Um ihren Finanzplatz zu retten, wollen die Eidgenossen nun sogar Steuern auf Schwarzgeld erheben. Dem deutschen Fiskus dürfte dieses Angebot kaum reichen. Denn die Bankkunden sollen weiterhin anonym bleiben. Kommende Woche wollen die Finanzminister Merz und Schäuble über das Angebot sprechen.
Groß ist die Empörung in der Schweiz. Ein Angestellter der Zürcher Kantonalbank hat dem Finanzamt im deutschen Singen Daten von 400 deutschen Kunden zugespielt. Das über Jahre von der gut betuchten Klientel so hoch geschätzte Versteck ist aufgeflogen, das Vertrauen in die Sicherheit Schweizer Konten dahin. Die Eidgenossen fürchten um die Zukunft ihres Finanzplatzes.
Das war 1932. Zwei Jahre später verabschiedete die Regierung ein neues Bankengesetz, das den berühmten Artikel 47 enthält, der für Geheimnisverrat durch Bankbedienstete Gefängnis oder eine hohe Geldbuße vorsieht. Im Jahr 2010 – 76 Jahre später – ist von dem damals geschaffenen Bankgeheimnis nicht mehr viel übrig. Es ist löchrig wie ein Schweizer Käse. Allein in Deutschland haben sich in den vergangenen Wochen Tausende Steuersünder zu erkennen gegeben und Selbstanzeige beim Finanzamt erstattet. Gefängnis vermeiden, straffrei aus der Sache herauskommen, ist ihr einziger Wunsch. Angesichts dieser Fluchtbewegung versucht die Schweiz jetzt wenigstens noch eines zu retten: ihren Finanzplatz.
„Wir haben kein Interesse an unversteuerten Geldern“, sagte Hans-Rudolf Merz diese Woche. Gewagte Worte für einen Schweizer Finanzminister, der nur zu gut weiß, wie es den Schweizern und ihren Banken ohne das unversteuerte Geld gehen würde. Geschätzte 500 Milliarden Euro sind in den vergangenen Jahrzehnten ins Land gekommen, ohne dass das Finanzamt des Absenders davon etwas mitbekam. Das ist jeder achte Euro, der bei den 330 Schweizer Banken zur Verwaltung liegt. Geld, mit dem sich in der Vergangenheit ausgezeichnet arbeiten und viel verdienen ließ.
Es ist noch nicht lange her, da bissen sich die anderen Länder an der sturen Schweiz die Zähne aus. Ein freiwilliger Informationsaustausch über die Bankverbindungen und Kapitalerträge der Kunden? Niemals. Eine Ausweitung der Quellensteuer über reine Zinsgewinne hinaus? Kein Bedarf. Enge Zusammenarbeit mit ausländischen Steuerfahndern? Mit uns nicht. Doch plötzlich stellen die Verantwortlichen im Nachbarland all das selbst zur Disposition. Sogar auf der aus deutscher Sicht spitzfindigen Unterscheidung zwischen Steuerhinterziehung und Steuerbetrug wird nicht mehr unter allen Umständen beharrt – die Steuerhinterziehung ist laut Schweizer Rechtssystem keine Straftat. Nur wenn jemand bewusst falsche Angaben macht, sprich Urkunden fälscht, ist dies verfolgungswürdig.
Zu groß wurde in den vergangenen Monaten der Druck der Amerikaner und der Europäer. Die Schweiz fand sich plötzlich auf der Liste unkooperativer Staaten wieder. Die Verbindung zu wichtigen Handelspartnern drohte verloren zu gehen. Die größte Bank des Landes sieht sich dem Verlust ihrer US-Banklizenz gegenüber, wenn sie nicht freiwillig Daten Tausender Kunden herausrückt. Weitere Nadelstiche folgten. Zuletzt der Kauf der Steuer-CD mit den gestohlenen Kundendaten – und das trotz aller verbaler Drohungen aus Bern und Zürich mit ausdrücklicher Zustimmung der deutschen Bundeskanzlerin. Am Freitag meldeten die Finanzbehörden des Landes Nordrhein-Westfalen den Vollzug, die Steuerfahnder stehen in den Startlöchern.
So stimmt nicht nur der Schweizer Finanzminister mittlerweile Töne an, die vor Kurzem noch undenkbar gewesen wären. „Wenn die Schweiz in Frieden mit dem Rest Europas leben will, müssen auch ausländische Steuerbehörden zu ihrem Recht kommen“, sagte unlängst Konrad Hummler, Präsident der Vereinigung der Schweizerischen Privatbankiers. Auch ein anderer Interessenvertreter der Hochfinanz findet ungewohnte Worte: „Aus unserer Sicht ist es akzeptabel, Amtshilfe für die Besteuerung von Kapitaleinkünften zu leisten“, sagt Martin Maurer, Geschäftsführer vom Verband der Auslandsbanken in der Schweiz. Nur eines wollen die Institute verhindern: Dass es zu einem automatischen Informationsaustausch kommt. Dann könnte nicht mal der Schein eines Bankgeheimnisses gewahrt werden. „Das wäre das Ende des grenzüberschreitenden Geschäftsmodells der Schweizer Banken“, so Hummler.
Und ein nicht ganz egoistisch klingender Punkt wird zur Verteidigung des Bankgeheimnisses gern hinterhergeschoben: Es gebe viele Menschen, die ihr Geld nicht aus steuerlichen Gründen in die Schweiz brächten, sondern weil sie Angst hätten, dass das politische System ihres Heimatlandes kippen könnte und ihr Vermögen willkürlichem Zugriff ausgesetzt sei. Das mag für einige, gerade ältere Kunden, in der Vergangenheit in der Tat ein Argument gewesen sein. Ob es bei der jüngeren Generation noch zieht, ist zweifelhaft.
Die Schweizer Banken haben unter dem Projektnamen „Rubik“ in jedem Fall schon einmal ihre Lösung präsentiert. Eine Abgeltungsteuer auf Kapitalerträge aller Art soll direkt an der Quelle, sprich bei ihnen, erhoben werden. So bleibt das Vermögen dem Fiskus des Kunden weiter verborgen. „Eine grenzüberschreitende Erhebung von Steuern und deren Weiterleitung an die nationalen Behörden ist ein weitreichendes Entgegenkommen“, steckt Maurer noch einmal die Positionen für die Verhandlungen zwischen Bern und Berlin über eine dauerhafte Lösung ab. Die Vorschläge dürften kommende Woche bei einem Treffen von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) mit seinem Berner Amtskollegen Merz für Gesprächsstoff sorgen.
Bislang führt die Schweiz lediglich eine Quellensteuer von derzeit 20 Prozent auf Zinserträge aus Spar- und Anleihegeschäften ab. Dividenden, Kursgewinne oder die Erträge aus Stiftungen sind dagegen bislang außen vor. Die Begeisterung über das aus Sicht der Schweizer Banken großzügige Angebot hält sich in Berlin allerdings in Grenzen. Die Sorge ist, dass mit ganz neuen, bislang unbekannten Finanzinstrumenten diese Regelung umgangen werden könnte. Und eine lückenlose Besteuerung liegt auch dann nicht im Interesse der Banken. Blieben die Kunden weiter anonym, fehlte jede Kontrollmöglichkeit aus dem Ausland.
Auch der andere Vorschlag, die schon angestaubten Milliarden Euro Schwarzgeld durch eine umfassende Amnestie mit einem Pinselstreich in weißes Geld zu verwandeln, trifft auf wenig Gegenliebe – der Schweizer Finanzminister Merz sprach davon, das bei den Banken liegende, unversteuerte Vermögen zu „regularisieren“. Von der Bundesregierung in Berlin heißt es dazu lediglich: „Es gibt keine Neigung zu einer Amnestie.“
Die harte Haltung könnte allerdings nicht mehr als ein taktisches Manöver sein. Denn jede andere Aussage hätte zur Folge, dass die gerade für den deutschen Fiskus so wunderbar rollende Welle der Selbstanzeigen abebbt.
Liechtenstein hat bereits vorgemacht, wie ein solches Amnestieabkommen aussehen könnte. Bis 2015 können Briten ihre Finanzämter über Schwarzgeld in Liechtenstein informieren und die Steuern nachzahlen. Der Clou: Tun sie dies nicht, werden ihre Konten im Fürstentum in fünf Jahren geschlossen. Bei der letzten Steueramnestie in Deutschland fehlte eine solche harte Sanktion. Möglicherweise auch deshalb verlief sie aus Sicht des deutschen Finanzministers größtenteils enttäuschend.