Hamburger Unternehmen schließen sich zur Filialkette mit 57 Bars zusammen
Hamburg. Für Vanessa Kullmann hat sich das Leben grundlegend verändert. Es ist gar nicht so lange her, da eilte die Inhaberin der Balzac-Coffeeshops von Termin zu Termin, überzeugte den britischen Investor Granville Baird, ihre Expansion zu finanzieren, und gewann als eine der Trendsetterinnen in Sachen Kaffeebars den Hamburger Gründerpreis.
Inzwischen sind Coffeeshops in Deutschland so zahlreich wie die Kaffeesorten. Wer noch "schwarz" trinkt, gilt als old-fashioned. Kännchen waren früher. Vanessa Kullmann ist zwischenzeitlich in die USA gezogen, allerdings nicht wegen einer neuen Geschäftsidee, sondern aus Liebe. Mit ihrem amerikanischen Ehemann, einem Drehbuchautor, lebt die Unternehmerin, die kürzlich Mutter geworden ist, in New York. Immerhin hatte die Hamburgerin sich dort auch die Idee der Coffeeshops abgeschaut, übrigens ein Mitbringsel der italienischen Einwanderer in die Neue Welt. 1998 eröffnete Kullmann die erste Filiale an den Colonnaden. Der Boom, den die Hanseatin und zahlreiche Wettbewerber wie Starbucks oder Coffee Fellows befeuerten, zwingt die Branche, die Pappbecher gesellschaftsfähig machte, heute zur Veränderung.
Balzac Coffee führen die Umwälzungen im Markt jetzt in eine Fusion. Die Kette schlüpft mit der Ende der 1990er-Jahre ebenfalls in Hamburg gegründeten World Coffee Company unter ein gemeinsames Markendach. Das fusionierte Unternehmen Balzac Coffee Company wird künftig 57 Kaffeebars in 18 Städten betreiben. "Das neue, gemeinsame Unternehmen hat jetzt eine Größe und eine Marktposition, die eine gute Ausgangsbasis für die weitere Entwicklung bieten", sagt Kullmann über die Zukunft der Gruppe. Innerhalb der Balzac Coffee Company wird die Betriebswirtin fortan im Beirat tätig sein und die "Unternehmensausrichtung aktiv mit gestalten", heißt es in einer Mitteilung. Als Geschäftsführer sollen Christian Schwake und Anil Sundri, die bisherigen Chefs von World Coffee und Balzac, die Konkurrenten in ihre Schranken weisen. Die Zahl von bisher zusammen 800 Mitarbeitern wollen sie nicht antasten.
Vanessa Kullmann soll bereits seit Längerem einen Verkauf oder eine Fusion ihrer Kaffeekette angestrebt haben, um sich mehr auf ihre Familie in den USA konzentrieren zu können. Gespräche etwa mit der Hamburger Campus Suite hätten wegen unterschiedlicher Vorstellungen über die Strategie aber nicht zu einer Einigung geführt.
Das neue Gemeinschaftsunternehmen basiert hingegen auf verwandten Philosophien seiner Gründungsfirmen. World Coffee und Balzac Coffee wollen ihre Shops nun sukzessive auf ein neues, gemeinsames Label umstellen und das Netz der Kaffeebars weiter ausbauen. Insbesondere in Hamburg, wo die beiden Kaffeepioniere bisher knapp 20 Shops betreiben, sollen die Kunden bereits in ein bis zwei Monaten mit einem sehr viel moderneren Outfit der Läden überrascht werden. Die beiden Partner setzen mit einer eigenen Rösterei und Bäckerei zudem stärker auf selbst gemachte Kaffeespezialitäten und Snacks.
Die Konzentration auf eigene Produktion erhöht die Marge, und die ist wegen der zuletzt stark gestiegenen Preise für Kaffee stark unter Druck geraten. Die Coffeeshops, aber auch Anbieter wie Tchibo oder die McDonald's-Schöpfung McCafe leiden allesamt unter den hohen Kosten. Von Anfang 2010 bis heute sind sie für die Sorten Arabica und Robusta um mehr als 60 Prozent gestiegen. Schuld daran sind etwa Missernten, Spekulationen und die gestiegene Nachfrage aus den Schwellenländern. Durch die Fusion glaubt sich die Balzac Coffee Company nun besser in der Lage, solche Preiserhöhungen an den Rohstoffmärkten kompensieren zu können. Die Preise für die Kunden sollen jedenfalls vorerst nicht steigen.
Dennoch sind die Rohstoffpreise längst nicht die einzige Herausforderung für die neue Gesellschaft, die einen Gesamtumsatz von 23 Millionen Euro erzielen soll: Neue Konkurrenz drängt auf den Markt, Burger King will offenbar einen zweiten Versuch starten, in der Branche Fuß zu fassen. Zudem scheidet mit der Verschmelzung Granville Baird als Gesellschafter aus. Vanessa Kullmann bleibt mit rund einem Drittel beteiligt, und wird daher nach wie vor großes Interesse an der Vitalität der Firma haben. Einen Trost gibt es für den Fall, dass sich die Unternehmerin doch häufiger in der Heimat um ihre Firma kümmern muss: Ihr Mann liebt deutsches Frühstück und Schwarzbrot.