Ex-Banker Leonhard Fischer kritisiert die Bankenrettung als katastrophalen Fehler. Er stört sich an steigenden Staatsschulden und mangelnder Anpassung der Finanzpolitiker an Veränderungen in der Welt. Der Finanz-Profi erklärt deutschen Sparern, warum sie in den nächsten Jahren ihren Wohlstand sichern sollten.
Einen kleinen Stichwortzettel und eine Stunde Zeit braucht Ex-Banker Leonhard Fischer, um seinen Zuhörern den Glauben an dauerhaften Wohlstand zu nehmen. "Wir leben bereits seit 20 Jahren über unseren Verhältnissen", sagt der Mann, der eher als Lenny Fischer bekannt ist. Die ungute Entwicklung habe sich in den vergangenen zwei Jahren, seit die öffentliche Hand Geldhäuser mit Milliardenhilfen unterstütze, noch verstärkt. "Ich weiß, das ist eine Minderheitenmeinung, aber wir haben einen katastrophalen Fehler gemacht, als wir Banken retteten."
Fischer ist nicht irgendwer. Der 47-Jährige wurde einst als Wunderkind der deutschen Finanzszene gefeiert. Mit 36 Jahren saß er bereits im Vorstand der Dresdner Bank. Später ging er in die Schweiz. Er sanierte erfolgreich die Winterthur Versicherung und wurde sogar als Kandidat für den Chefposten der Credit Suisse gehandelt.
Rund 100 Menschen sind seinetwegen zur Mittagszeit in ein Frankfurter Hotel gekommen – alles Kunden der Quirin Bank. Im Jahr 2008 habe die westliche Welt entschieden, sich mit viel Geld aus der Krise einfach herauszukaufen, sagt Fischer. "Die Pleite einer Bank wurde mit dem Ende der westlichen Zivilisation gleichgesetzt."
Nach der US-Investmentbank Lehman Brothers durfte keine andere Adresse mehr fallen. Für Fischer keine Lösung: Mit steigenden Staatsschulden zögere man die überfällige Anpassung an die längst zu beobachtenden fundamentalen Veränderungen in der Welt lediglich hinaus.
"Irgendwann werden die Schulden gezeigt werden müssen, und irgendeiner wird sie bezahlen", sagt Fischer. Das könne über eine Geldentwertung, sprich eine Inflation, geschehen oder über eine Umschuldung mit schmerzhaften Einschnitten, einer Deflation. "Ich weiß nicht, was sich durchsetzen wird, ich weiß nur, dass wir auf die dritte Variante nicht hoffen sollten: auf ein kräftiges Wirtschaftswachstum."
Das sei für die klassischen Industrieländer nicht in Sicht. Dafür hätten sie in der Vergangenheit zu wenig investiert und zu viel konsumiert. "Wir leben von der ökonomischen Rente einer gigantischen Leistung unserer Vorfahren", so Fischer. Das Wohlstandsgefälle in der Welt werde weiter abnehmen. "Vielleicht nicht absolut, aber zumindest relativ zu anderen verlieren wir." Das Ziel jedes Anlegers für die nächsten Jahre könne nur lauten: den eigenen Wohlstand sichern. Das sei schwer genug.
Und dann räumt Fischer noch mit Mythen auf, die von Banken in der Vergangenheit allzu gern verbreitet und von den Sparern allzu gern geglaubt wurden. Das fange mit den angeblichen freien Kapitalmärkten an. "Sie investieren ihr Geld nicht an freien, sondern an manipulierten Märkten." Keiner solle glauben, dass es ein freies Spiel von Angebot und Nachfrage gebe. "Das existiert nicht."
Und es existiere vor allem seit 2008 nicht mehr, seit die Notenbanken mit riesigen Summen Anleihen kauften und so die Preise entscheidend mitbestimmten. Auch die oft gehörte Aussage, dass Aktienkurse langfristig steigen müssten, sei Humbug. "Aktienkurse steigen, wenn die Wirtschaft wächst, wenn nicht, steigen auch die Aktienkurse nicht."
Der Ratschlag, das Ersparte für die Altersvorsorge im Rest der Welt zu investieren, sei schön und gut. "Das Dilemma ist aber: Niemand braucht Ihr Geld." Viele Schwellenländer, eigentlich die Adressaten für die Geldanlage, erwirtschafteten selbst große Leistungsbilanzüberschüsse, sie müssten selbst schauen, wo sie ihr Kapital investierten. Das seien wahrlich keine guten Voraussetzungen für hohe Renditen aus der privaten Kapitalanlage.
Den dritten Mythos nennt Fischer denn auch den "Alpha-Mythos" oder "Wie wir lernten, unsere Geldmanager zu lieben". Am Ende hätten doch alle geglaubt, dass aus Geld noch mehr Geld zu machen sei, ohne dass dahinter irgendein produktiver Prozess stehe, irgendein Unternehmen, das mehr Gewinn mache.
Es sei unmöglich, dass im Durchschnitt an den Kapitalmärkten mehr verdient werde, als die Wirtschaft wachse. "Ein Einzelner mag sich einen größeren Teil vom Kuchen abschneiden können, aber nicht die Masse." Ein Alpha, diese gern von der Finanzindustrie erwähnte Überrendite, bleibe daher für große Teile der Sparer unerreichbar. Wer ehrlich zu sich sei, könne aber nicht die Banken allein für die Situation verantwortlich machen. "Jeder hat sie in der Hoffnung auf den immerwährenden Wohlstand darin unterstützt."
Den Glauben an die Geldbranche hat Fischer dennoch nicht verloren. Er ist heute Chef der Beteiligungsgesellschaft RHJ International, die auch für den Autobauer Opel geboten hatte. "Wir werden die Holding über die Zeit in einen Finanzdienstleister verwandeln", sagt er zum Abschluss. An der Quirin Bank ist er mit 20 Prozent beteiligt.