In den ersten Mai-Wochen sind fast alle deutschen AKW abgeschaltet. Spätestens dann drohen spürbare Ausfälle bei der Stromversorgung.

Die Betreiber der 17 deutschen Atomkraftwerke wollen während des von der Bundesregierung verhängten Atom-Moratoriums fünf weitere Reaktoren für die Revision vom Netz nehmen. Das geht aus der „Revisionsplanung 2011“ für die deutschen Kernkraftwerke hervor, die "Welt Online“ vorliegt. Die bereits zu Jahresbeginn festgelegten Revisionszeiträume überschneiden sich danach vor allem am Wochenende 21./22. Mai. An diesen beiden Tagen stehen dann nicht nur die sieben von der Bundesregierung abgeschalteten Anlagen und das in Reparatur befindliche Kernkraftwerk Krümmel still.

Zusätzlich sind dann fünf weitere Atomkraftwerke für ihre turnusmäßige Revision abgestellt. Insgesamt produzieren damit 13 der 17 Kernkraftwerke keinen Strom mehr. Von der installierten nuklearen Nettoleistung von rund 20.5000 Megawatt sind mehr als 15.000 Megawatt oder knapp 75 Prozent dann nicht am Netz. Einen so hohen Ausfall von Atomkraftwerken hat es im deutschen Stromnetz seit Jahrzehnten nicht gegeben. Maximal waren in früheren Jahren sechs oder sieben Reaktoren zeitgleich nicht am Netz.

Weil die Bundesregierung aber die sofortige, dreimonatige Abschaltung der sieben ältesten Meiler angeordnet hatte, ohne die Revisionspläne der Betreiber zu kennen, fällt die Atomkraft im Mai nun als Lieferant für die stabilisierende „Grundlast“ im Stromnetz fast völlig aus. „Bei einem so massiven Ausfall gesicherter Erzeugungsleistung kann es in verbrauchsstarken Zeiten eng werden“, sagte Dieter Marx, der Geschäftsführer des Deutschen Atomforums.

Der niederländische Netzbetreiber Tennet, der das Höchstspannungsnetz der E.on AG in Deutschland übernommen hatte, warnte bereits Ende vergangener Woche vor den möglichen Folgen der raschen AKW-Abschaltungen in Deutschland. „Insbesondere wird die Spannungshaltung eine Herausforderung“, erklärte Tennet in einer Mitteilung. Die Spannung im Übertragungsnetz müsse stets in einem definierten Bereich sein, um die Systemstabilität nicht zu gefährden. „Zu einer kritischen Situation käme es, wenn weitere Kraftwerke zum Beispiel revisionsbedingt abgeschaltet würden.“ Tennet begründete die Warnung mit „veränderten Lastflüssen“ im europäischen Stromnetz, die sich nach der Abschaltung der deutschen Meiler zeigten.

Stark angespannte Netzsituation

„Da vor allem Kernkraftwerke im Süden Deutschlands abgeschaltet werden, kommt es zudem zu erhöhten Stromflüssen auf den Nord-Süd-Trassen“, erklärte das Unternehmen. Bereits jetzt ergebe sich eine „stark angespannte Netzsituation.“ Der Netzbetreiber selbst kündigte an, geplante Instandhaltungsarbeiten in das Leitungssystem vorerst auszusetzen, um nicht die Gefahr eines Netzzusammenbruches zu erhöhen. Ein Zusammenbruch des Stromnetzes kann zu Stromausfällen, sogenannten Blackouts führen, die sich schlimmstenfalls auch kaskadenartig über ganz Europa ausbreiten können.

Unbestätigten Berichten zufolge, sollen die Netzbetreiber, zu denen auch die Unternehmen „50 Hertz“, Amprion und EnBW Netz gehören, die Kraftwerksbetreiber bereits darum gebeten haben, die Revisionen ihrer Atomkraftwerke zu verschieben. Diese sollen auf die Bitte hin ablehnend reagiert haben: Denn eine Revision, während der zum Teil mit erheblichem Aufwand Kontroll-, Wartungs- und Reparaturarbeiten ausgeführt werden, diene der Sicherheit der Kernkraftwerke. Die AKW-Betreiber erklärten, in Bezug auf die Kraftwerkssicherheit keine Kompromisse machen zu wollen – auch nicht auf Bitten der Netzbetreiber.

So könnten sich bereits in den ersten Mai-Wochen kritische Situationen im Netz ergeben. Zusätzlich zu den ohnehin stillgelegten Meilern sind dann die Atomkraftwerke Grafenrheinfeld und Grohnde und Gundremmingen B in Revision. Ab Mitte Mai stellt dann auch der Reaktorblock Philippsburg 2 die Stromproduktion ab. Wenn am 21. Mai das Atomkraftwerk Emsland wie geplant in Revision geht, stehen für einige Tage 13 Kernkraftwerke gleichzeitig still. Aus Kreisen der Netzbetreiber heißt es, wenn in diesen Tagen auch noch Windflaute herrscht und zugleich eine hohe Stromnachfrage besteht, könne es in Deutschland zu einer sehr ernsten Versorgungssituation kommen. Denn auch die sogenannten Grenzkuppelstellen ins Ausland, über die ersatzweise Strom importiert werden kann, seien von begrenzter Kapazität.

Quelle: Welt Online