Erstmals untersucht eine Studie die volkswirtschaftliche Bedeutung des Profifußballs. Und die Ergebnisse sind überraschend. Rund 110.000 Arbeitsplätze stehen im Zusammenhang mit dem Profifußball. Die Bundesliga wird in ihrer wirtschaftlichen Bedeutung völlig unterschätzt.

„Fußball ist viel wichtiger als Leben und Tod“, hat Bill Shankly einmal gesagt. Damit dürfte der legendäre Trainer des englischen Fußballclubs FC Liverpool zwar etwas übertrieben haben. Doch er hat schon damals – in den 70er-Jahren – erkannt, dass die Bedeutung dieses Sports weit über die Stadionmauern hinausreicht.

Ob die Experten der Unternehmensberatung McKinsey von Shanklys Worten wussten, ist nicht bekannt. Doch auch sie haben den Einfluss „der wichtigsten Nebensache der Welt“ untersucht – aus volkswirtschaftlicher Sicht. Die Studie ist die erste ihrer Art, und sie kommt zu überraschenden Ergebnissen: Die Bundesliga wird als Wirtschaftsfaktor unterschätzt. Denn der Profifußball erzeugt jährlich eine Wertschöpfung von mehr als fünf Mrd. Euro. Damit trägt er jeden fünfhundertsten Euro zum deutschen Bruttoinlandsprodukt (BIP) bei. Das entspricht dem BIP einer mittleren deutschen Großstadt.

Rund 110.000 Arbeitsplätze stehen hierzulande im Zusammenhang mit dem professionellen Treiben auf dem Rasen. Zwei Drittel der Dax-Unternehmen kommen auf deutlich geringere Mitarbeiterzahlen. Außerdem spülen die wirtschaftlichen Aktivitäten der Erst- und Zweitligisten dem deutschen Fiskus jährlich netto rund 1,5 Mrd. Euro an Steuern und Abgaben in die Kassen. „Die Klubs können sehr stolz auf das sein, was sie zur Volkswirtschaft beitragen“, sagt Christian Seifert, der Vorsitzende der DFL-Geschäftsführung.

Für die Untersuchung wurden erstmals indirekte und sogenannte induzierte Effekte berechnet. Das heißt: Neben der direkten Bezugnahme auf die Deutsche Fußball Liga (DFL) und die Clubs der Bundesliga und der 2. Bundesliga wurden auch Umsätze, Wertschöpfung und Beschäftigung berücksichtigt, die rund um den Profifußball entstehen. Als Grundlage der Studie dienten die wirtschaftlichen Eckdaten der Saison 2007/08.

Mit einer Wertschöpfung von 5,1 Mrd. Euro liegt der Profifußball zwar deutlich hinter Schlüsselindustrien wie dem Auto- und Maschinenbau. Doch die Summe ist mit Branchen wie dem Bergbau oder Versandhandel vergleichbar. Interessant ist auch, dass sich mehr als zwei Drittel der Wertschöpfung nicht direkt im Profifußball niederschlagen. Viele Wirtschaftsbereiche profitieren von der Abstrahlwirkung dieses Sportes.

McKinsey macht folgende Rechnung auf: Aus 100 Euro Wertschöpfung im Profifußball entsteht in anderen Bereichen der deutschen Volkswirtschaft eine Wertschöpfung von 240 Euro. In der Bekleidungsbranche beispielsweise sorgt allein der Profifußball für rund drei Prozent der gesamten Wertschöpfung – auch in der Medienbranche sind es rund zwei Prozent. Die McKinsey-Analysten legen Wert darauf, dass diese Annahmen sehr konservativ sind. „Unsere Ergebnisse sind im Zweifel als Untergrenze zu verstehen“, sagt Thomas Netzer von McKinsey.

Mehr als 70.000 Vollzeitarbeitsplätze schafft der Profifußball in Deutschland. Unter Berücksichtigung der branchentypischen Teilzeitangebote verteilen sich diese Stellen auf 110.000 Arbeitnehmer. Doch weniger als zehn Prozent dieser Jobs entstehen direkt bei den 36 Clubs der Bundesliga oder bei der DFL. Allein in der deutschen Gastronomie und Hotellerie verdanken mehr als 10.000 Vollzeit-Angestellte ihr Einkommen dem professionellen Fußball. In der deutschen Bekleidungsindustrie hängen rund drei Prozent aller Jobs daran.

Das Geschäft mit dem runden Leder wird oft als Ansammlung von besser verdienenden Akteuren betrachtet. Doch auch mit dieser Annahme räumt die Studie auf – zumindest aus volkswirtschaftlicher Sicht. Vielmehr entsteht mit dem Fußball eine Vielzahl von Jobs für gering Qualifizierte. Das durchschnittliche Nettoeinkommen aller durch den Profifußball geschaffenen Arbeitsplätze liegt laut McKinsey bei rund 25.000 Euro im Jahr.

Die Studie gibt allerdings keine Auskunft darüber, wie es um die finanzielle Situation des deutschen Profifußballs steht. „Die Ergebnisse zur Wertschöpfung sagen nichts über die Solidität der Ligen oder Vereine aus“, bestätigt Netzer. Dabei kommt die hiesige Fußball-Landschaft auch in diesem Punkt gut weg. „Der deutsche Club-Fußball ist erstaunlich gut durch die Finanz- und Wirtschaftskrise gekommen“, erklärt Stefan Ludwig von der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft Deloitte.

Anders als die Konkurrenz in Spanien oder England haben sich die Bilanzen der Vereine nicht verschlechtert. Als Hauptgrund für diese relative Stärke macht Ludwig den Zuschauerboom aus. Die Ticketerlöse seien eine konstant hohe Einnahmensäule, auf die nahezu alle Vereine bauen könnten.

Für viele Experten steht der deutsche Fußball in Sachen Solidität ganz weit oben. Während etwa die spanischen Erstligisten mehrere Milliarden Euro Schulden aufgetürmt haben, war das operative Ergebnis der Bundesliga-Clubs in den vergangenen zehn Jahren immer positiv. Es spricht also nichts dagegen, dass der Wirtschaftsfaktor Profifußball in Zukunft sogar noch eine größere Rolle spielen wird.

Quelle: Welt Online