Oben kommt der Aufschwung an: Die Dax-Vorstände verdienen im Schnitt 2,7 Millionen Euro – das sind 18 Prozent mehr als im Vorjahr.

Auf den Hauptversammlungen der vergangenen Wochen haben die Firmenlenker das Ende der Bescheidenheit eingeläutet: 2010 war ein gutes Jahr für die deutsche Wirtschaft – und für die Vorstände der Dax-Unternehmen erst recht. Die Durchschnittsgehälter der obersten Manager sind in fast allen Unternehmen der obersten deutschen Börsenliga gestiegen. Teilweise gab es bemerkenswerte Sprünge. In manchen Fällen haben sich die Saläre sogar verdoppelt.

Quer über alle Unternehmen hinweg verdiente ein Dax-Vorstand im vergangenen Jahr 2,7 Millionen Euro – das sind gut 18 Prozent mehr als 2009. Damals hatten die Dax-Vorstände im Schnitt noch 2,28 Millionen Euro mit nach Hause genommen.

Diese Beträge gehen aus den Geschäftsberichten der Großkonzerne hervor. Die „Welt am Sonntag“ hat die Zahlenwerke in den vergangenen Wochen genau untersucht (siehe Kasten). Finanziell lohnt es sich demnach am ehesten, Vorstand bei der Deutschen Bank zu sein. Die Mitglieder des obersten Führungsgremiums bei dem Kreditinstitut erhielten im Durchschnitt pro Kopf 4,92 Millionen Euro. Dahinter folgen die Vorstände von Siemens mit 4,89 Millionen Euro, von VW mit 4,58 Millionen Euro und Daimler mit 4,39 Millionen Euro.

Am unteren Ende der Dax-Skala liegt Beiersdorf, dessen Vorstände pro Nase nur 864000 Euro bekommen. Dahinter rangiert nur noch die Commerzbank. Allerdings ist das Institut mit den anderen Dax-Unternehmen nicht vergleichbar: Es wurde in der Finanzkrise mit Staatsgeld vor der Pleite gerettet, und solange der Staat Anteilseigner ist, sind die Gehälter der Vorstände bei einer halbe Million Euro gedeckelt.

Besonders stark zugelegt demgegenüber haben die Saläre der Vorstände von MAN, ThyssenKrupp, Lufthansa und Infineon: Ihre Durchschnittsvergütungen haben sich mehr als verdoppelt. Die Manager von MAN nehmen sogar fast dreimal mehr als im Vorjahr mit nach Hause: Die Geschäfte des Fahrzeug- und Maschinenbauers laufen wieder besser, nach einem Verlust von 331 Millionen Euro im Geschäftsjahr 2009 machte MAN 2010 einen Gewinn von 1,125 Milliarden. Die Ausschüttung an die Aktionäre versiebenfachte sich.

MAN-Chef Georg Pachta-Reyhofen und die anderen Vorstandsvorsitzenden haben besonders von dem wirtschaftlichen Aufschwung profitiert: In vielen Fällen hat sich die Vergütung der obersten Manager verdoppelt. Der Vorstandsvorsitzende eines Dax-Unternehmens verdiente 2010 durchschnittlich 4,22 Millionen Euro und damit gut 56 Prozent mehr als ein durchschnittlicher Vorstand. Der Spitzenverdiener unter den obersten Herren der deutschen Aktiengesellschaften war im vergangenen Jahr Martin Winterkorn, der Vorstandsvorsitzende von Volkswagen. Der Manager strich insgesamt 9,33 Millionen Euro ein, rund doppelt so viel wie seine Vorstandskollegen.

Warum wer wie viel verdient, ist allerdings auch auf den zweiten Blick schwer erkennbar. Verschwiegenheit und komplizierte gesetzliche Vorgaben sorgen dafür, dass selbst Experten oft nur unter Mühen nachvollziehen können, wie viel die Dax-Chefs erhalten. Was die Chefs mit nach Hause nehmen, bemisst sich an komplizierten Finanzkennzahlen. Beispielsweise sind zunehmend auch die langfristigen Aussichten der Unternehmen entscheidend dafür, was die Männer an der Spitze verdienen.

Auch der Gesetzgeber hat seine Finger im Spiel: Das neue Gesetz zur Angemessenheit der Vorstandsvergütungen deckelt Bonuszahlungen an die Manager. Weil die ihre Belohnungen aber ungern aufgeben, wird die Vergütung immer komplexer. Deshalb ist auch Josef Ackermann im diesjährigen Vergütungs-Ranking zurückgefallen. Im Geschäftsjahr 2009 war er noch der am besten verdienende Dax-Vorstandsvorsitzende, in diesem Jahr landete er nur auf Platz sechs. Der Grund: Die Deutsche Bank hat im Jahr 2010 die Bezahlung ihrer Vorstände geändert.

Für Ackermann geht es dabei um 2,53 Millionen Euro, die er statt 2010 erst in einigen Jahren erhält. Würde man die bei der Berechnung seiner Gesamtvergütung berücksichtigen, steigt sie auf 8,99 Millionen Euro, und Ackermann würde von Platz sechs auf Platz zwei vorrücken. Auf dem Papier wurde er in diesem Jahr auch von seinem möglichen Nachfolger Anshu Jain überholt: Der smarte Investmentbanker verdiente nämlich 7,63 Millionen Euro.

Das Beispiel Deutsche Bank zeigt: Einfache Zusammenhänge gibt es bei den Gehältern nicht mehr. Der Vergleich zwischen einer Firma und der anderen, zwischen einem Jahr und dem anderen wird dadurch schwieriger. Ein Stück weit ist das von den Konzernlenkern sicher auch gewollt. Der Gewinn des Unternehmens, die Ausschüttungen an die Aktionäre und die Entwicklung des Aktienkurses sind zumindest keine verlässlichen Indikatoren mehr dafür, was die Chefs kassieren.

Beispiel BMW: Das operative Ergebnis des Münchener Autobauers ist im zurückliegenden Geschäftsjahr um fast ein Fünftel geschrumpft. Die Manager der obersten Etage merken davon allerdings in ihrer Brieftasche wenig: Die Vorstände bekamen im Schnitt 50 Prozent mehr. Verkehrte Welt auch bei der Deutschen Telekom: Sie schüttete an ihre Anteilseigner zehn Prozent weniger aus als 2009 – die Vorstände dagegen bekamen im Schnitt mehr ausbezahlt.

Aktionärsschützer, die sich ohnehin regelmäßig an den hohen Gehältern der Vorstände stören, bemängeln auch die jüngsten Anstiege. „Das ist eine ungute Entwicklung“, sagt Lars Labryga, Vorstand der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK). Tatsächlich bekämen die Vorstände sogar noch viel mehr Geld mit nach Hause, als die Bilanzen verraten. Um festzustellen, wie viel sie wirklich bekommen, müsste man auch berücksichtigen, welche Pensionen die Manager für sich ausgehandelt haben. „Hohe Pensionszusagen werden oft genutzt, um die Vergütung der Vorstände optisch niedrig zu halten“, so Labryga. „Die Pensionen sind oft schwer auszurechnen, und das ist Absicht.

Quelle: Welt Online