Markenfilm-Tochter hat das neue, multimediale Besucherzentrum des Europäischen Parlaments im belgischen Brüssel mitgestaltet.
Hamburg. Den 14. Oktober hat sich Oliver Hack ganz dick in seinem Kalender markiert. Mit einer Mischung aus Stolz und Erleichterung wird der Geschäftsführer der Hamburger Firma Markenfilm Crossing an diesem Tag durch das neue Besucherzentrum des Europäischen Parlaments in Brüssel schlendern. Erstmals können Touristen und Einheimische dann das sogenannte Parlamentarium erleben, das die Arbeit der Volksvertreter auf völlig neue Art erfahrbar macht. "Das Parlamentarium ist das größte und technisch aufwendigste Projekt, das wir je realisiert haben", sagt Hack.
21 Millionen Euro hat sich das EU-Parlament das neue Besucherzentrum kosten lassen, das in seiner Größe weltweit nur noch vom Capitol Visitor Centre in Washington übertroffen wird. Mehr als drei Jahre haben die Hamburger Medienprofis unter Federführung des Stuttgarter Ateliers Brückner daran gearbeitet. Herausgekommen ist ein multimediales Wunderland, das so ziemlich alle technischen Mittel einsetzt, um die EU in Szene zu setzen.
"Die Herausforderung bestand vor allem darin, dass wir keine Ausstellungsstücke im klassischen Sinn zur Verfügung hatten", sagt Hack. "Stattdessen mussten wir alle Inhalte selbst erschaffen." So können die Besucher beispielsweise innerhalb eines 360-Grad-Bildschirms Platz nehmen und sich so der Illusion hingeben, mitten im Plenarsaal des Europäischen Parlaments zu sitzen. Debatten und Abstimmungen lassen sich so miterleben.
Ein anderer Saal wird von einer großen Europakarte auf dem Fußboden dominiert. Mit fahrbaren Terminals können die Besucher hier die einzelnen Länder ansteuern und dabei Informationen über die jeweiligen Regionen oder Städte abrufen. Gleichzeitig schwebt über ihren Köpfen eine weitere Europakarte, die sich aus 13 000 Leuchtdioden zusammensetzt. Die dreidimensionale Installation kann ihre Form verändern und so statistische Daten wie die Bevölkerungsgröße der Länder deutlich machen.
Um all die Inhalte zu produzieren, schickte Markenfilm Crossing zwei Filmteams für ein halbes Jahr quer durch die 27 Mitgliedstaaten der EU. Die Teams lieferten nicht nur Landschaftsaufnahmen, sondern interviewten auch deren Bürger. Eine Pilotin erzählt dabei ebenso aus ihrem Leben wie ein Restaurator aus Venedig.
"Besonders aufwendig waren die Dreharbeiten für die 360-Grad-Projektionen", erzählt Konrad Gulla, 32, der für die technische Umsetzung des Projekts verantwortlich war. "Während einer echten Plenarsitzung mussten wir hierfür mit mehreren synchronisierten und speziell ausgerichteten Kameras gleichzeitig filmen." Auch die ersten Vorführungen in dem Rundumkino gestalteten sich schwierig. Die Filme liefen so schnell ab, dass den Zuschauern übel wurde und die Geschwindigkeit verringert werden musste.
Eine weitere Herausforderung: Alle Filme, Texte und Töne der Ausstellung mussten in allen 23 Sprachen der EU gleichzeitig vorliegen. Die Macher ersannen dafür einen umgebauten iPod, der mithilfe von Funketiketten automatisch erkennt, wo sich der Besucher gerade befindet und dann die gewünschten Informationen abspielt.
Den lukrativen EU-Auftrag konnten die Hamburger vor allem wegen der langjährigen Erfahrung der gesamten Markenfilm-Gruppe im Werbefilmgeschäft an Land ziehen. Die Gruppe mit Sitz im schleswig-holsteinischen Wedel ist europäischer Marktführer in diesem Geschäft und produziert klassische TV-Spots für Großkunden wie Mercedes, Saturn, McDonald's oder die Telekom.
"Allein mit den klassischen Werbespots kommen wir heute aber nicht mehr aus", sagt Oliver Hack, der zusammen mit Johannes Bittel und Florian Beisert auch in der Geschäftsführung der gesamten Markenfilm-Gruppe sitzt. Zwar machten die Spots nach wie vor den größten Teil der Gruppenerlöse aus, die sich im vergangenen Jahr auf 52,2 Millionen Euro beliefen. "Die größten Zuwächse verzeichnen wir aber bei Markenfilm Crossing, wo wir uns neben multimedialen Inszenierungen vor allem auf Filme für das Internet spezialisiert haben." Teilweise sei eine Webproduktion heute bereits aufwendiger als der Dreh für einen Kinospot. In diesem Jahr sollen die Umsätze bei der Multimediatochter im zweistelligen Prozentbereich zulegen, während sich die Erlöse der gesamten Gruppe stabil entwickeln.
Wegen des starken Wachstums ist Markenfilm Crossing gerade dabei, vom Hafen in ein neues Domizil im Schanzenviertel umzuziehen. Am Neuen Pferdemarkt residiert das Unternehmen künftig zusammen mit anderen Tochterfirmen der Gruppe in einer von Grund auf sanierten, ehemaligen Pferdeklinik. In den Büros der Kreativen sind an einigen Stellen sogar noch die alten Tröge für die Tiere zu sehen.
Der Standort am Neuen Pferdemarkt soll nach Hacks Worten auch als Stadtbüro für die gesamte Markenfilm-Gruppe dienen, eine komplette Verlagerung des Firmensitzes von Wedel nach Hamburg sei aber nicht geplant. Rund 45 der insgesamt 160 fest angestellten Mitarbeiter der Gruppe werden künftig im Schanzenviertel arbeiten. Aufgrund der positiven Entwicklung soll die Zahl der Beschäftigten bis Anfang 2012 um 15 weitere steigen.