Der Airbus bekommt fünf Schichten Farbe, insgesamt 150 Kilo Lack werden aufgetragen, und tonnenschwere Turbinen werden montiert.
Hamburg. Laute Popmusik aus dem Radio erfüllt die Halle, ebenso ein leichter Farbgeruch. Ein Team von Airbus-Lackierern tut gerade das, was einen Großteil ihrer Arbeit ausmacht: abkleben. Millimetergenau positionieren sie eine Folie in leuchtendem Türkis, die schließlich nur noch die Buchstaben für den Lufthansa-Schriftzug freilässt. Nun kann er in dunkelblauer Farbe aufgesprüht werden.
Insgesamt 150 Kilogramm Lack in fünf Schichten trägt der A321-Jet mit der Seriennummer 4976, wenn er die Halle wieder verlässt. Zwei Lagen Grundierung und drei Deckschichten sind es am Rumpf - oben weiß, unten grau. Alle zusammen sind nur etwa so dick wie ein Haar. "Acht Kollegen brauchen pro Farbschicht 30 bis 60 Minuten, um den Jet von vorn bis hinten zu lackieren", sagt Stefan Thielker, einer der Meister in der Lackierhalle. Das ist eine anstrengende Arbeit; der Schutzanzug und die Atemmaske machen sie nicht leichter. "Der Lack ist elektrisch geladen, damit er gut am Rumpf haftet und nicht wieder abprallt", erklärt Thielker. "Nasen" dürfen sich nicht bilden, denn den Kunden ist das äußere Erscheinungsbild ihrer Flugzeuge sehr wichtig. Damit die Optik zum Firmendesign passt, verwendet man bei Airbus bis zu 20 verschiedene Weißtöne.
Doch der Lack ist im alltäglichen Betrieb auch extremen Beanspruchungen ausgesetzt. So kann die Temperatur bei Start und Landung innerhalb von 20 Minuten ohne Weiteres zwischen 50 Grad Wüstenhitze am Boden und minus 60 Grad in Reiseflughöhe wechseln. Die Lackschicht muss standhalten, wenn der Jet mit hoher Geschwindigkeit durch Hagelschauer oder Sandstürme rauscht, und sie muss sehr elastisch sein: Durch den Druckunterschied zwischen innen und außen wächst der Umfang des Rumpfs beim Steigflug um etliche Zentimeter.
Je nach den Anforderungen der Fluggesellschaft verbringen die Jets fünf bis neun Tage in der Lackierhalle. Am oberen Ende rangieren Maschinen für die österreichische Flyniki, weil sie zwei zusätzliche Schichten Klarlack für einen Metallic-Effekt des silbern glänzenden Rumpfs benötigen. Verglichen damit ist die Gestaltung der Lufthansa-Flieger eher simpel und stellt keine außergewöhnlichen Ansprüche an die Lackierer, anders als etwa die Leitwerke für die chilenische LAN Airlines: Das Muster setzt sich aus einer Vielzahl feinster Streifen zusammen. "Wenn man daran den ganzen Tag arbeitet, flimmert es vor den Augen", so Thielker.
In der Halle auf dem Hamburger Airbus-Gelände ist Platz für vier der Kurz- und Mittelstreckenjets. Außerdem gibt es dort vier Lackierwerkstätten für die Seitenleitwerke, die stets separat ihr Farbkleid erhalten. 180 Beschäftigte arbeiten in vier Schichten rund um die Uhr und an sieben Tagen in der Woche, um die Rate von durchschnittlich rund 18 Flugzeugen im Monat bewältigen zu können - und die Zahl soll noch weiter steigen.
Das ist für die Belegschaft eine Herausforderung. Aber dahinter stehe eine erfreuliche Tatsache, findet Airbus-Manager Manfred Porath: "In den Auftragsbüchern haben wir über 3000 Flugzeuge der A320-Familie, die noch zu produzieren sind. Das ist eine tolle Perspektive für die Mitarbeiter." Porath ist zuständig für alle sechs Endmontagelinien, auf denen die kleineren Airbusse entstehen: drei in Hamburg, zwei in Toulouse und eine in Tianjin (China).
Der Blick zurück nötigt Porath großen Respekt vor den Leistungen seiner Kollegen ab. So dauerte die Endmontage eines Flugzeugs in Hamburg Mitte der 1990er-Jahre nicht weniger als 90 Tage, zehn Jahre später schaffte man das schon in 35 Tagen. Heute beträgt die sogenannte Durchlaufzeit im Werk auf Finkenwerder nur noch 23 Tage.
Porath hat keine Zweifel, dass weitere Verbesserungen möglich sind: "Es gibt immer wieder neue Ideen." Und genau darauf komme es an: "Es geht darum, intelligenter zu arbeiten, und nicht darum, schneller zu schrauben." Denn auf keinen Fall dürfte die Qualität leiden: "Mit unserer A320-Familie erreichen wir eine Abflugzuverlässigkeit von 99,7 Prozent. Daran werden wir gemessen." Die Zahl bedeutet, dass sich im Schnitt nur drei von 1000 Starts wegen technischer Schwierigkeiten um mehr als 15 Minuten verzögern.
Doch durch Änderungen in den Produktionsverfahren werde es möglich sein, die Fertigungsraten künftig weiter hochzufahren, ohne den Zeitdruck auf die Beschäftigten deutlich zu erhöhen. Dafür setzt Porath nicht zuletzt auf deren eigene Initiative: "Die Mitarbeiter haben sehr gute Anregungen, man muss nur zuhören."
Nachdem der Lack getrocknet ist, beginnt für die Airbus-Jets die letzte Produktionsetappe: der Anbau der Triebwerke. Damit wartet man so lange, weil sie so teuer sind - rund 7,5 Millionen Euro pro Stück - und das Kapital sonst unnötig lange gebunden wäre.
An neun Bolzen, jeder nicht einmal drei Zentimeter dick, hängt so ein Kraftpaket. Die Männer, die diese Schrauben festzurren, hantieren mit meterlangen Drehmomentschlüsseln. 680 Newtonmeter müssen sie aufbringen. Zum Vergleich: Zieht man die Radschrauben am Auto an, kommt man mit 110 Newtonmeter aus.
Allerdings wird die Triebwerksaufhängung ungleich stärker belastet. Jeder dieser Düsenmotoren bringt knapp 2,4 Tonnen auf die Waage und entwickelt fast 15 Tonnen Schub, was ungefähr einer Leistung von 20 000 PS entspricht. Für Jets der A320-Familie haben die Kunden die Wahl zwischen zwei Triebwerksherstellern. Die Lufthansa verwendet für ihre A321-Maschinen Antriebe mit einem beachtlichen deutschen Wertschöpfungsanteil: MTU aus München ist neben Pratt & Whitney (USA), Rolls-Royce (Großbritannien) und JAEC (Japan) einer der Partner, die die Motoren des Typs V2500 entwickelt haben und vermarkten. Zudem wird jeder zweite von ihnen in Dahlewitz bei Berlin endmontiert. Die Alternative sind die CFM56-Motoren eines amerikanisch-französischen Gemeinschaftsunternehmens.
Parallel zum Triebwerksanbau, der sechs Stunden dauert, nehmen Airbus-Techniker zusammen mit Lufthansa-Ingenieuren den Jet von innen und von außen noch einmal gründlich unter die Lupe. In der Kabine dürfen jetzt nicht einmal mehr kleine Kratzer sichtbar sein. "Die Lufthansa gehört zu den kritischsten Kunden", sagt Stationskoordinator René Surmont. Meter für Meter wird das Flugzeug inspiziert - alle Frachträume, Fahrwerksschächte, Wartungsklappen. Rund 50 Punkte stehen auf der Prüfliste. Überall dort, wo nichts zu beanstanden war, klebt zur Bestätigung nun ein rundes weißes Siegel.
"Dies ist der Moment, auf den alle hingeplant haben", sagt Surmont. "Ich finde es immer wieder faszinierend, den fertigen Flieger abzugeben." Bis die Lufthansa die A321 abholen kann, wird jedoch noch eine Woche vergehen. Denn schließlich muss sie zuvor auch noch im Flug beweisen, dass wirklich alles funktioniert
Die Flugzeuge der A320-Familie sind das Brot-und-Butter-Geschäft von Airbus; mehr als 4900 dieser Maschinen entstanden seit 1987. Das Abendblatt blickte im Hamburger Werk hinter die Kulissen: In einer fünfteiligen Serie berichten wir über den Bau einer A321 für die Lufthansa. In dem noch folgenden Teil fünf geht es um die Boden- und Flugtests sowie um die Abnahme durch die Lufthansa, nachdem alle Formalitäten zur Übertragung auf den neuen Eigentümer erledigt sind.