EZB-Chef verteidigt Aufkäufe von Staatsanleihen. Wirtschaftsminister Rösler fordert neuen Stabilitätspakt für die Euro-Zone
Berlin/Paris. Der Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB) hat gestern den Aufkauf spanischer und italienischer Staatsanleihen zur Stützung der Märkte verteidigt. "Es ist die schwerste Krise seit dem Zweiten Weltkrieg", sagte Jean-Claude Trichet dem französischen Rundfunksender Europe 1. Die seit drei Jahren andauernden und von dem Zusammenbruch der US-Investmentbank Lehman Brothers ausgelösten Turbulenzen auf den Finanzmärkten sind nach Einschätzung des EZB-Chefs ein historisches Ereignis.
Durch die Vielzahl der Abwehrmaßnahmen ist nach Meinung des 68-Jährigen noch Schlimmeres verhindert worden. "Wenn nicht alle Verantwortlichen gemeinsam sehr wichtige Entscheidungen getroffen hätten, hätte das auch die schwerste Krise seit dem Ersten Weltkrieg werden können", sagte Trichet. Er spielte damit auf den Zusammenbruch der New Yorker Börse 1929 an. Der "Schwarze Freitag" löste eine Weltwirtschaftskrise aus.
Von den Staats- und Regierungschefs forderte Trichet, dass die beim Euro-Gipfel am 21. Juli getroffenen Entscheidungen "beschleunigt" und so schnell wie möglich umgesetzt werden müssten. Dabei geht es unter anderem um den neuen europäischen Rettungsfonds EFSF, der auch im Notfall Anleihen von Krisenstaaten kaufen soll. Den Gipfelbeschlüssen müssen die nationalen Parlamente noch zustimmen.
Trichet bestätigte zwar nicht direkt, dass die EZB Anleihen aus Spanien und Italien aufkauft, sondern sagte lediglich, die Bank sei auf dem Sekundärmarkt aktiv. Die Entwicklung der Zinsen zeigte jedoch, dass die EZB Schuldverschreibungen beider Länder vom Markt nimmt. Der Zinssatz für spanische Papiere mit einer zehnjährigen Laufzeit sank gestern auf weniger als fünf Prozent. In der vergangenen Woche hatte er noch bei 6,5 Prozent gelegen. Auch der Zinssatz auf italienische Anleihen fiel um mehr als einen Prozentpunkt auf 5,1 Prozent. Am Montag will die EZB bekannt geben, wie viele Staatsanleihen sie aufgekauft hat.
Die Bundesregierung setzt sich laut Wirtschaftsminister Philipp Rösler für die Schaffung eines Stabilitätsrates im Euro-Raum ein. "Wir brauchen einen neuen Stabilitätspakt für den Euro", forderte der FDP-Politiker. Damit solle die Stabilität der gemeinsamen Währung längerfristig abgesichert werden. Sein Vorschlag sehe die Schaffung eines Stabilitätsrates zur Überwachung der Haushaltssolidität, eine Schuldenbremse für alle Euro-Staaten und Tests für die Wettbewerbsfähigkeit der Länder vor. Bei Letzteren soll etwa die Flexibilität der Arbeitsmärkte überprüft werden. Falle ein Staat durch, müsse er sich auf Konsequenzen einstellen.
Entscheidendes Instrument sei der Stabilitätsrat: Er solle Sanktionsmöglichkeiten erhalten, die unabhängig von aktuellen politischen Entscheidungslagen verhängt werden könnten. So solle der Rat die Möglichkeit haben zu entscheiden, wo das betroffene Land Mittel aus dem europäischen Strukturfonds investiere. Rösler wolle beim Wettbewerbsrat der EU am 28. und 29. September in Breslau seinen Länderkollegen die Vorschläge erläutern.