Online-Dienste sollen das Telefon überholen: Auf der Suche nach Wachstum setzt die Telekom auf das vernetzte Haus und Internet im Auto.

Bonn. Egal ob im Auto, vor dem Fernseher, beim Internet-Einkauf oder auch nur beim Stromverbrauch, geht es nach der Telekom, mischt sie künftig überall mit. Das ist der Kern der neuen Wachstumstrategie, die Telekom-Chef René Obermann Investoren in Bonn vorgestellt hat. „Wir trauen uns jetzt, das Geschäftsmodell weiterzuentwickeln“, sagte Obermann.

Nie hat die Telekom intensiver nach neuen Wachstumstreibern gesucht. Sie hatte es allerdings auch noch nie so nötig wie heute. Die Umsätze bei der Telefonie sowohl im Festnetz als auch in den Handy-Netzen wachsen schon längst nicht mehr, die meisten Märkte sind gesättigt, die Preise sinken stetig. Das gilt auch für den früheren Wachstumsmotor USA, wo der Konzern im vergangenen Jahr sogar zeitweise Kunden verloren hat.

Langfristig werde der Konzern in den neuen Wachstumsfeldern mehr Geld umsetzen als im traditionellen Netzgeschäft, sagte Obermann. Die gesamte Branche steht damit am Scheidepunkt, und Obermann weiß das sehr genau. Das Internet wirbelt die bisherigen Geschäftsmodelle gehörig durcheinander.

Und die bisherigen Branchengrößen der Telekommunikation drohen beim Konkurrenzkampf mit Unternehmen wie Google, Microsoft und Apple unter die Räder zu kommen. Derzeit kassieren vor allem die anderen. Die Telekom droht mit ihren Leitungen zum reinen Bit Pipe zu werden, ein Datendurchreicher. Genau deswegen gehen die Chefplaner im Konzern auf Strategie-Suche.

„Wir werden das Netz zur Smart Pipe aufrüsten“, sagt der Telekom-Chef trotzig. Tatsächlich steht für Obermann viel auf dem Spiel, möglicherweise sogar sein Posten an der Konzernspitze. Denn in diesem Jahr wird über seine Vertragsverlängerung über das nächste Jahr hinaus entschieden. Auch wenn der Manager mit einem wuchtigen Sparplan einen Großteil seiner Hausaufgaben gemacht hat, steht der Vollzug seiner Pläne noch aus.

Mit der „Strategie 2.0“ will er nun einen entscheidenden Schritt in diese Richtung machen. Sollte die T-Aktie aber ein Kriterium für seinen Erfolg sein, sieht es nicht allzu gut aus. Das Papier dümpelt unter zehn Euro. Ende 2007 hatte sich Obermann noch mit einem verbalen Gewaltakt ein anderes Ziel gesetzt: „Mir ist schon klar, dass die T-Aktie spätestens in ein bis zwei Jahren Anschluss finden muss an die Kursentwicklung der vergleichbaren Konkurrenten“, sagte der Manager damals. Und: „Sonst wäre meine Mission gescheitert.“ Gemessen an Telefónica und auch France Telecom sieht es allerdings schlecht aus, selbst wenn man großzügige drei Jahre anrechnet.

Gescheitert ist seine Mission allerdings nicht. Unter schwierigen Verhältnissen hat Obermann auf der Ergebnisseite das Geschäft in Deutschland stabilisiert, obwohl der Umsatz hierzulande schrumpft und Kunden noch immer in großer Zahl ihre Anschlüsse abbestellen.

Obermann hat einen eisernen Sparkurs eingeschlagen. Er hat Gehälter gekürzt und damit seine Kostenbasis verbessert. Außerdem gelingt es ihm seit Jahren, mehr als 40 Prozent der Neukunden im Breitbandmarkt zu gewinnen. Sogar das Ergebnis seiner Dienstleistungssparte T-Systems, einst das Sorgenkind des Konzerns, bessert sich.

An den Finanzmärkten hat das alles nur bedingt Wirkung gezeigt. Deswegen hat sich das Top-Management nun Zeit genommen, Investoren in Bonn von der künftigen Strategie zu überzeugen. Überraschungen gibt es dabei allerdings nicht. Schon in den vergangenen Wochen und Monaten hatte sich abgezeichnet, wo die Telekom ihre Zukunft sieht.

Beispiel vernetztes Haus: Hier will die Telekom der Steuermann sein. T-Systems bietet sich bereits den Energiekonzernen an, alles rund um den intelligenten Stromzähler zu machen, Einbau und das monatliche Ausstellen der Rechnungen eingeschlossen.

Auf der Hightech-Messe Cebit in Hannover gezeigt, wohin die Vernetzung führen kann. Sobald das Telefon klingelt, stellt sich der Staubsauger automatisch aus und die Wohnzimmerlampe beginnt zu blinken. Per Handy lässt sich die Waschmaschine starten.

Beispiel Webgeschäfte: Mit mehreren Dutzend Internetmarken ist das Webgeschäft für die Telekom nicht neu, zu den bekanntesten gehört die Scout-Gruppen und der Online-Musik-Shop Musicload. Die Geschäfte wachsen zweistellig. Obermann hat den Webhoster Strato von Freenet gekauft, der künftig verstärkt Cloud Computing für Privatnutzer anbieten soll.

Berichten zufolge bereitet die Telekom derzeit die Übernahme von Click & Buy vor, ein System zum Bezahlen von Kleinbeträgen im Internet. Damit würde sie eine weitere Grundlage für die Expansion legen. Obermanns jüngster Einfall: Ein digitaler Kiosk für Inhalte. Den Start machten die regionalen Angebote der „Bild“, die wie WELT ONLINE zur Axel Springer AG gehören, und die E-Paper-Ausgabe des „Spiegels“.

Beispiel Auto: Die Telekom will das Internet in die Fahrzeuge bringen. „Im Grunde genommen fahren allein in Deutschland fast 50 Millionen Smartphones mit Rädern auf der Straße“, sagte T-Systems-Chef Reinhard Clemens zu WELT ONLINE. Gemeinsam mit dem Autozulieferer Continental hat der Konzern nun ein Steuerungsgerät entwickelt, dass wie das Apple-Handy iPhone mit neuen Anwendungen bestückt werden kann.

So lässt sich nach den Vorstellungen der Telekom von unterwegs schon der Platz im Parkhaus oder der Tisch im Restaurant reservieren. Beispiel Unterhaltung: Die sichtbarste Innovation der Telekom heißt Entertain. Das Fernsehangebot, dass über die Breitbandleitung zum TV-Gerät kommt, gehört für Obermann zur großen Zukunftshoffnung.

1,6 Millionen Nutzer will der Konzern bis Ende des Jahres dafür zählen. Die Ziele sind ehrgeizig, denn zwei Jahre später sollen es schon 2,5 bis drei Millionen Nutzer sein, in fünf Jahren dann sogar fünf Millionen. Dann hätte die Telekom sogar seinen Pay-TV-Konkurrenten Sky überholt.

Mit seinen neuen Geschäftsfeldern bewegt sich Obermann in Milliardenmärkte hinein und kann mit Cloud Computing und Online-Diensten sogar in Länder vorstoßen, in denen er überhaupt kein Netz unterhält. Zugleich stützt ihn noch ein margenstarkes Kerngeschäft, das seine Strategie einschließlich einiger Zukäufe finanzieren kann. Die Infrastruktur bleibe Basis des Geschäftes, heißt es bei der Telekom.

Trotz Regulierung will sie noch im Jahr 2010 Glasfaserleitungen bis in die Häuser hinein verlegen. In den nächsten drei Jahren will der Konzern in Deutschland drei Milliarden Euro investieren, um in der „Gigabit-Gesellschaft“, mitzuspielen. Auf größere Einkäufe will Obermann jedoch verzichten, was er bereits im Februar klarstellte. „Es wird keine Multi-Milliarden-Akquisitionen geben."

Quelle: Welt Online