Der Goldhandel floriert in der Hansestadt - ob im Onlineshop oder beim traditionellen Tafelgeschäft. Angst vor Rezession treibt den Preis.
Hamburg. Fast schon herrschaftlich sitzt Münzhändler Achim Becker an seinem großen, mit grünem Leder bezogenen Schreibtisch im Störtebeker Haus in Hamm und reiht Goldmünzen aneinander. Dass Krügerrand, Maple Leaf und 50-Gramm-Barren im Wert von mehr als 20 000 Euro vor ihm liegen, ist für den 64-Jährigen keine Besonderheit. Nicht selten betreut er Investoren, die so nebenbei eine Million Euro in Gold anlegen, denen er in gediegener Atmosphäre Goldbarren überreicht. "Seit einigen Monaten habe ich doppelt so viele Verkaufsgespräche wie vor Jahren", sagt der Hamburger Kaufmann. "Und manchmal, da fühle ich mich wie ein Therapeut. Wird das Ersparte in Gold angelegt, gibt das den Kunden wieder eine gewisse Sicherheit. Edelmetalle verlieren ihre Kaufkraft nicht. Und wenn die Leute das endlich verstanden haben, können sie wieder beruhigt schlafen."
Unsicherheit - sie ist für viele Anleger der ausschlaggebende Punkt, in die Anti-Krisen-Währung Gold zu investieren. Sein Jahreshoch hat Gold zwar hinter sich gelassen, die Nachfrage bleibt aber unverändert stark. Eine Feinunze (rund 31 Gramm) kostete damals im Handelsverlauf 1920,25 Dollar und lag damit über dem alten Rekordwert von 1913,50 Dollar. Experten zufolge treiben die Angst vor einer Rezession der Weltwirtschaft und die Sorge vor einer Eskalation der europäischen Schuldenkrise den Goldpreis in die Höhe. Wer innerhalb der vergangenen zwölf Monate in das Edelmetall investierte, konnte Kursaufschläge von zum Teil mehr als 50 Prozent verbuchen. Auch die derzeitigen Kurseinbrüche seien nicht verwunderlich, wie Joachim Dünkelmann, Geschäftsführer des Bundesverbands der Juweliere (BVJ), bestätigt. "Man darf sich nicht immer nur die Momentaufnahmen anschauen, sondern muss registrieren, dass sich der Goldpreis in den letzten Jahrzehnten nahezu vervierfacht hat. Die Tendenz bleibt weiter steigend."
Im Umkehrschluss bedeutet das: Die geerbte Goldkette der Großmutter oder altes Zahngold kann derzeit zu besonders viel Geld gemacht werden. In Goldannahmestellen herrscht deshalb häufig Ausnahmezustand. Auch eine Rentnerin aus Lokstedt hat sich bei einer Goldankaufstelle in St. Georg in die Schlange eingereiht. Ihren Namen möchte die ältere Dame nicht in der Zeitung lesen, weil es ihr unangenehm ist, den alten Schmuck ihrer Mutter zu Geld zu machen - für einen neuen Fernseher. Mehrere Ringe, Ketten und Zahngold hat sie in einer Plastiktüte mitgebracht und ist nun gespannt, wie viel Geld sie dafür bekommen wird. Eine halbe Stunde später kommt sie aus dem Geschäft. Kritisch wurde der Inhalt ihrer Tüte beäugt, Modeschmuck und unechte Edelsteine wurden aussortiert, das Gold gewogen. Nun freut sie sich über 400 Euro mehr im Portemonnaie. "Da habe ich schon die Hälfte für den neuen Fernseher zusammen", sagt die 74-Jährige. "Und ein schlechtes Gewissen habe ich jetzt eigentlich nicht. Selbst meine Enkeltochter wollte den Schmuck schließlich nicht tragen."
Doch nicht immer gehört ein direkter Kundenverkehr zum Goldgeschäft dazu. Im Goldkontor Hamburg werden bei Axel Potthast rund die Hälfte der Verkäufe direkt im Büro abgeschlossen, Experten sprechen von Tafelgeschäft. "Seit einigen Monaten wird jedoch unser Onlineshop immer wichtiger", sagt der 38-Jährige. "Das kann zwar sehr unpersönlich ablaufen, aber wenn die Kunden es wünschen, ist auch hier eine Beratung möglich." Und es sind nicht nur kleine Mengen an Gold, die in den virtuellen Warenkorb auf der Website gelegt werden können. Das Feingoldinvestorenpaket mit insgesamt 3460 Gramm Gold in Münzen und Barren ist an diesem Tag für 137 654,81 Euro zum Verkauf angeboten.
"Der Preis ist vom Zeitpunkt des Klicks und dem dann aktuellen Kurswert des Goldes abhängig", sagt Potthast. "Liefern wir dann an einem anderen Tag aus, kann das Edelmetall bereits mehr oder weniger wert sein als beim Moment des Kaufs." Barren und Münzen werden dann verpackt und je nach Wert besonders gut versichert verschickt. Damit nichts schiefgehen kann, wird dieser Vorgang gefilmt und von zwei Mitarbeitern durchgeführt.
Doch wie lange wird der Goldrausch noch anhalten? "Der Aufwärtstrend bleibt bei Gold aus unserer Sicht weiterhin intakt", sagt ein Sprecher des Goldhandelshauses pro aurum. Alle Zeichen, etwa Inflationsängste und eine ungebremste Goldnachfrage aus Indien und China würden auf einen weiter steigenden Kurs hindeuten. Manche Experten rechnen damit, dass der Goldpreis bis Ende 2011 auf mehr als 2000 Dollar steigen könnte. Daran glaubt auch Roman Schneider vom Münzenfachhandelsverband. "Wer jetzt verkauft, ist selber schuld."