Die Athener Regierung setzt nun doch auf das Hilfspaket von EU und IWF. Griechenlands Finanzminister hat um die Aufnahme von Gesprächen gebeten. Am Montag sendet der IWF dazu Mitarbeiter nach Athen. Zuvor hatte sich die Lage an den Finanzmärkten für die Griechen erneut verschärft.
In den vergangenen Tagen hatte sich die griechische Regierung noch geziert, das Milliarden-Hilfspaket der Europäischen Union und des Internationalen Währungsfonds (IWF) in Anspruch zu nehmen. Jetzt könnte alles ganz schnell gehen. Bereits am kommenden Montag will der IWF Mitarbeiter nach Athen schicken, um dort über die Details der Unterstützung zu reden, teilte IWF-Chef Dominique Strauss-Kahn mit. Der griechische Finanzminister George Papaconstantinou hatte zuvor in einem Brief an Europäische Union, die Europäische Zentralbank (EZB) und den IWF darum gebeten, mit Gesprächen über ein „Mehrjahresprogramm wirtschaftspolitischer Maßnahmen“ zu beginnen.
Damit reagieren die Offiziellen auf die erneute Verschärfung der Lage an den internationalen Kapitalmärkten. Die Risikoaufschläge auf griechische Staatsanleihen erhöhten sich im Verlauf des Handelstages erneut drastisch. Griechische Staatsanleihen fanden nur noch bei Renditen von mehr als sieben Prozent Abnehmer – vier Prozent mehr, als Deutschland für ähnliche Papiere bezahlt, und auch deutlich mehr als andere Problemländer wie Spanien und Portugal aufbringen müssen. Damit ist die beruhigende Wirkung des am Wochenende beschlossenen Rettungsplans bereits verpufft.
„Am Markt setzt sich mehr und mehr die Erkenntnis durch, dass auch das Hilfsprogramm die Grundprobleme Griechenlands nicht löst“, sagte Anleihenspezialist Jochen Felsenheimer von dem Vermögensverwalter Assenagon. Die Euroländer hatten sich am vergangenen Sonntag bereit erklärt, Griechenland allein in diesem Jahr mit bis zu 30 Mrd. Euro Notkrediten unter die Arme zu greifen. Der IWF könnte Griechenland nochmals bis zu 15 Mrd. Euro bieten, voraussichtlich im Rahmen eines Drei-Jahres-Programms. Die Finanzhilfe der Euroländer soll zu einem Jahreszins von 5,3 Prozent vergeben werden und damit deutlich unter den nun wieder erreichten Marktzinsen.
Das mit rund 300 Mrd. Euro verschuldete Griechenland muss allein bis Mitte Mai weitere zehn Milliarden Euro an Anleiheinvestoren zurückzahlen und dafür neue Darlehen aufnehmen. Je höher die Risikoaufschläge, desto schneller wächst der Schuldenberg weiter an. „Wenn ich die griechische Regierung wäre, würde ich die nächsten Monate mit den Milliarden aus dem Hilfsprogramm bestreiten“, sagte Luca Jellinek von der ANZ Banking Group in London der Nachrichtenagentur Bloomberg. Dann gebe es zumindest die Hoffnung, dass sich die Kapitalmärkte beruhigten und das Land in der zweiten Jahreshälfte günstiger an frisches Geld komme. „Warum soll ich mir Geld für sieben Prozent leihen, wenn ich es jetzt für fünf Prozent haben kann“, sagte Jellinek weiter.
Zumal selbst zu einem Preis von sieben Prozent womöglich nicht genügend Anleger gelockt werden können. Eigentlich wollten die Griechen bis Ende April in den USA Papiere im Wert von bis zu zehn Mrd. Dollar verkaufen. Ein griechischer Finanzvertreter räumte nun aber ein, dass es „in den USA kein starkes Interesse an griechischen Schuldtiteln gibt“. So hatte der Chef der weltweit größten Rentenfondsfirma Pimco, Mohamed El-Erias, ausgeschlossen, dass sein Unternehmen die griechischen Anleihen kaufen werde.
Denn die wieder sprunghaft gestiegenen Renditen an den Anleihemärkten stehen auch für die Sorge, dass Griechenland das sprichwörtliche Fass ohne Boden wird. „Das ganze erinnert doch stark an das anfangs sinnlose Bemühen, die Immobilienkrise in den USA in den Griff zu bekommen“, sagte Felsenheimer von Assenagon. Ein Schuldenmoratorium sei über kurz oder lang unausweichlich. Dann könne Griechenland seine Gläubiger um Zahlungsaufschub bitten und hätte Zeit für die Sparmaßnahmen.
Angesichts des neu aufgekommenen Zweifels an der Durchschlagskraft der externen Unterstützung kam auch der Euro wieder auf die Verkaufslisten. Der Kurs gab um rund einen Cent auf 1,3550 Dollar nach. Für Nervosität sorgte auch eine kritische Einschätzung von EZB-Direktor Jürgen Stark: „Wir haben womöglich schon die nächste Phase der Krise erreicht: eine Staatsschuldenkrise“, sagte Stark bei einer Konferenz in Washington.
In Deutschland wächst unterdessen die Kritik an einer Rettungsaktion der Euro-Länder. In ihrem Gutachten monierten die führenden Wirtschaftsforschungsinstitute, das vereinbarte Hilfspaket widerspreche dem Geist des EU-Vertrages. Sie sprachen sich dafür aus, dem mit Finanzkrisen vertrauten IWF die Regie zu überlassen. Dieser könne glaubwürdiger als die EU drohen, dass Finanzhilfen zurückgehalten werden, wenn Auflagen nicht erfüllt würden. Gegen ein Auffangnetz sind die Ökonomen nicht, weil ihrer Ansicht nach bei einer Pleite eine kaum zu bewältigende neue Bankenkrise drohe.