Deutschland-Chef Butschek beharrt im Interview auf 20 Prozent Zeitarbeitern. IG Metall will bis 2020 Standort- und Beschäftigungssicherung.
Hamburg. Der Streit bei Airbus um den Einsatz von Zeitarbeitern nimmt an Schärfe zu. Nachdem die Gewerkschaft IG Metall offen mit Streiks gedroht hatte, sollte Hamburgs größter Arbeitgeber den Anteil der Zeitarbeiter von aktuell 20 Prozent nicht herunterfahren, verteidigt der neue Airbus-Deutschland-Chef Günter Butschek diese Quote nun in seinem ersten großen Interview.
+++Das komplette Interview mit Günter Butschek+++
"Airbus hat nicht zu viele Zeitarbeiter. Mit rund 20 Prozent Flexibilität zu arbeiten halte ich nicht für übertrieben, sondern für einen vernünftigen Ansatz", sagte Butschek, der auch Produktionsvorstand im Konzern ist, dem Abendblatt. Airbus setze seine Zeitarbeiter zudem nicht zur Kostensenkung ein, sondern sie erhielten das gleiche Gehalt wie ein fest angestellter Beschäftigter. Es gehe dem Unternehmen allein darum, auf Schwankungen im Geschäft reagieren zu können.
Die IG Metall will ihrerseits einen sogenannten Zukunftstarifvertrag für Airbus erreichen, der festschreibt, dass im Schnitt 85 Prozent der an deutschen Standorten jährlich anfallenden Arbeit durch die Stammbelegschaften geleistet werden muss. Für dieses Ziel waren erst vor rund eineinhalb Wochen etwa 10 000 Beschäftigte des Flugzeugbauers in ganz Deutschland auf die Straße gegangen. Derzeit sind bei Airbus in Hamburg 12 800 Personen fest angestellt, hinzu kommen laut Gewerkschaft 3600 Leihkräfte. Nach den Vorstellungen der IG Metall soll Airbus künftig Leihkräften, die mehr als 24 Monate im Unternehmen tätig sind, einen festen Vertrag anbieten. Noch sei es keine Seltenheit, dass Beschäftigte fünf oder sechs Jahre bei dem Flugzeugbauer arbeiteten, ohne eine feste Anstellung zu bekommen.
Zudem will die IG Metall eine Standort- und Beschäftigungssicherung bis 2020 durchsetzen. Diese gilt derzeit bis 2012. Doch auch in diesem Punkt zeigt sich Butschek wenig kompromissbereit. Er könne zwar die Diskussion in der Belegschaft über eine längere Beschäftigungssicherung verstehen, doch seien die Risiken, denen der Flugzeugbauer ausgesetzt sei, zu groß, um sich über einen zu langen Zeitraum bei Arbeitsplätzen und Standorten festzulegen. So habe es in den vergangenen Jahren "massive Veränderungen in der Weltwirtschaft" gegeben. Auch die wirtschaftlichen Folgen der jüngsten Naturkatastrophen oder die politischen Umbrüche in Nordafrika hätten gezeigt, wie fragil das Geschäft mit Flugzeugen sei. Solche Ereignisse könnten die Weltwirtschaft bremsen und den Auftragsbestand bei Airbus schnell abschmelzen lassen. "Ein volles Auftragsbuch ist kein Ruhekissen", sagte Butschek.
Die seit mehr als einem Jahr laufenden Gespräche über den Zukunftstarifvertrag gestalten sich äußerst kompliziert. Das Unternehmen fordert laut IG Metall, die Produktivität in jedem Jahr um weitere fünf Prozent zu steigern. Werde dieses Ziel nicht erreicht, wolle Airbus das Urlaubs- oder Weihnachtsgeld kürzen. Die IG Metall hatte jüngst von einer "Provokation" seitens der Unternehmensleitung gesprochen und mit ersten Warnstreiks im Herbst gedroht.
Der hohe Anteil der Zeitarbeit ist nicht nur bei Airbus, sondern auch in vielen anderen Betrieben und Branchen ein kontrovers diskutiertes Thema. Nach aktuellen Prognosen dürfte es in diesem Jahr erstmals mehr als eine Million Zeitarbeiter in Deutschland geben. Während die Firmen sich über die flexiblen Arbeitskräfte freuen, sprechen Gewerkschafter von Beschäftigungsverhältnissen "zweiter Klasse".