London/Brüssel. Nach dem Skandal um Zinsmanipulationen will die EU-Kommission die Märkte auch in diesem Bereich stärker an die Kandare nehmen. Solche Eingriffe müssten unter Strafe gestellt werden, sagte gestern ein Sprecher des für Finanzmarktreformen zuständigen EU-Binnenmarktkommissars Michel Barnier. Die geplanten Regeln gegen Marktmissbrauch wie Insiderhandel sollten erweitert werden, damit sie auch die direkte Beeinflussung von Referenzzinssätzen wie den Libor umfassten.
Die Behörden unter anderem in Europa und den USA ermitteln derzeit gegen mehr als ein Dutzend Großbanken, darunter auch die Deutsche Bank. Sie gehen unter anderem dem Verdacht nach, dass die Institute den für ihre untereinander vergebenen Kredite maßgeblichen Libor-Zinssatz manipuliert haben. Die britische Bank Barclays hat als erstes Geldhaus in den weltweit laufenden Untersuchungen ein Fehlverhalten einiger Händler eingeräumt und wurde zu einer Strafzahlung von fast einer halben Milliarde Dollar verdonnert.
"Wir müssen die Lektionen aus dem Libor-Fall lernen", sagte Barniers Sprecher. Mit der Aufnahme von Zinsmanipulationen in den Katalog von Straftaten solle ein Schlupfloch in der EU-Gesetzgebung geschlossen werden. Die EU-Kommission verhandelt derzeit mit dem EU-Parlament und den Regierungen der Mitgliedsländer über neue Gesetze gegen Marktmissbrauch, die Mindeststrafen für Vergehen wie Insiderhandel festlegen. Die Gesetze hätten in allen 27 EU-Staaten Gültigkeit, müssen aber vom Parlament und den Regierungen gebilligt werden.
Unterdessen berichtete gestern das "Wall Street Journal", dass die neue europäische Bankenaufsicht die Geschäfte der 25 größten Geldhäuser der Euro-Zone überwachen soll. Geplant ist demnach, die Behörde bei der Europäischen Zentralbank (EZB) anzusiedeln. Sitz solle aber Brüssel und nicht die EZB-Zentrale in Frankfurt sein.
Kleinere Banken sollen demnach unter der Aufsicht der nationalen Behörden bleiben, die aber wiederum von der Zentralbank kontrolliert würden. Allerdings gibt es ausgerechnet innerhalb der EZB-Führung Widerstand gegen die Pläne. So herrscht bei der Bundesbank laut "Wall Street Journal" die Sorge, die EZB könne mit der neuen Kontrollfunktion überfordert sein und ihrer Kernaufgabe - der Sicherung von Preisstabilität - nicht mehr ausreichend nachkommen.