Vor allem für Luftfahrtfirmen und Krankenhäuser ist die Personalsuche schwierig. Gerade für technische Berufe fehlt es an Fachkräften.

Hamburg. Seit Monaten stapeln sich die Anfragen nach Flugzeugmechanikern bei Stegmann Aircraft Maintenance. "Wir könnten sofort 50 Mechaniker in der Hansestadt vermitteln, wenn wir sie denn hätten", sagt Susanne Lipka, Mitarbeiterin in der Personalbeschaffung der Hamburger Zeitarbeitsfirma. Doch die Fachleute, vor allem mit Berufserfahrung, sind nicht zu bekommen. Bei Luftfahrtfirmen in Hamburg dauert es im Schnitt 160 Tage, bis eine offene Stelle wieder besetzt werden kann - das ist der Spitzenwert in der Hansestadt. Und bei den Stellen für Krankenschwestern, Pfleger und Hebammen sieht es mit 150 Tagen kaum besser aus. Die Zahlen finden sich in einer aktuellen Statistik der Arbeitsagentur Hamburg, die dem Abendblatt exklusiv vorliegt.

Zwar geht die Arbeitslosigkeit in der Stadt seit Februar kontinuierlich zurück. Doch das Problem für die Firmen in Hamburg: 97 Tage benötigen sie im Schnitt, bis sie einen ausgeschriebenen Arbeitsplatz wieder besetzen können. Ein Wert, der weit über dem bundesweiten Durchschnitt von 58 Tagen liegt. Gerade für technische Berufe fehlt es an der Elbe an qualifizierten Kräften. Davon ist nicht nur die Luftfahrtindustrie betroffen. Ob Schweißer, Feinblechner oder Schlosser - der Bedarf ist über alle Branchen hinweg groß. Die Zeit, bis eine Firma die vakante Stelle besetzt, kann lang werden. Um den Fachkräftemangel einzudämmen, müssten junge Leute künftig noch früher auf Berufe mit Karrierechancen hingewiesen werden, sagt Hamburgs Arbeitsagentur-Chef Sönke Fock dem Abendblatt. "Das muss in den Schulen mit Praktika und Hospitationen bei Firmen beginnen. Studenten kann angeboten werden, Seminar- und Diplomarbeiten in den Betrieben zu schreiben."

Doch der Hamburger Arbeitsmarkt weist noch eine zweite Besonderheit auf: So finden Zigtausend Erwerblose mit einer einfachen Ausbildung keine Stelle, obwohl bei der Arbeitsagentur für ihre Berufe freie Jobs in der Kartei stehen. Im Einzelhandel sind derzeit mit mehr als 5500 Verkäufern die meisten Arbeitnehmer in der Hansestadt arbeitslos gemeldet. Dagegen stehen immerhin 390 offene Stellen.

"Nicht jeder Verkäufer passt in ein Geschäft, das gerade neue Mitarbeiter sucht. Die Branche reicht vom Fleischereiverkäufer bis zum Computerspezialisten", erklärt der Geschäftsführer des Einzelhandelsverbandes, Wolfgang Linnekogel, das Problem. Die Gewerkschaft Ver.di sieht das ganz anders. Aus ihrer Sicht würden die Arbeitgeber oft Teilzeitjobs anbieten, mit denen die Beschäftigten nicht ausreichend Geld verdienen könnten. "Nur ein Fünftel der 22 948 Teilzeitzeitstellen sind sozialversicherungspflichtig. Teilweise müssen zusätzlich noch Hilfen nach Hartz IV beantragt werden", sagt Arno Peukes, Landesfachbereichsleiter Handel von Ver.di in Hamburg. "An solchen Jobs sind viele nicht interessiert, weil sie mit dem Einkommen eine Familie gar nicht ernähren können", ergänzt Arbeitsagenturchef Fock. Fakt ist: Die Zahl der Teilzeitstellen ist zuletzt in Hamburg mit 3,3 Prozent stärker gestiegen als die der Vollzeitjobs. So arbeiten knapp 20 Prozent der 832 000 Beschäftigten in der Stadt in Teilzeit.

Hamburg erwirtschaftet jährlich 720 Millionen Euro zu wenig

Nicht nur die mehr als 70 000 Erwerbslosen und viele Unternehmen stellt die Situation auf dem Hamburger Arbeitsmarkt vor Probleme. Nach Berechnungen des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) ergibt sich für Hamburg ein gravierendes volkswirtschaftliches Problem. Denn wegen der fehlenden Spezialisten und der nicht besetzten Arbeitsplätze wurden in der Stadt allein 2010 rund 720 Millionen Euro weniger erwirtschaftet als bei einer durchschnittlichen Suchphase von 58 Tagen wie auf Bundesebene. IW-Experte Oliver Koppel ist sich sicher: "Das Wachstum hätte bei besseren Bedingungen im vergangenen Jahr in Hamburg bei 5,1 Prozent gelegen." Es waren aber nur 4,5 Prozent.

Die Liste der offenen Stellen in Hamburg