Das Weltwirtschaftsforum von Davos kürte Island zum Land mit der höchsten Frauenpräsenz: Die Hälfte des Kabinetts und knapp die Hälfte des Parlaments sind weiblich. Auch sonst sind Islands Frauen international erfolgreich. Kein Wunder, denn sie stehen unter dem Schutz der Elfen.

Liegt es am Wetter? Liegt es am Protestantismus? Liegt es am Erbe der Wikinger oder an der arktischen Luft? Oder am Polarlicht? Irgendeinen Grund muss es doch haben, dass immer die nordischen Länder so gut abschneiden, wenn man die Frage stellt, in welchem Staat der Welt es die Frauen eigentlich am weitesten gebracht haben.

Messen lässt sich das. Jedes Jahr erstellt das Weltwirtschaftsforum in Davos seine „Gender Gap“-Studie, in der anhand einer Vielzahl von Indikatoren 130 Länder verglichen werden. Der Report untersucht die Präsenz von Frauen in Parlament und Regierung, sie misst den Grad der Berufstätigkeit und die Zahl der Frauen in Vorständen, ihren Anteil in Schulen und Universitäten, und sie bewertet, wie frauenfreundlich die Familienpolitik ist. Seit Jahren schon rangieren dabei Norwegen, Schweden, Finnland und Island auf den ersten Plätzen.

Im jüngsten „Global Gender Gap Report“ landete das kleinste der nordischen Länder jetzt auf dem ersten Platz: Island darf also offiziell als der weiblichste Staat der Welt gelten. Deutschland steht in der aktuellen Studie übrigens auf dem 12. Rang, Jemen auf dem letzten (dem Bericht zufolge werden Frauen besonders in den muslimisch regierten Ländern nach wie vor massiv benachteiligt – aber das ist ein Thema für sich). Am sichtbarsten ist die Präsenz der Frauen in der aktuellen Politik. Nachdem die Koalition von Premierminister Geir Haarde an der Wirtschaftskrise zerbrochen war, bildete Jóhanna Sigurdardóttir eine Übergangsregierung, die bei vorgezogenen Neuwahlen im April 2009 bestätigt wurde. Dabei schickte der Wähler mehr Frauen ins Parlament als jemals zuvor: 27 der 63 Sitze im „Althing“ gingen an weibliche Kandidaten, das sind 43 Prozent. Das Kabinett ist zur Hälfte mit Frauen besetzt.

Mehr Frauen an die Spitze

Und als wolle sie die Frauenquote übererfüllen, trennte sich Jóhanna Sigurdardóttir von ihrem Mann, mit dem sie zwei Söhne hat, und ging eine Eingetragene Lebenspartnerschaft mit der Autorin und Schauspielerin Jónína Leósdóttir ein, die einen Sohn hat. Damit ist Sigurdardóttir die erste offen homosexuelle Regierungschefin der Neuzeit. Isländerinnen sind übrigens immer Töchter von Vätern –„dóttir“ ist immer Teil des Namens. Vatertöchter sind stärker, die Liebe des Vaters beflügelt.

Mehr Frauen an der Spitze – das scheint der Wunsch vieler Isländer zu sein. „Frauen sind vorsichtiger und umsichtiger als Männer“, sagt auch Hrund Steingrímsdóttir, die Tochter eines ehemaligen Regierungschefs. Das lässt sich in Island an einem Beispiel aus der Wirtschaft belegen: Audur Capital, die einzige Firma im isländischen Finanzsektor mit Gewinnen im vergangenen Jahr, wird von zwei Frauen geleitet. Der Wirtschaftskrise konnte die Insel doch nicht entkommen. Es wäre auch zu schön, zu glauben, Frauen machten wirklich alles besser.

Die politische Emanzipation der Isländerinnen hat einen langen Vorlauf. Erstmals auf der Welt zog in Island 1983 eine Frauenpartei in ein nationales Parlament ein, 1915 war das Frauenwahlrecht beschlossen worden. Eine kuriose historische Fußnote: Bis zur Gründung der Republik Island am 17. Juni 1944 war der dänische König Christian X. das isländische Staatsoberhaupt. Daher haben Mitglieder des dänischen Königshauses, die vor dem 17. Juni 1944 geboren sind, auch einen isländischen Vornamen, so auch die aktuelle Königin Margrethe II., die den Vornamen Thórhildur trägt.

Island und Irland haben höchste Geburtenrate Europas

Noch mehr Zahlen: Island hat in Europa den höchsten Frauenanteil bei den Studierenden: 64 Prozent. Einen Spitzenwert erreicht das Land auch bei der Elternzeit von Männern. 90 Prozent der isländischen Väter machen von der Regelung Gebrauch (in Schweden sind es 43 Prozent, in Deutschland fünf). Und Island hat zusammen mit Irland die höchste Geburtenrate Europas. Islands Fußballnationalmannschaft der Frauen gehört zur erweiterten europäischen Spitze, und auf der Insel leben, bezogen auf die Einwohnerzahl, die meisten „Miss World“. Schon dreimal konnte eine Isländerin den Schönheitstitel gewinnen, das ist eine „Miss World“ pro 100000 Einwohner.

Und wo wir schon bei schönen Frauen sind, sollte an dieser Stelle die isländische Sängerin Björk nicht unerwähnt bleiben, übrigens auch eine Investorin bei den Finanzfrauen von Audur Capital, in deren Auftrag sie Spenden zur Rettung der Ökonomie ihres Heimatlandes sammelt. Über die fantastischen, oft folkloristischen Kostüme dieser exzentrischen Sängerin kommt man vielleicht doch noch den Gründen dafür auf die Spur, warum die Frauen in Island so stark sind: Sie werden nämlich von Elfen beschützt.

Das Land der Elfen

Auch heute glaubt man in Island an das „Huldufolk“, für 80 Prozent der Isländer sind Elfen real. Das Land hat sogar eine Art „Elfenbeauftragte“. Die 71-jährige Erla Stefánsdóttir wird bei Infrastrukturprojekten konsultiert oder wenn es dauernd Probleme auf Baustellen gibt. Es kann passieren, dass Probebohrungen zum Stocken kommen, weil sie auf das Huldufolk treffen, die „versteckten Leute“. Längst werden Begegnungen mit Elfen gesammelt und ausgewertet. In Island gelten auch Bodenformationen als Kulturgut, wenn es Überlieferungen gibt, wonach sie von Elfen bewohnt werden.

Zuletzt konnte Stefánsdóttir beim Bau eines großen Autohauses helfen. „Mehrere Leute stürzten vom Gerüst und verletzten sich“, erzählt sie, „die Bauleitung rief mich, und ich entdeckte Elfenhäuser in den Felsen neben der Baustelle. Arbeiter hatten Farbe darauf gekippt, Müll und Baumaterial hingeworfen, es war eine Riesensauerei.“ Auf ihren Rat hin säuberte man die Felsen und hatte fortan keine Probleme mehr. Bei den Ausstellungsflächen für Autos sparte man die Elfenhäuser aus. Heute stehen sie unter Schutz.

Quelle: Welt Online