Schneller als erwartet: Die schärferen Regeln für strafbefreiende Selbstanzeigen kommen in zwei Stufen. Die erste greift schon Mitte April.
Draufgängerische Kreativität ist wohl so ziemlich die letzte Eigenschaft, die man den Beamten des Finanzministeriums zutraut. Und doch: der Kunstgriff, den der Gesetzgeber gewählt hat, um Steuersünder noch stärker unter Zeitdruck zu setzen, ist bemerkenswert. Er hat schlicht den Augenblick, ab dem schärfere Regeln für eine Selbstanzeige greifen werden, nach vorne verlegt. Ab Mitte April wird es stufenweise enger für jeden, der bereits getätigte Angaben aus der Steuererklärung berichtigen will.
Der Zeitplan, die strafbefreiende Selbstanzeige zu erschweren, ist eng gesteckt. Am 15. April 2011 soll Bundespräsident Christian Wulff das Gesetz zur Verbesserung der Bekämpfung von Geldwäsche und Steuerhinterziehung unterzeichnen. Am Tag zuvor, so sieht es die Agenda vor, wird es den Bundesrat passieren. Damit eine solche Regelung wirksam wird, bedarf es – im Normalfall – dann noch der Bekanntmachung. Nicht ganz so diesmal: Ihre volle Wirkung entfaltet die Neuregelung zwar erst mit ihrer Verkündung im Gesetzblatt – so will es Artikel 82, Absatz 1, Satz1, Grundgesetz. Doch in diesem Fall bestimmt das Änderungsgesetz selbst, dass bereits die Unterschrift des Bundespräsidenten auf dem Papier eine andere, absolut unübliche Wirkung hat.
Ab diesem Zeitpunkt gilt nicht mehr die vergleichsweise laxe, jetzt noch gültige Regelung der Selbstanzeige. Fürs Weißwaschen von Schwarzgeldern müssen dann erstmals die Kriterien eingehalten werden, die der Bundesgerichtshof (BGH) in einem Urteil am 20. Mai 2010 aufgegeben hat.
Bisher gestanden viele Steuerstraftäter nur scheibchenweise ihre Hinterziehungen – zumeist je nachdem, wie hoch ihnen das Entdeckungsrisiko eben gerade erschien. Ein Nachteil gegenüber ehrlichen Steuerzahlern entstand ihnen nicht. Um diesen Missstand auszumerzen, sprach der BGH Ende Mai 2010 ein Machtwort: Eine Strafbefreiung dürfe nur dann möglich sein, wenn der Täter auf den Weg der Steuerehrlichkeit zurückkehre! Es reiche keinesfalls, wenn ein Steuerhinterzieher von mehreren heimlichen Auslandskonten nur die offenbare, deren Aufdeckung er gerade fürchte. Er müsse vielmehr hinsichtlich aller Konten reinen Tisch machen.
Diese Auslegung des heute noch gültigen alten Gesetzes gilt ab der Unterzeichnung des neuen Gesetzes – und nur bis zur Verkündung. Wie lange es dauert, bis es die Neureglung vom Tisch des Bundespräsidenten in die Druckerei des Bundesgesetzblattes schafft, kann niemand sagen – manchmal werden Gesetze noch am selben Tag verkündet, manchmal dauert es Wochen. Ziel des Gesetzgebers ist es, Steuersünder möglichst schnell zum Einlenken zu bewegen. Um das zu erreichen, schlägt er ungewohnte Pfade ein.
Praktiker sehen durch diese zeitliche Unwägbarkeit Probleme auf viele zukommen, die nachdeklarieren wollen. „Wer mit dem Gedanken spielt, Selbstanzeige beim Finanzamt zu erstatten, sollte das schnellstmöglich machen“, sagt Rechtsanwältin und Steuerberaterin Eva Hunold-Schmelzer von der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Warth & Klein Grant Thornton. Bis Mitte April noch gibt es Strafbefreiung zu bisherigen Bedingungen.
An drei Punkten hat der Gesetzgeber nachgeschärft: Teil-Selbstanzeigen sind bisher noch möglich. Wer nur für ein Jahr nachdeklariert hat oder erst mal nur eines von mehreren Schwarzkonten gesteht, dem kann das Finanzamt dafür heute keinen Strick daraus drehen, wenn später weitere Geheimkonten auffliegen. Der Täter muss bisher nur für den neu entdeckten Teil eine Strafe fürchten.
Auch einen Strafzins für Großhinterzieher kennt das Gesetz in seiner heutigen Fassung nicht. Zukünftig jedoch müssen alle, die dem Staate in großem Stile Steuern vorenthalten, mit einem Zuschlag rechnen. Wegen seiner sanktionierenden Wirkung ist der Zins verfassungsrechtlich umstritten, wird aber Steuerrealität: Wer mehr als 50.000 Euro nachträglich zu offenbaren hat, muss fünf Prozent auf den zuvor „verkürzten“ Steuerbetrag inklusive Zinsen zahlen.
Wichtig für alle Selbstständigen ist, dass eine strafbefreiende Selbstanzeige zukünftig nur noch bis zur Ankündigung einer Betriebsprüfung möglich ist. Bisher kann noch bis zu dem Zeitpunkt nachgebessert werden, in dem der Prüfer die Schwelle der Haustür übertritt.
Diese Regelungen treten jedoch nicht auf einmal, sondern in zwei Stufen in Kraft. Und wie lange die erste Stufe dauern wird, ist unklar: Zwischen Ausfertigung und Verkündung, also Unterschrift des Bundespräsidenten und Veröffentlichung im Gesetzblatt, gilt die Rechtsprechung des BGH. Damit haben zunächst Teilselbstanzeigen keine strafbefreiende Wirkung mehr. Wessen Selbstanzeige in dieser Stufe beim Finanzbeamten ankommt, muss für die betreffenden Jahre absolut vollständige Angaben machen. Ein Nachkorrigieren von Fehlern in der Steuererklärung ist ab dann nicht mehr möglich.
Wessen Selbstanzeige dem Finanzbeamten erst nach Verkündung des Gesetzes zugeht, der fällt unter eine noch striktere Regelung. Pro Steuerart kann dann nur noch einmal nachdeklariert werden. Alle unverjährten Steuerstraftaten einer Steuer, zum Beispiel Einkommensteuer oder Umsatzsteuer, müssen daher absolut vollständig offenbart werden – egal, wie lange sie zurückliegen. De facto betrifft das alle Steuerstraftaten der vergangenen zehn Jahre. Wer beispielsweise bei der Einkommensteuer nachdeklariert, muss alle Einkünfte angeben, sowohl aus Kapitalanlagen als auch Verpachtung oder Miete.
Als nicht gelungen gilt die neu geregelte Wirkung der Betriebsprüfung: Experten schätzen sie als praxisfremd ein. Löste bisher die Ankündigung einer Steuerprüfung bei vielen Tätern Panik aus und bewog zu einer Selbstanzeige, ist nun mit der Vogel-Strauß-Taktik zu rechnen. Steuerhinterzieher werden nun schlicht darauf hoffen, nicht ertappt zu werden. Einen angsttreibenden Faktor hat der Staat durch die Neuregelung aus den Händen gegeben.