Der Streit zwischen den MediaMarkt-Eigentümern Kellerhoff und Cordes eskaliert. Selten attackierten sich Firmen-Lenker in der öffentlich so heftig.

Die Choreografie hatte funktioniert. Die Metro ließ sich ihre Bilanz-Pressekonferenz über das Rekordjahr 2010 nicht durch den Machtkampf bei der Tochter MediaSaturn vermiesen: Umsatz, Gewinn, Dividende, Aktienkurs – alles war gestiegen. Konzernchef Eckhard Cordes konnte zudem vermelden, dass es bei der langjährigen Problemsparte, der Verbrauchermarktkette Real, inzwischen besser und bei den Kaufhof-Warenhäusern bestens laufe. Alles prima scheinbar in der Welt der Metro.

Erst nach einer Stunde fragte ein Journalist etwas zu Erich Kellerhals, jenem MediaMarkt-Gründer, mit dem Cordes seit einigen Tagen in heftigstem Clinch liegt. Cordes will dem 71-jährigen seine seit zwei Jahrzehnten ausgeübten Minderheitsrechte nehmen. Dagegen hat Kellerhals nun geklagt – und laut schimpfend gleich mal gefordert, dass Cordes als Metro-Chef rausfliegen möge. „Ich kann das hier nicht bis ins letzte aufrollen, das dauert zu lange“, sagte Cordes und fasste sich kurz.

Am Freitag erst war der Fall in die Öffentlichkeit gekommen, die Aufregung noch entsprechend groß. Das Thema drohte also, die Präsentation des Rekordergebnisses am Dienstag darauf in den Hintergrund zu drängen. Geschickt jedoch hatten die Metro-Oberen bereits in den vergangenen Tagen ihre Sicht der Dinge in den Medien gestreut und somit den Neuigkeitswert für ihre Bilanz-Pressekonferenz herunter gefahren. Und so war der Krach der Eigentümer tatsächlich nur ein Thema unter vielen. Die Choreografie hatte funktioniert.

Dabei ist in dieser Geschichte rund um eine der bekanntesten deutschen Marken im Handel alles drin: Ein steinreicher, älterer Herr, der um seine Macht und sein Lebenswerk fürchtet: Erich Kellerhals. Ein in der Öffentlichkeit nicht besonders beliebter Manager, der in seinem Einflussbereich gern Sanierungsfälle entdeckt und angeht: Eckhard Cordes. Und eine komplizierte Klage gegen ein vor langer Zeit aufgesetztes Papier, persönliche Beschimpfungen, gezielt gestreute Halb- und Unwahrheiten und Unterstellungen aus dem Hinterhalt. Dazu mehrere angeblich wasserdichte Gutachten der renommiertesten Rechtsanwaltskanzleien, die von der jeweiligen Gegenseite als vollkommen haltlos abgetan werden. Ein Stück also, das sich – einigermaßen vernünftig verfilmt – bei Media Markt oder Saturn auf DVD oder BlueRay-Disc ordentlich verkaufen ließe.

Und wie im Film entwickeln sich solche Geschichten und Konfliktlinien in der Realität über viele Jahre hinweg. Bis irgendwann aus (Geschäfts-)Freunden Feinde werden. Mehr als zwei Jahrzehnte war alles einigermaßen gut gegangen zwischen den Gesellschaftern von Media Saturn. Wichtige Dinge beschloss man einvernehmlich in der Gesellschafterversammlung. In der hält Metro hält 75,41 Prozent der Anteile, die Gründerfamilie Kellerhals 21,41 Prozent und die Gründerfamilie Stiefel rund drei Prozent. Walter Glunz, der dritte Mitgründer, war schon im Jahr 2000 ausgestiegen. „Angesichts dieser Zahlen würde doch jeder vermuten: Wer die 75 Prozent hat, hat das Sagen“, meint Cordes.

Bei MediaSaturn allerdings ist das ganz anders. Bisher jedenfalls. Denn Kellerhals und Stiefel machen Vetorechte aus alten Zeiten gelten, die ihnen bisher auch immer gewährt wurden. Denn laut Satzung müssen wesentliche Entscheidungen im Gesellschafterausschuss mit einer Mehrheit von 80 Prozent gefällt werden. Über diesen Passus nun können die beiden Kleinen die große Metro immer aushebeln.

Und das stinkt einem wie Tempomacher Cordes erheblich. „Weil bei Entscheidungen wertvolle Zeit verloren geht“, wie er sagt. Dass Media Markt und Saturn noch immer keinen Onlineshop in Deutschland haben, lastet Cordes unter anderem dieser Konstruktion an. So würden Wachstumschancen verschenkt. Und wenn es nach ihm gegangen wäre, hätte MediaSaturn schon viel früher das seit Jahren defizitäre Frankreich-Geschäft verkauft. Im Kellerhals-Umfeld bestreitet man, dass die eigene Seite entsprechende Aktivitäten verhindert habe: „Herr Kellerhals hat überhaupt nichts blockiert“. Auch Roland Weise, den langjährigen MediaSaturn-Chef, – ein Kellerhals-Mann – sah Cordes als Problem, als Bremser. Ihn wollte er schon lange loswerden, Kellerhals hielt dagegen. Erst im Dezember stimmte der Gründer zu, den Weise-Vertrag nicht mehr zu verlängern.

Der Weise-Streit allerdings hatte Cordes derart aufgebracht, dass er bereits vor einem halben Jahr begonnen hatte, zu planen, wie er die Festung Kellerhals endgültig einnehmen könnte. Zusammen mit Finanzvorstand Olaf Koch setzten sie ihre juristische Wunderwaffe gegen Kellerhals an: Dieter Haag Molkenteller, promovierter Rechtsanwalt, langjähriger Metro-Manager und jetzt der Mann für besondere Fälle. Er studierte monatelang den zwei Jahrzehnte alten Gesellschaftervertrag samt Schriftverkehr zum Thema und entdeckte etwas, was seinen Chef entzückte.

Denn in der Satzung findet sich das Institut eines Beirates, der weitgehend an die Stelle der so ungeliebten Gesellschafterversammlung treten kann. Im Beirat reicht nach Metro-Fassung die einfache Mehrheit – also die eigene. „Die Minderheitenrechte gelten in ihrer kompletten Form nur, solange einer der Gesellschafter auch Geschäftsführer ist“, erklärt Cordes und sieht sich von einem Rechtsgutachten der Kanzlei Hengeler Müller bestätigt. Kellerhals ist schon seit 1994 nicht mehr in der Geschäftsführung tätig. Mit dem Ausscheiden Stiefels vor vier Jahren hätten auch die Minderheitenrechte keine Berechtigung mehr, glaubt Cordes: „Wir schaffen nichts Neues und wollen auch keine Verträge ändern. Wir wollen nur das installieren, was in den Verträgen schon vor über 20 Jahren vorgesehen wurde“.

Und da es das – selber bestellte – Hengeler Müller-Gutachten gibt, könne die Metro gar nicht anders, als Kellerhals und Stiefel ihre Exklusivrechte abzunehmen. Ansonsten könnten eigene Aktionäre sie verklagen, weil Cordes nicht alles Erdenkliche für das Wohl der Metro tut. Den Beirat hat Cordes gegen die Warnung und gegen die Stimmen der Altgesellschafter am 4. März installiert. Kellerhals zog umgehend vor das Landgericht Ingolstadt.

Für diesen Kampf geht der in Salzburg wohnende Milliardär, der seit Jahrzehnten Schlagzeilen und Interviews meidet, sogar in die Öffentlichkeit. Das allein schon zeigt, um wie viel es geht. Kellerhals hat die auf derlei Fälle spezialisierte Agentur Hering Schuppener engagiert, um seine Position in den Medien zu verbreiten. Und danach ist die 80-Prozent-Schwelle und damit sein Veto-Recht auf ewig zementiert. Selbst für den Fall, dass es einen Beirat geben sollte. Zwei eigene Rechtsgutachten stützen seine Meinung. Er sei gar nicht grundsätzlich gegen solches Gremium, doch dürfe es allenfalls beratenden Charakter haben, ließ er verlauten. Doch damit hätte Cordes nichts gewonnen. Der will den Beirat zum Machtzentrum machen und dieses dominieren.

Die Position des Gesellschafters mit dem kleinsten Anteil, Leopold Stiefel, liegt irgendwo zwischen beiden Extremen: Er hat in der Sitzung vom 4. März zwar gegen den Cordes-Beirat gestimmt, schließt sich aber nicht der Kellerhals-Klage dagegen an.

Wie lange die juristische Auseinandersetzung dauern kann, weiß kein Mensch. Solange der Streit tobt, ist weiterhin der Gesellschafterausschuss zuständig. Die Arbeit kann also weitergehen. Parallel zum Rechtsstreit will die Metro jetzt ein Schiedsverfahren: Die beiden Kontrahenten stellen jeweils einen Schiedsrichter, dazu kommt ein neutraler. Der Spruch eines solchen Gremiums wäre rechtlich bindend. Doch die Kellerhals-Seite lehnt rundweg ab: Da sich ja gar nichts verändert habe, brauche man auch kein Schiedsverfahren.

Dass die Auseinandersetzung längst persönlich geworden ist, zeigt nicht zuletzt ein Brief von Kellerhals an Jürgen Kluge, den Aufsichtsratschef der Metro: Er möge Cordes doch bitte umgehend entlassen, der Mann sei überfordert, schreibt sein Widersacher. An anderer Stelle sagte Kellerhals, Cordes wolle sein Lebenswerk zerstören und schade der Firma. Cordes selbstverständlich erklärt genau das Gegenteil. Dass er am Freitag auch noch mitteilen ließ, er hoffe, „dass der Streit nicht auf dem Rücken der Mitarbeiter und der Gesellschaft ausgetragen wird“, brachte nun zahlreiche Beschäftigte in Wallung.

Der als kalt geltende Effizienzfanatiker Cordes soll auf ihrer Seite stehen? Zwar können sich die Leute von Media Markt und Saturn gegenseitig nicht besonders gut leiden. Doch sehen beide die Gründer Kellerhals und Stiefel als Beschützer vor dem Bösen. Und dieses Böse hat danach seine Zentrale nun mal in Düsseldorf, in der Metro-Strasse.

Würde Cordes Kellerhals als Vetomacht ausschalten, könnte die Metro MediaSaturn zudem endlich an die Börse bringen – und genau das ängstigt Mitarbeiter. Die bisherigen Börsen-Überlegungen waren maßgeblich daran gescheitert, dass Kellerhals seine Minderheitenrechte nicht aufgeben wollte. Im Kellerhals-Lager dementiert man Spekulationen, der Senior wolle sich sein Recht für Unsummen abkaufen lassen und mit seiner Klage nur den Preis hochtreiben. „Kellerhals wird niemals verkaufen. Das ist sein Unternehmen, das nimmt ihm keiner“, heißt es. Ein anderer Kellerhals-Kenner sagt: „Der ist ein Kämpfer. Und wer ihn einmal gereizt hat – dem Gnade Gott“. Und Eckhard Cordes hat ihn gereizt. Bis aufs Blut.

Quelle: Welt Online