Aufgrund massiver Verzögerungen beim Leitungsbau, könnten sich die deutschen Stromnetze zur Achillesferse der Energiewende entwickeln.

Bonn. Wegen massiver Verzögerung beim Bau neuer Leitungen befinden sich die deutschen Stromnetze am Rande der Belastbarkeit. Sie sind mittlerweile die Achillesferse der Energiewende. Dies geht aus dem Monitoringbericht 2011 der Bundesnetzagentur hervor. Zwölf von insgesamt 24 besonders eilbedürftigen Ausbauprojekten im Stromnetzbereich sind deutlich verzögert. Erst 214 Kilometer von 1807 besonders dringend benötigten Kilometern sind der Bundesnetzagentur zufolge bisher fertiggestellt. Vertreter der Energiebranche warnen seit Monaten vor erhöhten Blackout-Gefahren.

Der Zeitverzug beim Ausbau betrage teils bei bis zu vier Jahren, heißt es in dem Bericht. „Das weiterhin bestehende, hohe Niveau der Versorgungssicherheit mit Elektrizität kann zukünftig nur durch massive Investitionen auf allen Netzebenen gewährleistet werden“, wird hier betont. Die Bonner Behörde bezieht sich in ihrem Bericht auf Stromleitungen, die 2009 im Gesetz für den Energieleitungsausbau als besonders vordringlich eingestuft wurden.

Der Bundesnetzagentur zufolge ist der Neubau der Leitungen dringend geboten. Die bestehenden Netze seien „durch die Vielzahl der in den letzten Jahren zu erfüllenden Transportaufgaben und die Veränderung der Erzeugungsstruktur am Rand der Belastbarkeit angekommen“.

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Das Netz in Deutschland steckt noch im Atomzeitalter, der Fokus liegt auf Großkraftwerken. Diese stehen vor allem in der Nähe von Ballungszentren. Heute wird aber auch vor der Küste oder auf den grünen Wiese Strom produziert, was mehr Flexibilität erfordert. Gerade zwischen Norden und Süden fehlen Stromautobahnen, um künftig Windstrom von der Küste in den Süden zu transportieren, wo große Atomstromkapazitäten wegfallen werden.

Nach Schätzung der Deutschen Energie-Agentur sind bis zu 4450 Kilometer neue Stromautobahnen bis 2020 notwendig, etwa um Windstrom, der vor den Küsten produziert wird, in den Süden zu bekommen. Experten betonen, es gehe auch mit weniger, wenn mehr Windräder im Süden aufgestellt werden, also dort, wo bisher mehr als die Hälfte des Stroms aus Atomkraftwerken kam. Mit einer besseren Steuerung der Lasten und der Verstärkung bestehender Trassen mit leistungsfähigeren Seilen könnte der Ausbaubedarf ebenfalls gemindert werden.

So oder so gibt es einen massiven Bedarf an neuen Verteilnetzen, also Leitungen der unteren Spannungsebenen, um den plötzlich überall produzierten Ökostrom zu verteilen. Wenn aber überschüssiger Ökostrom verstärkt gespeichert werden kann, dürfte dies das Netz entlasten, weil dann nicht mehr bei Sonne und Wind plötzlich viel Ökostrom in das strapazierte Netz hineinströmt. Insgesamt umfasst das deutsche Stromnetz mit allen Ebenen zusammen rund 1,7 Millionen Kilometer. (dpa)