Autoclub droht Mineralölwirtschaft mit einer Anzeige. Diese wiederum spricht vom “Todesstoß“ für den neuen Biosprit E10.

Die Harmonie währte gerade einmal zehn Tage: Beim Benzingipfel im Wirtschaftsministerium in der vergangenen Woche hatten noch alle Beteiligten ein gemeinsames Vorgehen beschlossen. Von den Ölkonzernen über die Autohersteller und Automobilklubs bis hin zur Umwelt- und Verbraucherpolitik waren sich alle Seiten einig, dass das neue Bio-Benzin E10 nur mit gemeinsamer Anstrengung erfolgreich am Markt eingeführt werden könne.

Das ist nun schon wieder vorbei: Nachdem der ADAC angekündigt hat, einige Konzerne anzuzeigen, weil sie an ihren Tankstellen keine günstige Alternative zu E10 anbieten, kommt die Reaktion prompt: Der Mineralölwirtschaftsverband (MWV) sprach gestern vom „Todesstoß für E10“, den der Automobilklub der neuen Sorte dadurch versetze.

Darum geht es bei dem neu entflammten Streit um das Benzin mit zehn Prozent Ethanolanteil: Der ADAC hat festgestellt, dass einige Tankstellen nur teure Ersatzsorten mit fünf Prozent Bioanteil anbieten. „In München gibt es Shell-Stationen, auf denen nur die ganz teure Sorte und nicht die in der Verordnung vorgeschriebene Alternative angeboten werden“, sagte ein ADAC-Sprecher „Welt Online“. Dabei handelt es sich um das Produkt „V-Power-Racing“ mit 100 Oktan, das gegenüber dem E10-Benzin um bis zu 19 Cent teurer ist. Die sonst übliche Alternative besteht in einem Superbenzin mit geringerer Leistung und deinem Preisabstand von bis zu neun Cent.

Ein Shell-Sprecher räumte dies sogar ein und verwies darauf, dass es bedauerlicher Weise zu Engpässen kommen kann. „Wir haben alle Lieferfahrzeuge auf der Straße, über die wir verfügen. In Einzelfällen kann das Angebot einmal vorübergehend nicht verfügbar sein“, sagte der Shell-Sprecher „Welt Online“. Von den rund 1000 bislang auf E10 umgestellten Shell-Stationen könnten an einigen Tagen drei Prozent davon betroffen sein.

Der ADAC will nun Shell, den Marktführer Aral und auch andere Benzinverkäufer anzeigen, weil sie bei der Einführung von E10 an den Stationen nicht immer die Sorte Super E5 mit 95 Oktan als günstigste Ausweichmöglichkeit zur Verfügung stellen. „Diese Tricksereien zum Nachteil der Autofahrer müssen ein Ende haben“, donnerte ADAC-Präsident Peter Meyer.

Laut Bundes-Immissionsschutzverordnung sei dieses Pflichtangebot eindeutig geregelt. Das werde jedoch mehr und mehr ausgehebelt, indem von Tankstellen nur das teurere Super Plus oder teilweise sogar nur Sorten wie V-Power als Ersatz verkaufen würden. „Das ist schlicht und ergreifend Abzocke“, wirft Meyer den Konzernen vor. Die Konsequenz: Der ADAC will nun bei den Ordnungsbehörden der Regionen Anzeige erstatten, in denen diese Verkäufe festgestellt werden.

Die Antwort darauf von der Öl-Lobby fällt deutlich aus: „Die Forderung des ADAC, auf Super 95 zu setzen, entzieht der politisch gewollten Einführung von E10 den Boden“, schreibt der MWV in einer Mitteilung. Der Automobilklub breche damit die Vereinbarung des Benzingipfels. Die Branche habe ihren Beitrag geleistet, an jeder Tankstelle über Listen der Deutschen Automobiltreuhand (DAT) rechtsverbindlich über die Motorverträglichkeit von E10 zu informieren.

Dies war zuvor einer der wesentlichen Punkte der Diskussion gewesen, weil rund zehn Prozent der deutschen Autos das neue Biobenzin nicht vertragen. Durch diese Aktion werde „die zunächst von allen Beteiligten unterstützte Strategie der Bundesregierung für mehr Klimaschutz und Ressourcenschonung durch die Etablierung von E10 nahezu unmöglich gemacht“, schreibt der MWV.

Wie es nun mit der E10-Einführung weiter geht, ist offen. Marktführer Aral etwa rüstet nach Informationen von „Welt Online“ derzeit keine weiteren Stationen auf das Biobenzin um. Grund dafür sei die nach wie vor mangelnde Akzeptanz von E10 bei den Kunden. Auch Konkurrent Shell beobachtet dies: „Die Nachfrage ist nach wie vor mäßig. Höchstens de Hälfte der Autofahrer, die E10 tanken könnten, kauft es auch“, sagte der Firmensprecher.

Die großen Tankstellenbetreiber wie auch die freien Stationen berichten davon, dass das herkömmliche Super E5 stärker nachgefragt ist als die neue Bio-Sorte. Genau das aber schafft Probleme: Raffinerien müssen die Produktion drosseln, sie kommen mit dem Angebot an E5 kaum hinterher. Und auf den Stationen sind die Vorräte für das alte Benzin rasch leer, weil die Betreiber die größeren Tanks für E10 nutzen.

Quelle: Welt Online