De Regierung will der Anerkennung von Lehren oder Studienabschlüssen im Ausland erleichtern. Hunderttausende profitieren. Den Arbeitgebern reicht das nicht.
Mit Blick auf den drohenden Fachkräftemangel erleichtert die Bundesregierung die Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen. Wer einen Berufs- oder Studienabschluss im Ausland erworben hat, soll einen Rechtsanspruch auf Bewertung seiner Qualifikation binnen drei Monaten erhalten. Die Wirtschaft begrüßte den Schritt – forderte aber weiter reichende Regelungen zur Zuwanderung.
Das vom Kabinett beschlossene Anerkennungsgesetz „ist ein überfälliges Zeichen, dass wir die Qualifikationen anderer respektieren“, sagte Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU). Zuwanderern werde damit die Chance geboten, ihren erlernten Beruf auszuüben und damit die Existenzgrundlage für sich und ihre Familien zu sichern.
Nach Schätzungen der Regierung könnten 300.000 hier lebende Ausländer, deren Qualifikation bislang nicht anerkannt wurde, von dem Verfahren profitieren. Davon haben laut Schavan 250.000 einen berufsqualifizierenden Abschluss, 23.000 einen Meister- oder Techniker-Abschluss und 16.000 einen Fachhochschul- oder Universitätsabschluss.
Der Rechtsanspruch auf eine Bewertung gilt zunächst für die rund 350 Ausbildungsberufe, für die der Bund zuständig ist, etwa das Handwerk. Die Länder haben aber bereits in Aussicht gestellt, dass sie neue Regeln auch für Berufe unter ihrer Zuständigkeit, etwa für Ingenieure oder Lehrer, auf den Weg bringen werden.
"Wichtigen Baustein“ zur Sicherung des künftigen Fachkräftebedarfs
Zuständig für die Bewertung sind die Kammern und Behörden, die schon heute Annerkennungsverfahren für EU-Bürger oder Spätaussiedler vornehmen. Wird in dem Verfahren festgestellt, dass die Qualifikation nicht gleichwertig zu dem entsprechenden hiesigen Berufsabschluss ist, soll dokumentiert werden, welche Weiterbildungsmaßnahmen nötig sind, um die Anerkennung zu bekommen.
Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt begrüßte die geplante bessere Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse als „wichtigen Baustein“ zur Sicherung des künftigen Fachkräftebedarfs. Gleichzeitig mahnte er aber weitere Erleichterungen für die Zuwanderung von Fachkräften an. „Neben einer besseren Ausschöpfung inländischer Potenziale brauchen wir eine gezielte Öffnung unseres Arbeitsmarktes für qualifizierte Fachkräfte aus dem Ausland“, sagte Hundt.
Einschränkung der bürokratische Einzelfallprüfung
Die bürokratische Einzelfallprüfung müsse für Berufe abgeschafft werden, in denen heute ein gravierender Fachkräftemangel bestehe, forderte der Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA).
Außerdem müsse die Einkommensschwelle für Hochqualifizierte von 66.000 Euro „deutlich abgesenkt“ werden. Ziel müsse es sein, dass ausländische Absolventen einer hiesigen Hochschule länger in Deutschland arbeiten. Ausländer, die hier studiert hätten, müssten eine Perspektive erhalten, wenn sie hier Arbeit finden, verlangte der Arbeitgeberchef. „Mittelfristig brauchen wir insgesamt eine stärker am Bedarf des Arbeitsmarktes orientierte Zuwanderung nach klaren Kriterien wie Qualifikation, Berufserfahrung und Sprachkenntnissen“, sagte Hundt.
Es fehlt die "Willkommenskultur"
Auch Bildungsministerin Schavan hält weitere Maßnahmen im Kampf gegen den Fachkräftemangel für geboten: „Deutschland muss attraktiv sein für Talente aus aller Welt.“ Bislang fehle es hierzulande an einer „Willkommenskultur“. Doch gerade der sich abzeichnende Akademikermangel werde sich mit dem Anerkennungsgesetz alleine nicht beseitigen lassen.
Derzeit wird im Bundesarbeitsministerium der Bedarf an Ingenieuren, Technikern, Naturwissenschaftlern oder Ärzten ermittelt. Ministerin Ursula von der Leyen (CDU) hatte im vergangenen Herbst angekündigt, als ersten Schritt eine „Positivliste“ aufstellen zu wollen. In Mangelberufen, etwa bei Ingenieuren und Ärzten, soll die bisher notwendige Vorrangprüfung ausgesetzt werden. Dann könnten Unternehmen Bewerber aus Nicht-EU-Staaten einstellen, ohne zuvor in jedem Einzelfall nachweisen zu müssen, dass sie keinen geeigneten Bewerber in Deutschland finden.
Weitere Maßnahmen
Die FDP drängt auf weiter reichende Maßnahmen. Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) ist ein Anhänger eines Punktesystems, wie es etwa Kanada praktiziert. Doch vor allem die CSU leistet Widerstand gegen eine Lockerung der Zuwanderungsregeln. Die Regierung steht allerdings unter Handlungsdruck. Denn bis zum 19. Juni muss sie die EU-Richtlinie von 2009 zur Einführung einer „Blue Card“ umsetzen.
Mit dieser an die amerikanische Green Card angelehnten Arbeitsgenehmigung soll die Zuwanderung hoch qualifizierter Arbeitskräfte in die Gemeinschaft vereinheitlicht und gefördert werden. Die Federführung für die Umsetzung liegt seit der Kabinettsumbildung im Februar beim neuen Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU).
Kommentar: Anerkennung ausländischer Abschlüsse ist erster Schritt