Noch dominieren die Männer in der Autoindustrie. Doch langsam aber sicher dringen Frauen in diese Domäne vor und wissen ihre Kollegen zu überraschen.

Besser geht's nicht. Renate Fuchs wächst in São Paulo und im beschaulichen Friedrichshafen am Bodensee auf, spricht Portugiesisch und Deutsch fließend. Technisches und betriebswirtschaftliches Verständnis holt sich die heute 27-Jährige bei Praktika und beim Wirtschaftsingenieurstudium an der Fachhochschule in Reutlingen.

Eine Kombination, mit der sich die Tochter einer Brasilianerin und eines Deutschen schon gleich zu Beginn ihrer Karriere für einen Traumjob bei ihrem Wunscharbeitgeber Porsche qualifiziert. Als Praktikantin und schließlich als Beraterin gelingt ihr der Einstieg bei der Porsche Consulting scheinbar problemlos. So ideal passt der Lebenslauf der jungen Frau in das Suchprofil der Unternehmensberatung, als die 2010 eine Tochter in São Paulo eröffnet, dass die Partner andere, sonst notwendige Voraussetzungen wie langjährige Berufserfahrung, hinten anstellen.

Während eines Praktikums in der 18-Millionen-Metropole lernt Renate Fuchs das Handwerk der Berater von der Pike auf kennen. "Die Mischung aus technischem Wissen und Betriebswirtschaftslehre während der Ausbildung war eine ideale Basis." Dass sie im Umgang mit den Klienten einen klaren Heimvorteil ausspielen kann, kommt ihr ohnehin zugute. "Bei ihnen habe ich Porsche-Arbeitsmethoden aus Deutschland mit brasilianischem Temperament eingeführt." Als Beraterin nimmt sie heute Prozesse in Produktion und Administration unter die Lupe, hilft ihren Auftraggebern Wartezeiten zu reduzieren, Doppelarbeit zu vermeiden oder auch Arbeitsinhalte neu zu verteilen.

Keine Frau in der Vorstandsetage

Noch fällt beim Besuch bei Deutschlands Autobauern vor allem eins auf: Ob in der Fertigung, im Controlling, Marketing oder auch in der Forschung, die Männer bleiben weitgehend unter sich. Bei den deutschen Ford-Werken etwa beträgt der Frauenanteil gerade mal knapp zehn Prozent, bei Daimler sind es 13 Prozent. In den Führungsetagen sieht es ähnlich mau aus. In den Vorstand hat es bei den Branchenführern noch keine Frau geschafft. Bei BMW gelang bislang gerade mal drei Frauen der Sprung bis in die Ebene unmittelbar unterhalb des Top-Gremiums. Doch das soll sich nun ändern.

Mit speziellen Frauenförderprogrammen will die Branche gegensteuern. Viel anderes bleibt ihr auch gar nicht übrig. Schon in wenigen Jahren wird das Personal so knapp, dass die Demografiefalle vor allem bei jenen zuschnappen wird, die sich nicht frühzeitig gewappnet haben. Damit nicht genug.

Angela Titzrath-Grimm, Leiterin der weltweiten Führungskräfteentwicklung bei Daimler: "Unsere Erfahrungen zeigen, dass vielfältig zusammengesetzte Teams bessere Ergebnisse bringen. Frauen steuern neue Denk- und Betrachtungsweisen bei." Und die Ingenieurinnen trügen zudem dazu bei, den Ansprüchen der Kundinnen besser gerecht zu werden.

Branchenprimus Daimler hat sich deshalb zum Ziel gesetzt, den Anteil von Frauen in leitenden Führungspositionen bis zum Jahr 2020 auf 20 Prozent zu erhöhen. Derzeit liegt er gerade mal bei rund neun Prozent. Ein eigens gegründetes "Global Diversity Office" soll dafür sorgen, dass das Ziel tatsächlich erreicht wird. Auf dessen Agenda stehen spezielle Mentoringprogramme für weibliche Nachwuchsführungskräfte, flexible Arbeitszeitmodelle oder auch eine betriebliche Betreuung von Mitarbeiter-Kindern. So will der Konzern bis zum Jahr 2012 insgesamt knapp 600 Betreuungsplätze für die Kleinsten in "Sternchen-Krippen" bereitstellen. In die unterste Ebene kommt allemal Bewegung.

Maßgebliche Einstellungen geplant

Mehr als ein Drittel der Trainnees, die Daimler heute einstellt, seien immerhin weiblich, betont Titzrath-Grimm. Nach 500 Nachwuchskräften in 2010 werde auch in diesem Jahr wieder in "beachtlichem Umfang" eingestellt. Dass der Aufstieg auch ohne maßgebliche betriebliche Unterstützung, aber mit großem Engagement und Leistungswillen sowie exzellentem Organisationstalent gelingen kann, zeigt das Beispiel von Alicia Alvarez. 2008 beförderte Ford die heute 40-Jährige zur Personalleiterin von 660 Mitarbeitern und damit zum Mitglied der Geschäftsleitung der Ford Bank. In dem fünfköpfigen Gremium ist die Mutter von achtjährigen Zwillingen die einzige Frau. "Wenn es gut laufen soll, muss man es in erster Linie selbst wollen und auch immer wieder nach außen Signale setzen, dass man für höhere Aufgaben zur Verfügung steht", sagt die Deutsch-Spanierin.

Wenn es darum ging, Herausforderungen anzunehmen, hat die studierte Wirtschaftspsychologin und Betriebswirtin meist mutig zugegriffen. Als Personalreferentin für die Getriebeentwicklung schaute sie bei Ford in den USA ein Jahr lang über den Tellerrand, setzte sich danach als erste Personalleiterin bei Ford in Köln im gewerblichen Bereich durch und arbeitete sich später als Projektmanagerin auch in Gebiete ein, die ihr eher fremd waren. Selbst die Geburt der Zwillinge und die folgenden fünf Jahre in Teilzeit bremsten ihren Aufstieg nicht.

Sensibilisierung ist notwendig

"Geht nicht gibt's nicht" ist auch die Devise der Diversity Managerin bei Ford, Brigitte Kasztan. "Wir müssen die internen Prozesse analysieren und schauen, welche Positionen sich zum Beispiel für reduzierte Arbeitszeiten oder Jobsharing eignen." Auch müssten die Vorgesetzten sensibilisiert werden, dass oft viel mehr machbar sei als zunächst gedacht. Wie das funktioniert, lebt Kasztans Vorgängerin, Andrea Puschmann, vor. Die 39-Jährige teilt sich die Personalleitung für die Fiesta-Fertigung mit einem Kollegen. Von montags bis mittwochs arbeitet Puschmann, von mittwochs bis freitags der Kollege. Den gemeinsamen Mittwoch nutzen die Beiden zur Abstimmung und Übergabe der Geschäfte. Brigitte Kasztan: "Jobsharing bringt oft ein Mehr an Leistung und öffnet auch neue Perspektiven."

Wie Ford lehnt auch BMW eine Frauenquote strikt ab. "Wir stellen Eignung in den Vordergrund. Wir brauchen die jeweils Besten - unabhängig von Geschlecht, Alter und kulturellem Hintergrund", sagt Liza Hassel, die das Thema Diversity verantwortet. Als technikorientiertes Unternehmen stehe BMW zudem vor dem Problem, dass der Frauenanteil unter den Absolventen technischer Studiengänge vergleichsweise gering ausfalle. Mit Aktionen wie der Teilnahme am Girls Day, der Initiative Schule-Wirtschaft oder eigenen Aktivitäten wie dem Junior Campus in der BMW Welt oder Schnupperpraktika versucht BMW auch Mädchen stärker für Technik zu begeistern.

Ehrgeizige Ziele haben sich die Münchner trotz Ablehnung der Quote dennoch gesetzt und Zielkorridore für die einzelnen Ebenen vom Azubi bis zur höheren Führungsebene markiert. So soll der Frauenanteil bei den Einsteigern etwa im technischen Bereich der Programme Duale Berufsausbildung mit Fachhochschulreife oder Graduate Programm "zeitnah" zwischen 20 und 30 Prozent erreichen. Die Zahl der weiblichen Führungskräfte soll bis 2020 fast verdoppelt werden. Deshalb will BMW bei der Besetzung von Führungspositionen künftig noch intensiver prüfen, ob geeignete Frauen zur Verfügung stehen. Außerdem startet ein neues 100-Tage-Coaching-Programm. Hassel: "Es soll Frauen dabei helfen, sich als Führungskraft in einem männer- und technikdominierten Umfeld zu behaupten."

Quelle: Welt Online