Auch Polen, Lettland, Litauen, Rumänien, Bulgarien und sogar Dänemark wollen dem Euro-Plus-Vertrag beitreten.

Ein ungarischer Diplomat hat es am frühen Freitagmorgen sehr, sehr eilig. Gerade erst ist die erste Runde des EU-Gipfels mit der Einigung auf einen eigenen, strengen Reformvertrag für die Euro-Zone nach elf Stunden Verhandlungen zu Ende gegangen, da flitzt der junge Mann durch das Pressezentrum. Nein, Ungarn habe sich keineswegs dagegen entschieden, dem neuen Pakt nicht beizutreten. Die Regierung müsse diesen nur noch prüfen und wolle dann entscheiden. „Wichtig ist: Wir sind nicht Großbritannien“, betont er und zieht weiter.

Besser als mit diesem Zitat lässt sich die Stimmung auf dem EU-Gipfel am Freitagmorgen nicht zusammenfassen, die in dem Verhandlungsmarathon völlig gekippt war. Unmittelbar vor dem EU-Gipfel dominierten noch die kritischen Haltungen kleiner EU-Staaten gegenüber dem deutsch-französischen Plan, unbedingt einen Vertrag für eine stärkere Fiskal- und Stabilitätsunion zu schließen. Aber am Ende beeilten sich fast alle EU-Staaten, nicht alleine dazustehen. Denn alle waren sich ja in Brüssel auch einig, dass die Euro-Zone wieder Vertrauen aufbauen muss, mit scharfer Haushaltsdisziplin und strengen Kontrollen. „Eigentlich war die Situation 26 gegen einen“, beschrieb ein Diplomat mit Blick auf den britischen Widerstand gegen eine EU-Vertragsänderung die Fronten. Wie die Stimmung ist, zeigen selbst die Großbritannien sicher nicht kritisch eingestellten Balten. „Nicht Europa, Großbritannien ist gespalten und steht außerhalb der Entscheidungsprozesse“, betonte etwa die litauische Präsidentin Dalia Grybauskaite am Freitag.

Schon seit Tagen hatten auch deutsche Regierungsvertreter darauf verwiesen, dass die Debatte „17 Euro gegen zehn Nicht-Euro-Staaten“ an der Realität vorbeigehe. Nur Großbritannien und Dänemark haben in der EU ein „Opt Out“ vom Euro, sie müssen also die Gemeinschaftswährung nicht einführen. Alle anderen 25 Staaten haben sich dagegen vertraglich zur Einführung verpflichtet. Weil Staaten wie Polen den Euro auch wollen, ist es aus ihrer Sicht sinnvoll, an dem Euro-Pakt mitzuarbeiten. Das sichert Mitsprache.

Deshalb sagten bereits am Freitagmorgen sechs Staaten zu, dem „Euro Plus“-Vertrag ebenfalls beizutreten: Polen, Lettland, Litauen, Rumänien, Bulgarien und sogar Dänemark trotz seines „Opt Out“. Der Vertrag neben dem EU-Vertrag dürfte deshalb mindestens 23 der 27 Staaten umfassen. Und er hat genau deshalb Spaltkraft, solange ein einziges wichtiges Land wie Großbritannien nicht mitmacht. Der britische Premierminister David Cameron jedenfalls wirkte nach Angaben mehrerer Delegationen immer isolierter, zumal die Nicht-Euro-Länder Dänemark und Schweden auch noch bilaterale Kredite an den IWF ankündigten, damit dieser der Euro-Zone helfen kann. Angesichts des Mangels an Solidarität und Verständnis für die Nöte der Euro-Zone kam nach Angaben von Diplomaten nicht gut an, dass der britische Konservative als Gegenleistung für Vertragsänderungen auch noch weitere Sonderrechte für Großbritannien wie etwa ein Veto gegen künftige Finanzmarktregulierung forderte.

Deshalb sind Spannungen programmiert. Denn mit dem neuen Vertrag wird eine immer weitere Differenzierung bei der Integrationstiefe in der EU sichtbar. Großbritannien gehört auch nicht der Schengen-Gruppe mit ihrem erleichterten Grenzverkehr an, anders die Nicht-EU-Staaten Schweiz und Norwegen. Und Cameron selbst gab den Hinweis, dass sein Land nun noch mehr in eine Defensive-Position geraten könnte. Ein Teil seiner konservativen Abgeordneten strebt ganz aus der EU. Die Londoner City, die den größten Teil des britischen Bruttosozialproduktes erwirtschaftet, fürchtet eine ganze Reihe von Regulierungsrichtlinien, die den wichtigsten europäischen Finanzplatz treffen könnten. Nur dürfte angesichts der britischen Verweigerungshaltung die Neigung der EU-Partner nicht gerade wachsen, Rücksicht zu nehmen. Zudem haben Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy in ihrer Vision für den neuen Euro-Vertrag ausdrücklich betont, dass die neue Gruppe auch bei der Finanzmarktregulierung voranpreschen soll – mit unabsehbaren Folgen für die City. Nur dass die Briten nun nicht mehr mitreden können.

Ausgerechnet Cameron erklärte deshalb nun in Brüssel die EU-Institutionen zu Hütern britischer Interessen und des gemeinsamen Binnenmarktes. Theoretisch könnte die Regierung in London den Euro-Partnern bei der geplanten Nutzung der Gemeinschaftsinstrumente wie Kommission und Gerichtshof für die neue Teilgruppen von EU-Staaten Knüppel zwischen die Beine werfen. Doch der 9. Dezember hat gezeigt, dass man in der EU mittlerweile auch ohne den traditionellen Integrations-Verweigerer voranmarschieren will oder unter dem Druck der Märkte sogar muss. (Reuters/abendblatt.de)