro sparen und das Haushaltsdefizit rascher abbauen als bisher geplant.

Schuldenberge gar nicht erst entstehen zu lassen, war einst das Ziel des Stabilitäts- und Wachstumspakts. Er schrieb ein maximales Haushaltsdefizit von drei Prozent vor, die Gesamtverschuldung sollte nicht 60 Prozent der Wirtschaftsleistung übersteigen. Doch Deutschland und Frankreich höhlten die Regel 2003 aus, kein Schuldensünder musste jemals die im Vertrag festgelegten Strafen zahlen.

Nun steht Europa blank da - und noch viel schlechter als vorher: "Die Euro-Länder haben jetzt noch weniger Druck als zuvor, das eigene Haus in Ordnung zu bringen. Denn jetzt weiß jedes Land, dass es einen Rettungsschirm gibt, der aufgespannt wird, wenn es schiefgeht", sagt Dennis Snower, der Präsident des Instituts für Weltwirtschaft Kiel. "Deshalb ist es jetzt noch wichtiger als zuvor, einen Mechanismus zu schaffen, mit dem der Wachstums- und Stabilitätspakt durchgesetzt werden kann."

Vorschläge gibt es dazu reichlich. Snower fordert beispielsweise eine Schuldenkommission, die auf europäischer Ebene darüber wacht, dass die nationalen Regierungen ihre Konsolidierungsziele einhalten. Thomas Mayer, der Chefvolkswirt der Deutschen Bank, fordert gar ein europäisches Pendant zum IWF: "Die EU muss einen Europäischen Währungsfonds (EWF) schaffen - mit dem man Krisen managen und eine mögliche staatliche Insolvenz geordnet abwickeln kann."

Er soll die finanzpolitische Stabilität der Euro-Staaten überwachen und angeschlagenen Ländern im Notfall finanziell helfen können - die dafür im Gegenzug harte Sparbedingungen erfüllen müssten. Die Kritik an dem Modell: Er könnte Euro-Staaten verführen, unsolide zu wirtschaften - im Notfall hilft ja der EWF. Mayer hält dagegen, dass genau deshalb ein Konkurs möglich sein muss, bei dem die Gläubiger auf einen Teil ihres Geldes verzichten müssen.

Geordnetes Insolvenzverfahren

Auch verlangen Ökonomen und Politiker, dass der Währungsraum einen bankrotten Staat abwickeln kann, ohne dass es im Bankensystem und an den Märkten zu großen Verwerfungen kommt. "Wir brauchen ein geordnetes Insolvenzverfahren", sagt Clemens Fuest, Vorsitzender des wissenschaftlichen Beirats des Bundesfinanzministeriums. Ein Land, das Schwierigkeiten habe, könne einmal geholfen werden - aber kein zweites Mal. Dann müsse es in die Insolvenz.

Finanzminister Wolfgang Schäuble kann sich auch einen verschärften Stabilitätspakt vorstellen. Mitgliedsländer, die gegen Regeln verstoßen, sollen für eine bestimmte Zeit keine Zahlungen aus den EU-Töpfen für strukturschwache Regionen bekommen. Schäubles Ansicht zufolge ist zudem der vorübergehende Verzicht hilfebedürftiger Länder auf ihr Stimmrecht in Gremien der Europäischen Union eine wirksame Maßnahme, um diese zu etwas mehr Haushaltsdisziplin anzuspornen.

Fuest jedoch hält von einem verschärften Stabilitätspakt nichts. "Von einer Verschärfung der Sanktionen im Stabilitätspakt verspreche ich mir wenig. Die Sanktionen, die bereits heute möglich sind, hat man nie ausgeschöpft", sagt er. Diese Gefahr drohe in Zukunft auch bei einem verschärften Pakt wieder.

Neben einer stärkeren Finanzdisziplin der Euro-Länder und einem strengen Stabilitätsmechanismus auf der Ebene der Euro-Zone fordern Ökonomen Korrekturen an den Strukturen des Finanzsystems, um es stabiler zu machen. Das gilt besonders für die Banken, die in der aktuellen Krise billiges Geld der Europäischen Zentralbank zum Kauf hochverzinster Regierungsanleihen genutzt haben.

Deshalb fordern nicht nur Ökonomen, sondern sogar Banker Regeln, die sicherstellen, dass künftig jede Bank pleitegehen kann. "Too big to fail - das darf es nicht mehr geben", sagt selbst Jamie Dimon, der Chef der größten US-Bank JP Morgan Chase. Nur so könne auch tatsächlich sichergestellt sein, dass die Politik nicht wieder erpressbar wird.

"Wir brauchen eine Insolvenzordnung für Banken und Regeln dafür, wie Banken abgewickelt werden können", so Roland Döhrn, Konjunkturchef des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung. "Wenn wir Insolvenzregeln für Banken haben, können Banken künftig nicht mehr ungeprüft behaupten, dass sie systemrelevant sind, und so erzwingen, dass sie von der Politik herausgehauen werden."

Deshalb arbeiten die Regulierer weltweit gerade an Insolvenzverfahren für große Finanzinstitute. Regeln sollen festlegen, wie bankrotte Institute temporär unter staatlicher Aufsicht weiterbetrieben werden können, sodass die Finanzmärkte nicht ins Stocken geraten wie nach der Lehman-Pleite. Dazu gehört auch, dass angeschlagene Banken während eines solchen Verfahrens weiter finanziert werden.

Quelle: Welt Online